Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

Stadt der Versuchung: Dunkle Seelen, #2
Stadt der Versuchung: Dunkle Seelen, #2
Stadt der Versuchung: Dunkle Seelen, #2
Ebook294 pages3 hours

Stadt der Versuchung: Dunkle Seelen, #2

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Eine dunkle Magierin und ein geheimnisvoller Adliger auf dem Weg zu unvorstellbarer Macht. 


Lazarus Fierté hat die mächtige Magierin Quinn Darkova an sich gebunden. Mit jedem Tag auf ihrer
langen Reise spürt er, dass die Warnungen seiner Anhänger nicht unbegründet sind. Doch er ist sich
Quinns Loyalität bewusst – und noch etwas anderem, das ein Mann wie Lazarus niemals zulassen
kann.
Gemeinsam schließen sie Bündnisse, überwinden hinterhältige Anschläge und dunklen Verrat.
Lazarus' Ziel ist in greifbarer Nähe. Er kann den Thron erobern, doch Quinn verheimlicht ihm
etwas: Ihre Sehnsüchte reichen weit über ihre Loyalität hinaus.
Wird das Bündnis zwischen Quinn und Lazarus unter der Spannung zerreißen?

 

Anmerkung: Stadt der Versuchung ist Band 2 der geheimnisvollen Fantasy-Saga um Quinn und
Lazarus auf ihrem gemeinsamen Weg zur Eroberung des Throns. Begleite die beiden Magier durch
magische Welten, triff fantastische Völker und bereise fremde Welten. Band 2 lässt dich bangen und
hoffen und mit Quinn und Lazarus fiebern.

LanguageEnglish
PublisherKel Carpenter
Release dateSep 19, 2023
ISBN9781960167378
Stadt der Versuchung: Dunkle Seelen, #2

Read more from Kel Carpenter

Related authors

Related to Stadt der Versuchung

Titles in the series (5)

View More

Related ebooks

Fantasy For You

View More

Related articles

Reviews for Stadt der Versuchung

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    Stadt der Versuchung - Kel Carpenter

    Kapitel 1

    Die Piratenkönigin

    »Alle Königinnen sind auf ihre Art und Weise Piraten.«

    Quinn Darkova, Vasallin des Hauses Fierté, Angstwandlerin

    Gold. Es funkelte auf Schritt und Tritt. Quinn war sich nicht sicher, was sie in der berüchtigten Stadt Tritol erwarten würde, aber getreu dem Namen der Piratenkönigin war es eine Stadt des Glücks.

    Die gelben und bronzenen Kuppeln strahlten wie Leuchttürme in der Hitze von Leviticus’ Auge. Ein dunstiger Film verdeckte Quinns Sicht, während sie durch den Sand blinzelte, der aufgewirbelt wurde, als sie durch die Tore zum Hauptplatz gedrängt wurden. Textilien in allen Farben und Formen hingen an den Fenstern und Türen, während die Händler ihre Geschäfte für den Tag eröffneten.

    Sie hatte von den Gerüchten gehört, dass Imogen es mochte, wenn ihr Volk seinen Wohlstand zur Schau stellte, und sie betrachtete es mit Wohlwollen. Wenn sie sich die übermäßig freundlichen Händler so ansah, war Quinn geneigt, diesen Gerüchten Glauben zu schenken. Zumal sie dem Mädchen, das vor ihnen her ritt, ihr Pferd an den Zügeln vorantreibend, Geschenke und Schmuckstücke anboten.

    »Für die Königin!«, verkündeten sie und hielten ihre besten Stoffe und goldenen Schätze in die Höhe. Axe schüttelte nur den Kopf, hob eine Hand und winkte sie gelassen weg, während sie die sandigen Straßen entlang ritt, als ob sie ihr gehören würden. Wenn sie wirklich Imogens Adoptivtochter war, dann wäre das eines Tages auch der Fall.

    »Weißt du«, begann Quinn und schaute zu Lazarus hinüber, »du könntest hier wirklich noch das eine oder andere lernen.« Mit einer Geste deutete sie auf einen Verkäufer, der vorsprang und ihr eine Halskette aus mehreren goldenen Seilen anbot. Der Mann neigte den Kopf und hob die Kette in die Höhe, doch gerade als Quinn sich vorbeugte, um sie anzunehmen, warf Lazarus ihr einen missbilligenden Blick zu.

    »Die ist nicht für dich«, sagte er.

    Quinn verengte die Augen, nahm ihre Hand aber ohne die Halskette zurück und schwieg, während sie tiefer in die Stadt vordrangen.

    Die Hitze drückte. Die Luft wurde immer feuchter, je länger sie ritten. Quinn blickte von einer Seite zur anderen, dann richtete sie ihren Blick geradeaus und konzentrierte sich auf das seltsame Mädchen, das sie anführte.

    Axe ignorierte weiterhin die Geschenke der Bürger von Tritol, während sie ihre Gruppe zum höchsten Gebäude der Stadt führte. Es überragte den Rest der Hauptstadt. Die scharfe Kante seiner Spitze schimmerte im Sonnenlicht. Noch mehr Gold, stellte Quinn fest.

    Sie pfiff leise vor sich hin, als sie an den Toren des Gebäudes ankamen – die hohen Bögen waren mit Juwelen in Saphirblau und königlichem Purpur verziert. Meerestiere aus Mythen und Legenden waren in den Stein gemeißelt worden. Meerjungfrauen. Kraken. Kreaturen aus dem tiefen Blau, von denen es hieß, dass sie in längst vergangenen Jahren die Göttin Myori gewesen waren.

    Nur gesunkene Schiffe und Seeleute auf dem Grund des Ozeans wussten, ob das stimmte oder nicht.

    »Kein Wunder, dass wir ihren Zorn verfluchen«, murmelte Quinn. Lazarus warf ihr einen weiteren Blick zu. Einen, den sie ignorierte.

    Die Tore hoben sich, als Axe ihre Hand zu den Männern an der Spitze hob. In der Mitte des blühenden Innenhofs kamen sie zum Stehen. Hoch aufragende Bäume ließen Glyzinien über dem Gelände baumeln, Ranken kletterten an den Steinmauern hoch.

    »Also gut«, verkündete Axe. »Sie erwartet uns.«

    Quinn übergab die Zügel einem herannahenden Stallburschen, drehte sich dann um und folgte den anderen. Als sie das Gebäude betraten, warf sie einen anerkennenden Blick auf die glitzernden, mit Gold überzogenen Zierleisten an den Wänden. Der Boden bestand aus breiten perlmuttfarbenen Ziegeln und cremefarbenem Mörtel, der an einigen Stellen rötlich-braun gefärbt war. Blut, vermutete sie, denn sie hatte diese Anzeichen schon einmal gesehen. In einem anderen Land. Zu einer anderen Zeit.

    Axe hüpfte eine Treppe hinauf, die zu einer mit hochwertigen Kissen übersäten Kammer führte. Eine ältere Frau mit olivgrüner Haut und harten Gesichtszügen lag auf einem goldenen Schalensessel. Ihr dunkles grau meliertes Haar war fest geflochten und betonte die scharfen Knochen ihres Gesichts noch mehr. Eine einzelne Narbe zog sich über ihre Wange und verlief parallel zu ihrer Kieferpartie. Ein wallendes weißes Hemd rutschte von einer Schulter und enthüllte seltsame schwarze Markierungen auf ihrer Haut. Symbole der Piraten. Sie musste ihre Königin sein.

    »Madara, ich bin wieder da!«, verkündete Axe fröhlich und stürmte auf die Frau zu.

    Diese öffnete langsam die Augen und drehte ihren Kopf zu den Neuankömmlingen – ihre blassen Lippen verzogen sich zu einem brutalen Lächeln, während sie sich aufsetzte.

    »Ja«, sagte sie. »Und es sieht so aus, als hättest du«, sie hielt inne und rümpfte angewidert die Nase, »ungebetene Gäste mitgebracht.«

    Axe grinste fröhlich und ließ sich auf die harte Armlehne des Stuhls plumpsen. »Genau, wie du es dir gewünscht hast«, sagte sie. »Das ist wirklich eine interessante Truppe.«

    »Ist sie das?«, fragte die Königin und musterte sie.

    Axe schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und zwinkerte. Quinn blinzelte das sonderbare Mädchen an, nicht sicher, was sie von ihr halten sollte.

    »Lazarus Fierté«, begann Imogen und zog damit Quinns Aufmerksamkeit auf sich. »Thorne von den Bergen hat uns einen Falken geschickt, der uns über deine bevorstehende Ankunft informiert hat. Wir haben dich erwartet, aber nicht so bald.«

    Lazarus trat vor und kreuzte einen Arm über seiner Brust, die Hand über seinem Herzen.

    »Königin Imogen«, sagte er mit einem respektvollen Nicken, bevor er seinen Arm senkte. »Ja, ich fürchte, wir mussten den Zeitpunkt unserer Ankunft verschieben.«

    »Das kann ich sehen.« Imogen neigte ihren Kopf zur Seite und schwieg, während sie wartete.

    »Danke, dass Ihr mir so kurzfristig eine Audienz gewährt. Ich weiß, dass es üblich ist, im Voraus um eine Audienz zu bitten«, fuhr Lazarus fort und seine Stimme klang äußerst überzeugend. Dieser Mann konnte mit einem Lächeln eine Frau dazu bringen, Gift aus seiner Hand zu trinken. Quinn bewunderte das an ihm.

    Es erforderte eine gewisse Skrupellosigkeit, sich mit einem Feind anzufreunden und ihn mit einem Grinsen zu töten.

    Imogen seufzte und schlug ein Bein über das andere, sodass ihr blasses Hemd auf dem Kissenstapel in ihrem Rücken knitterte. Axe stand daneben, grinste und beobachtete das Geschehen mit Neugierde. Quinn verengte ihre Augen auf das Mädchen, als Lazarus erneut das Wort ergriff.

    »Ich möchte um eine Privataudienz bitten«, sagte er. »Als zukünftiger König von Norcasta wäre es vernünftiger, meinen Vorschlag in einer …« Lazarus hielt inne und musterte aufmerksam den Thronsaal, bevor er fortfuhr: »… privateren Umgebung, zu besprechen.«

    Die Königin seufzte und lehnte ihren Kopf zurück, als wäre sie seiner Anwesenheit bereits überdrüssig. Ihr Blick wanderte von Lazarus zu Draeven und dann zu Vaughn, bei dem sie nur mit einem leichten Zusammenkneifen der Augen reagierte, bevor sie Quinn fixierte. Quinn starrte ohne Rücksicht auf Anstand zurück.

    Sie konnte fast schon Lorraines schroffe Stimme hören, die ihr sagte, sie sollte sich benehmen und Respekt zeigen. Anstatt sich über diesen Gedanken zu ärgern, machte sie sich Sorgen, wo Lorraine gerade sein könnte und in welchem Zustand.

    Quinns Gesichtsausdruck verhärtete sich voller Entschlossenheit, denn sie wusste, dass diese Sorge noch etwas warten musste.

    »Statt deines Vorschlags«, sagte Imogen, »möchte ich lieber wissen, warum mehrere Dutzend Männer in den Farben von Ilvas vor meiner Stadt tot aufgefunden wurden.«

    »Madara …«, begann Axe und die Augen des Mädchens schossen mit leichtem Befremden zu denen ihrer Mutter.

    Imogen hob die Hand, um weitere Worte von Axe zu unterbinden. »Aber, aber, Tesora, lass sie doch meine Frage beantworten!«

    Axe runzelte die Stirn, hielt sich aber zurück, und Quinn beobachtete die Interaktion mit Interesse.

    »Als Thronfolger von Norcasta habe ich mir und meinen Vasallen einige Feinde gemacht«, antwortete Lazarus. »Ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, aber ich kann Euch versichern, dass die Männer, die tot vor diesen Mauern liegen, keine Bürger von Ilvas sind. Sie sind nichts weiter als Söldner, die angeheuert wurden, um mich und meine Leute zu beseitigen.«

    »Hmmmm.« Quinn gefiel die Art, wie die Frau brummte nicht. Es war viel zu herablassend, für das Bündnis, das Lazarus aushandeln wollte. »Ja, ich habe gehört, dass Claudius einen neuen Erben hat«, sagte sie schlicht. Mit einer Handbewegung winkte sie einen der Diener, die an der Seite standen, heran. Der Mann trat vor und hielt ihr einen Kelch hin, den sie ihm abnahm. Nachdem sie einen großen Schluck daraus genommen hatte, seufzte Imogen und leckte sich einen Tropfen Wein von den Lippen. »Also«, fuhr sie fort, »dann musst du der dunkle Prinz sein?«

    Quinn runzelte die Stirn. Lazarus’ ausbleibende Antwort schreckte die Piratenkönigin jedoch nicht ab. Sie streckte ihre Challis aus und starrte auf ihn herab. »Als der dunkle Prinz«, sagte sie, »willst du mir also sagen, dass du Verbrecher – Hochstapler – vor meine Tore geführt hast?«

    »Es wurde sich um sie gekümmert«, antwortete Lazarus.

    Quinn erinnerte sich lebhaft daran, wie man sich um sie gekümmert hatte. Sie würde nie vergessen, wie ihre Knochen zerbrachen und ihre Schreie in die Leere hinaus schallten. In diesem Moment hatte sich etwas in ihr verändert.

    Denn jetzt, da sie wusste, wie sehr sie danach gierte, würde sie nie wieder zurückkehren können.

    »Trotzdem«, sagte Imogen, »ist es ein schwerwiegendes Vergehen, Lord Fierté, mich und mein Volk in deine kleinlichen norcastanischen Streitigkeiten zu verwickeln, und das noch, bevor du überhaupt erst eine Audienz erhalten hast.« Ihre Stimme klang hart und bissig, eine klare Warnung, dass mit ihr nicht zu spaßen war.

    »Sie sind …«, begann er und seine Stimme klang wie ein Donnergrollen.

    »Oh, ich weiß, worum es bei dem Gezanke ging«, sagte sie kühl. »Du wirst nicht zur Piratenkönigin – berühmt und gefürchtet an Land und auf See –, ohne zu lernen, auch die Wellen der Menschen zu lesen. Ich weiß alles über deine Feinde, Lazarus Fierté, so wie ich weiß, dass du zwar der Erbe von Norcasta bist, aber nicht der Bluterbe.« Sie hob erneut eine Augenbraue und brachte Lazarus damit endgültig zum Schweigen.

    Axe gähnte und schwang ihre Arme gerade so weit, dass sie um ihre Seiten schwangen – das Bild eines gelangweilten Kindes. Draevens Kiefer verkrampfte sich in stiller Wut. Die Knöchel an seinen Händen wurden weiß. Aber Quinn wusste, dass diese Wut nicht wirklich von ihrer aktuellen Situation herrührte, sondern von der Inbrunst, die in ihr gewesen war und nun von ihm übernommen wurde. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass Draeven – der unausstehliche Lord Sonnenschein – ein Wuträuber war.

    Andererseits hatte sie auch schon Seltsameres gesehen. Sie war seltsamer.

    Trotz der Anspannung, die von seiner linken Hand ausging, und all der Wut, die nur darauf wartete, wieder losgelassen zu werden, blieb Lazarus stoisch und gelassen. »Dann versteht Ihr vielleicht, warum ich um eine Audienz bei Euch bitte, Königin Imogen«, sagte er.

    Bevor die Frau antworten konnte, öffneten sich die Türen der großen Halle und lautstarke Schritte näherten sich von hinten. Quinn drehte sich um, als ein unbekannter Mann eintrat. Die Wachen verbeugten sich tief.

    Er war groß und schlank, trug ein schwarzes Gewand mit nur einer weiß-blauen Schnürung um seine Taille. Die farbigen Enden baumelten bis zu den Füßen des Mannes. Quinn beobachtete ihn, als er um die Gruppe herumging und sich Königin Imogen mit einer Vertrautheit näherte, die seiner fehlenden Hofkleidung nicht gerecht wurde.

    »Du bist spät dran«, sagte Axe abwesend.

    Der Mann antwortete nicht, sondern verbeugte sich tief vor den Füßen der Königin. »Ich entschuldige mich für meine Verspätung«, sagte er. »Ich war nicht darüber informiert, dass Eure Gäste bereits eingetroffen sind.«

    Imogen seufzte und schnippte mit den Fingern nach dem Mann. »Macht nichts«, sagte sie. »Jetzt bist du ja da.«

    Er erhob sich, verbeugte sich noch einmal, nahm die Hand der Königin und drückte ihr einen keuschen Kuss auf einen der vielen Ringe an ihren Knöcheln. »Danke, Mylady.«

    Quinn hob eine Augenbraue, als Axe’ Lippen sich angewidert zurückzogen und der Mann sich auf der anderen Seite hinter ihren Stuhl stellte. »Das ist mein Berater, Zorel Vordlain«, sagte Imogen, während sie sich zur Seite lehnte und ihren leeren Kelch an einen Diener weiterreichte.

    »Das ist ein norcastanischer Name, nicht wahr?«, kommentierte Lazarus und senkte den Blick, um seinen Gesichtsausdruck zu verbergen.

    Zorel nickte. »Ja, die Vordlains sind norcastanische Adlige, Lords, die über das weite Land herrschen«, sagte er. »Aber ich lebe schon seit vielen Jahren in Ilvas. Es ist mein Zuhause geworden.«

    Lazarus’ Gesichtsausdruck änderte sich nicht, als er nickte. »Ich bin Lazarus Fierté, der Thronfolger von Norcasta«, stellte er sich vor. »Das sind meine Vasallen Draeven und Quinn.« Lazarus drehte sich nicht um, als er sagte: »Und hinter mir ist Vaughn, ein Abgesandter von Thorne, dem Anführer der ciseanischen Stämme.«

    »Ich verstehe. Und was habt Ihr hier mit meiner Königin zu schaffen?«, erkundigte sich Zorel.

    Quinn entging nicht, dass sich der Gesichtsausdruck des Beraters verfinsterte, während er sprach. Die Königin beugte sich zu ihm und flüsterte ein wenig zu laut auf Ilvasisch.

    »Er ist der dunkle Prinz, von dem du gesprochen hast.«

    Der Gesichtsausdruck des Mannes veränderte sich nicht, und auch Quinn bewegte keinen Muskel, ihren Blick immer noch fixiert. Sie mussten wissen, dass weder Lazarus noch Draeven Ilvasisch sprachen. Und sie nahmen an, dass auch sie es nicht sprechen konnte. Quinn behielt ihr Grinsen für sich.

    Lazarus schenkte ihnen ein schmales Lächeln und konnte die Grausamkeit dahinter kaum zurückhalten. »Ich bin hier, um äußerst dringende Angelegenheiten zwischen unseren beiden Ländern zu besprechen«, antwortete er. »Ich denke, es würde der Königin von Ilvas und dem zukünftigen König von Norcasta gut anstehen, eine Vereinbarung zu treffen, die beiden zugutekommt.« Lazarus entließ Zorel ohne ein weiteres Wort und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Königin.

    Quinn hustete und versuchte, ihr Kichern zu verbergen. Lazarus’ vernichtendem Blick und Axe’ strahlendem Lächeln nach zu urteilen, gelang ihr das nicht besonders gut.

    »Eure Hoheit«, fuhr Lazarus fort, »ich habe ein Bündnis mit den ciseanischen Stämmen und beabsichtige, eine ähnliche Vereinbarung mit N’skara zu treffen. Wollt Ihr nicht auch Teil eines solchen Bündnisses sein, wo Euer Land doch an alle drei grenzt?«

    Quinns Körper war wie erstarrt, als sie diese Worte verinnerlichte.

    N’skara.

    Ihr Heimatland.

    Ihre Landsleute.

    Lazarus hatte keine Ahnung, welche Gedanken seine Worte gerade auslösten. Er wusste auch nicht, dass seine Handlungen ganz andere Folgen haben könnten als die, die er beabsichtigte. Quinn behielt diese Gefühle für sich und konzentrierte sich stattdessen auf das Gespräch und die Art, wie Imogens Blick auf sie fiel.

    Die Königin schürzte ihre Lippen und unterdrückte ein Lächeln, als sie fortfuhr. »Eine Vasallin, die von diesen blassen Prüden stammt, aber keine Abgesandte ist. Bezahlst du sie gut für ihre Untreue gegenüber ihrem eigenen Volk?«

    »Meine Loyalität kann man nicht kaufen«, sagte Quinn und trat vor, um für sich selbst zu antworten. »Ich bin denen gegenüber loyal, die mir gegenüber loyal sind. Lazarus hat sich bisher als würdiger Gefolgsmann erwiesen, und meine Heimat hat nichts mit meiner Bindung an ihn zu tun.« Sie überging diskret den Vertrag, dem sie zugestimmt hatte, und dem Setzen ihres Lebens als Bezahlung.

    Imogen stand auf und stieg mit dem Schwung einer echten Piratin von ihrem Thron herab. »Loyalität ist also wichtig für dich?«, fragte sie und ging im Kreis um Quinn herum, um sie zu mustern.

    Quinn starrte nach vorn und sagte, ohne zu zögern: »Überleben ist wichtig für mich. Verlässliche Freunde in hohen Positionen zu haben, macht das einfacher.«

    Imogens Mundwinkel schossen nach oben. »Ich mag dich«, sagte sie. »Du nimmst kein Blatt vor den Mund.«

    »Loyalität wird, genau wie die Familie, nicht immer durch das Blut bestimmt.« Quinn ließ ihren Blick zu dem rothaarigen Mädchen schweifen, und Imogen blinzelte, während sie ihre Aufmerksamkeit schärfte. »Sie sind mein Volk.«

    »Das kann ich sehen.« Mit einem respektvollen Nicken kehrte die Piratenkönigin zu ihrem Thron zurück. Als sie das Podium bestieg, sprach sie. »Zorel, du wirst Lord Fierté und seine Vasallen sowie den Abgesandten zu ihrem Quartier begleiten. Sie können vorerst unter meinem Dach bleiben. Schließlich ist das die Zeit der Freude. Das Fest beginnt bald.«

    Zorel verbeugte sich tief und machte sich dann auf den Weg, die Treppe hinunter und lief auf die Gruppe zu. Lazarus trat zur Seite, als Zorel sich näherte, und ihm so die Sicht versperrte. »Was die Audienz angeht …«, begann er.

    Imogen winkte ab. »Ein anderes Mal, Lord Fierté«, sagte sie. »Wie du schon sagtest, müssen Anfragen für Audienzen – insbesondere für Privataudienzen – im Voraus gestellt werden.« Imogen drehte sich um, setzte sich wieder auf ihren Thron, schlug die Beine übereinander und warf ihm einen hochmütigen Blick zu. »Oder gibt es einen anderen Grund, warum du mit mir unter vier Augen sprechen möchtest? Vielleicht eine Art intimer Vorschlag?«

    Quinn verzog das Gesicht bei der Anspielung und trat vor, als Zorel am Ende der Treppe zum Stehen kam. Lazarus legte seine Hand auf ihren Arm, um sie aufzuhalten, und schüttelte den Kopf. »Nein, Eure Hoheit.« Dann verbeugte er sich tief, während Quinns Oberlippe sich leicht zurückzog. Axe grinste und lehnte sich zur Seite, während sie ihren Arm auf dem Stuhl abstützte und ihr Kinn auf ihre nach oben gedrehte Handfläche legte. »Ich möchte lediglich darum bitten, dass wir uns bei nächster Gelegenheit unterhalten.«

    Imogen nickte. »Dann nach den Feierlichkeiten. Amüsiert euch gut!«

    Lazarus verbeugte sich und wandte sich dann zum Gehen, nachdem Zorel ihnen ein Zeichen zum Aufbruch gegeben hatte. Als sie gingen, warf Quinn einen Blick über ihre Schulter auf die beiden Frauen, die sie beobachteten. Axe winkte lächelnd, während die Piratenkönigin von Ilvas nur mit schurkischer Freude in den Augen grinste.

    Kapitel 2

    Inquisition

    »Neugier ist der Tod aller Geheimnisse.«

    Quinn Darkova, Vasallin des Hauses Fierté, Angstwandlerin

    Quinn hob ihre Faust und ließ sie gegen die schwere Holztür prallen.

    Schritte ertönten, bevor sich die Klinke drehte und Metall knarrte, als sich die Tür öffnete und eine stämmige Frau mit dunklem Haar und grauen Strähnen herausspähte. Ihre ohnehin schon dünnen Lippen pressten sich zusammen und ihre Augen verengten sich misstrauisch. Hinter der Frau lag eine vertraute Gestalt.

    »Ich bin hier wegen Lorraine«, sagte Quinn. Als die Heilerin sie ohne zu blinzeln anstarrte, runzelte Quinn die Stirn. »Ich bin eine … ich bin eine Freundin«, entschied sie schließlich mit einem knappen Lächeln. »Von ihr – der Heilerin dort«, fügte sie hinzu und nickte in Richtung der am Boden liegenden Frau. »Wir sind zusammen in die Stadt gekommen«, fuhr sie fort. »Lord Fierté sagte, er habe genehmigt, dass ich sie besuchen darf …«

    Die Heilerin seufzte verärgert und fragte auf Ilvasisch: »Gehörst du zu der Gruppe, die sie hergebracht hat?«

    Quinn öffnete den Mund, um zu antworten, und hielt inne, als ihr klar wurde, dass die Frau kein Norcastanisch verstand. Das war der Grund, warum sie sie so ausdruckslos angestarrt hatte. Quinn war sich nicht sicher, ob sie ihr Blatt jetzt schon ausspielen und ihre Sprachkenntnisse preisgeben wollte. Es war mehr als ein Tag vergangen, seit sie in Ilvas angekommen waren, und Lazarus hatte gesagt, Lorraine wäre gerade erst aus dem Schlimmsten heraus. Dominicus wollte nicht, dass Quinn sie so früh schon besuchte, aber nach eingehender Diskussion wurde ihr erlaubt, Lorraine zu besuchen, so lange sie sie nicht störte.

    Was auch immer das heißen mag.

    Sie öffnete den Mund, um der Heilerin zu antworten, als sich eine andere Stimme zu Wort meldete. »Aye, sie gehört zur Gruppe«, sagte Axe auf Ilvasisch und schlenderte den Flur entlang. An ihren Hüften waren kleine Äxte befestigt, deren Griffe bei jedem ihrer übertriebenen Schritte mitschwangen. Das Mädchen war zu alt, um wirklich als Kind zu gelten, aber zu jung, um eine richtige Frau zu sein. Trotzdem war sie klein für ihr Alter und ziemlich zierlich gebaut.

    Die Heilerin nickte, trat zurück und hielt Quinn die Tür auf, damit sie durchgehen konnte.

    Quinn blieb einen Moment stehen, bevor sie Axe einen kurzen Blick zuwarf und ihr zunickte. »Danke schön.«

    »Gern geschehen.« Axe zuckte mit den Schultern und deutete mit einem kleinen Grinsen auf die offene Tür. »Nach dir.«

    Quinn runzelte die Stirn und fragte sich, warum das Mädchen hier war, ging aber trotzdem weiter. Die blasse Frau im Bett zog ihre Aufmerksamkeit auf sich.

    Lorraine sah seltsam aus – ihr fehlte die natürliche Vitalität. Ein Pfeil hatte sie in den Rücken getroffen, als Quinn während des Kampfes den Basilisken befreit hatte. Ein unbekanntes Gefühl bohrte sich in Quinns Inneres. Sie hatte den Feind erschrecken wollen. Sie

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1