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Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 8): LitRPG-Serie
Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 8): LitRPG-Serie
Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 8): LitRPG-Serie
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Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 8): LitRPG-Serie

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„Alea iacta est“, sagte Julius Cäsar beim Überschreiten des Rubikon. Die Würfel sind gefallen. Alle Brücken abgebrochen. Der Vertrag mit dem Clan der Rastlosen ist unterzeichnet, und Rosgard wird die Expedition unter ihren Bannern beginnen. Ganz vorn an der Spitze liegt die Schwarze Königin, ein riesiges, als Insel getarntes Schiff. Diese führt die Flotte der Rastlosen zu einem neuen Kontinent, der unter einem magischen Schleier verborgen ist. Nur ein einziger Spieler, Rosgard, kann diesen Schleier lüften.

Doch hat die Dominanz der Rastlosen vielleicht auch eine Kehrseite? Die anderen Clans haben ihre Überlegenheit lange genug ertragen müssen. Viele halten dies für den perfekten Moment, um der hochmütigen Schwarzen Baronin einen Dolchstoß zu verpassen. Drastische Verschiebung des Kräfteverhältnisses auf dem alten Kontinent und in ganz Waldyra scheinen unausweichlich. Eines steht fest: Die Reise nach Zar'Graad wird kein Zuckerschlecken. Rosgard und sein Team befinden sich bald mitten in einem unerbittlichen Seekrieg. Und die lange Reise hat gerade erst begonnen. Was liegt noch vor unseren tapferen Abenteurern?

Das Finale legendären Buchreihe rückt immer näher. Wir freuen uns auf einen weiteren Teil der Rosgard-Saga!
LanguageDeutsch
Release dateDec 4, 2023
ISBN9788076932951
Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 8): LitRPG-Serie

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    Herrschaft der Clans - Die Rastlosen (Buch 8) - Dem Mikhailov

    Erster Teil: Eruption

    „Mama! Was ist das dort?"

    „Der Krieg, mein Sohn."

    Prolog

    WIR SIND DER WALDYRA BOTE, eure vollständige und unvoreingenommene Informationsquelle über alle aktuellen Geschehnisse in der magischen Welt von Waldyra! Wir sind ständig auf der Suche nach bislang Unbekanntem, um es mit euch, unseren lieben, treuen Lesern, zu teilen! Während wir diese Zeilen schreiben, riskieren die Chronisten des Boten ihr Leben und setzen sich unvorstellbaren Gefahren aus. Wie wachsame Mäuschen harren sie in den verborgensten Winkeln Waldyras aus, mit scharfen Nasen, gespitzten Ohren und aufmerksamen Augen, während sie alle Informationen über das sammeln, was um sie herum vor sich geht — und das ist eine ganze Menge, geschätzte Leser!

    Aber genug der Scherze. Der wichtigste Punkt auf der heutigen Tagesordnung sind die Orks: Sie sind auf dem Vormarsch!

    Noch gestern lag nicht das geringste Anzeichen von Ärger in der Luft.

    Die riesige Waldfläche namens Dunkelwald ist jedem bekannt. Er erstreckt sich westlich eines unheimlichen Gebirgszuges, der ein feuriges Vulkanplateau teilweise umschließt und es teilweise von den Gewässern des Gletschermeers abtrennt. Und wir alle wissen, dass Orks am Fuße dieser Berge leben. Zu Abertausenden hausen sie in düsteren unterirdischen Gängen, finsteren Höhlen, weitläufigen Stollen und schmutzigen Felslöchern. An ihrer Spitze steht der teuflische Rabba Gokh, König der Orks, der mächtigste, schrecklichste, blutrünstigste und rachsüchtigste Herrscher aller Zeiten!

    Warum wir sein grausames Wesen so detailliert beschreiben? Aus guten Gründen! Wir werden in der Folge von den jüngsten schrecklichen Ereignissen berichten.

    Die Ork-Armee trat unerwartet, ohne jede Vorwarnung in Aktion. Noch vor der Morgendämmerung kamen sie aus dem Untergrund und hinterließen überall Tod und Zerstörung.

    Hunderte, Tausende Orks marschieren in diesem Moment durch die Berge — eine Armee des Grauens. Die Vorhut hat bereits die Aschefelder der Wiege der Finsternis erreicht, wo sich Schwaden von beißendem Rauch in den Himmel schrauben. Sie haben alles vernichtet, was sich ihnen in den Weg gestellt hat. Friedliche Reisende, Handelskarawanen und Wagenzüge mit Fracht sowie zahlreiche Abenteurer, mehrere Wacheinheiten und einige Söldnertruppen.

    Der Waldyra Bote hat keine Zweifel — das bedeutet Krieg!

    Ja, wir sind Zeugen eines Vernichtungskrieges, dessen züngelnde Flammen bereits die Wiege der Finsternis verschlungen haben und sich langsam nach Süden und Osten ausbreiten — in die friedlichen Länder im Süden und die Wüste im Osten.

    Über den Grund für diesen plötzlichen Gewaltausbruch kann momentan nur spekuliert werden. Ein von den Orks im Geheimen ausgeheckter Plan, die ganze Welt zu unterjochen?

    Das bezweifeln wir stark. Es gab keine derartigen Anzeichen, und die Späher schlafen bekanntlich nie. Jeder weiß, wie feindselig die Orks gegenüber allen anderen Völkern sind, deshalb wurden ihre Bewegungen immer schon mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet. Diesmal jedoch brach die gesamte Orkhorde auf einmal auf — gleichzeitig, ohne taktische Manöver oder Vorbereitung. Alle Orks nahmen den Kampf genau dort auf, wo sie sich gerade befanden — unsere Beobachter berichten von grünhäutigen Kriegern, die sich nicht einmal die Zeit nahmen, sich zu bewaffnen oder eine Rüstung anzulegen. Sie zogen in ihrer normalen Kleidung los und bewaffneten sich mit dem, was gerade zur Hand war: einem Werkzeug, Steinen, Stöcken.

    Für dieses scheinbar irrationale Gewaltverhalten kann es nur eine einzige Erklärung geben — ein Befehl des Königs. Nur Rabba Gokh selbst kann einen Konflikt dieser Größenordnung vom Zaun brechen.

    Doch warum?

    Was könnte einen erfahrenen Kämpfer wie Rabba Gokh dazu bringen, solch seltsame Befehle zu erteilen?

    Warum hat er die Orks so überstürzt in den Kampf geschickt, dass sie nicht einmal dazu in der Lage waren, sich der Situation entsprechend zu kleiden oder zu bewaffnen?

    Die Redaktion des Waldyra Boten hat nur eine ehrliche Antwort: Wir wissen es nicht. Doch wir werden es herausfinden. So wahr die Götter des Lichts unsere Zeugen sind, wird uns die Wahrheit offenbart werden — und durch uns auch unserer treuen Leserschaft! Bleibt dran, geschätzte Leser, bis zur nächsten Ausgabe des Waldyra Boten!

    Ein Nachtrag zu den grün- und grauhäutigen Kriegern:

    Unsere Beobachter, die sich gut zwischen den Rauch- und Aschesäulen versteckt halten, berichten, dass sich die Hauptarmee der Orks aufgeteilt hat.

    Die meisten Orks nähern sich den Mauern der imposanten Stadt Roghalroum. Hunderttausende Orks bereiten sich darauf vor, die Große Stadt zu belagern. Helden und Abenteurer! Tapfere Wächter des Friedens, des Rechts und der Ordnung! Wenn eure Waffe noch scharf ist, eure Rüstung stark und euer Herz mutig und willig, dann zögert nicht! Eilt nach Roghalroum, das bald von einer Armee des Schreckens belagert werden wird. Jeder Kämpfer wird gebraucht. Jeder Pfeil wird ein Ziel finden. Jeder Schild wird einen feindlichen Schlag abwehren. Also beeilt euch, ihr tapferen Helden! Beeilt euch! Jede Minute zählt!

    Der zweite und etwas kleinere Teil der Ork-Armee hat bereits die stolze Zitadelle erreicht, die vom wütend lodernden magischen Auge gekrönt wird. Die Orks haben Barad Gadur, die Clan-Zitadelle der Rastlosen, umzingelt!

    Ständig treffen weitere Ork-Schamanen und Zauberer ein. Noch nie wurde in den Chroniken von Waldyra eine Versammlung von so vielen Magiern der Ork-Rasse an einem einzigen Ort verzeichnet. Außerdem haben wir gerade die noch unbestätigte Nachricht erhalten, dass sich in der Nähe von Barad Gadur mindestens noch einmal so viele Schamanen versammelt haben wie an den Mauern von Roghalroum. Das sind überwältigende Neuigkeiten, werte Leser. Die Frage, was das eigentliche Ziel der Orks ist, bleibt offen. Ist es die alte Große Stadt oder die Zitadelle von Barad Gadur, die, wie unsere Leser natürlich wissen, noch kein einziges Mal eingenommen wurde?

    Angesichts der beispiellosen militärischen Manöver können wir nur Vermutungen anstellen. Und wir erhalten immer neue Berichte. Werte Leser, selbst den erfahrensten Veteranen würde der kalte Schweiß den Rücken hinunterlaufen, wenn sie erfahren, was uns berichtet wird! Hier sind nur einige dieser Berichte:

    Die Wald-Oger und einige andere Bewohner des Dunkelwalds sind in Bewegung! In Massen marschieren sie auf die östliche Bergkette zu. Sie erklimmen diese und halten dann auf das vulkanische Plateau zu, das als Wiege der Finsternis bekannt ist. Die Kobolde, ein grausamer Stamm, soll den Gästen aus den Wäldern seine Dienste als Führer angeboten haben, damit sie durch ein Netzwerk geheimer unterirdischer Tunnel zur Wiege der Finsternis gelangen können. Es wird nicht lange dauern, bis die Bestien aus den Wäldern über das aschebedeckte Land zu ihren Zielen marschieren...

    Rauch über dem Vulkan! Über dem Krater der Schmauchdohle, einem längst erloschen geglaubten Vulkan im nördlichen Teil der Bergkette bei Roghalroum, liegt Rauch. Neuerdings dient der Vulkan den Orks als Waffenschmiede. Wir alle kennen die sagenhafte Geschichte, wie eine Gruppe von Elitekämpfern des Architekten-Clans in die heißen und rauchigen Eingeweide der Schmauchdohle hinabstieg, um eine Mission für den König von Roghalroum höchstpersönlich zu erfüllen. Die tapferen Architekten töteten die Wachen und die Schmiede und setzten dann ein geheimnisvolles magisches Artefakt ein, das diesen Ort versiegelte, an dem glühende Hitze aus dem geschmolzenen Kern der Erde aufstieg. Sie löschten nicht nur die Flammen in der Schmiede, auch der Vulkan selbst zeigte bald keine Anzeichen von Aktivität mehr. Viele Jahre lang war die Schmauchdohle nichts weiter als ein normaler Berg mit schneebedeckten Gipfeln. Doch seit heute steigt dunkler Rauch aus dem kalten Krater auf, und er wird immer dichter. Könnte jemand das Feuer in der Vulkanschmiede wieder angefacht haben? Aber wer? Wer war mächtig genug? Und warum? Könnte es sein, dass wir bald wieder die schweren Hämmer der Orkschmiede hören werden, wenn sie Waffen für einen neuen Krieg schmieden?

    Jemand erteilte dem König Befehle!

    Diese Nachrichten sind kaum zu glauben.

    Laut den uns vorliegenden Informationen besuchte kurz vor Beginn der Masseninvasion der Orks ein ganz normal aussehender Mensch den Orkkönig und gelangte bis zum Blutthron. Der Gast stand laut unseren Quellen neben Rabba Grokh, gelassen, selbstbewusst und würdevoll. Er trug keine Fesseln und war nicht in Ketten gelegt, was beinahe unmöglich erscheint, wenn man bedenkt, dass der König der Orks die gesamte menschliche Rasse abgrundtief hasst und jeden Menschen als seinen Erzfeind betrachtet.

    Der Mann sprach leise, aber seine Worte hatten offensichtlich Gewicht. Leider gelang es niemandem, sie auszumachen. König Rabba hörte seinem Gast zu und neigte dann langsam das unter der berüchtigten Krone aus Menschen-, Elfen- und Zwergenschädeln schwere Haupt.

    Wer ist der geheimnisvolle Besucher des Orkkönigs? Was hat er dem König gesagt? Und warum hört der König auf diesen Menschen? Warum neigte er den Kopf und stimmte damit offensichtlich dem zu, was er hörte? Oder gehorchte er vielleicht sogar einem Befehl des Fremden?

    Auf diese Episode folgte die Invasion der Orks, die so plötzlich kam wie eine Lawine, die sich unvermittelt löst und friedliche Dörfer und Weiler unter sich erstickt.

    Könnte dieser geheimnisvolle Jemand Rabba Grokh, dem König der Orks und vieler anderer Kreaturen der Dunkelheit, einen Auftrag erteilt haben? Ist das nicht völlig unmöglich?

    Der Waldyra Bote prüft zurzeit alle uns vorliegenden Informationen. Mehr dazu in unserer nächsten Ausgabe! Wir warnen friedliche Reisende und Händler ausdrücklich davor, den Nordwesten des Kontinents zu besuchen, und empfehlen, sich von der Wiege der Finsternis fernzuhalten, wo sich in Kürze schreckliche Ereignisse abspielen werden...

    Zu unserem größten Bedauern haben wir noch weitere alarmierende Nachrichten. Der Krieg im Südosten von Algora wütet weiter. Die örtlichen Orkstämme und Ghikhla-Halblinge liefern sich einen erbitterten Stellungskrieg. Es gibt Berichte über zwei Siedlungen und einen Wachposten, die mehrere feindliche Angriffe zurückgeschlagen haben und ihre Positionen halten, so gut es geht. Seine Majestät, der König von Algora, hat bereits den Befehl gegeben, jeden der an der Schlacht beteiligten Helden zu belohnen — der Mut und die Standhaftigkeit der Kämpfer werden nicht übergangen werden! Über dem Gebiet wurden zwei Drughoan-Brenner entdeckt, die dort ihre Bahnen am dunklen Himmel ziehen. Bei diesen Kreaturen handelt es sich um gigantische Totenkopfschwärmer, die in den Guorras Tempeln gezüchtet werden. Dieser Göttin wurde jüngst vom Großen Orakel der Fall prophezeit.

    Wir möchten noch einmal alle Reisenden davor warnen, dieses Gebiet zu besuchen. Viele Karawanen und Lastzüge sind spurlos verschwunden, und viele weitere wurden geplündert und zerstört, Dutzende Städte und Dörfer niedergebrannt. Pechschwarze Wolken und der beißende Rauch der unzähligen Brände verdunkeln den Himmel. Bleibt wachsam!

    Azuria in Flammen!

    Die kleine Stadt an der Küste, die für ihre Werften berühmt ist, brennt. Dies sind die neuesten Entwicklungen. Gestern kam es in der Stadt zu einem großen Gefecht mit den Rastlosen und ihrer Schlachtflotte. Unsere Informationen sind noch unvollständig, deshalb werden wir uns einstweilen mit Lob und Tadel zurückhalten. Der Bote wird jedoch in Kürze einen großen Artikel über die Ereignisse in Azuria veröffentlichen.

    Wir können jedoch schon vorab bestätigen, dass Azuria Besuch von Admiral Harm und seiner Flotte bekommen hat. Die Brigg Bravour ist im Kampf gegen die Piratenflotte heldenhaft untergegangen, und wir schließen uns der Trauer um ihre Besatzung an. Alle Matrosen wurden posthum ausgezeichnet.

    Auf den Straßen von Azuria wird immer noch heftig gekämpft. Viele Helden kamen den Bewohnern der Stadt zu Hilfe, um sich gegen die blutrünstigen Freibeuter zu wehren. Sie brauchen immer noch Unterstützung, also rufen wir alle Helden und Abenteurer zur Hilfe auf. Beeilt euch und vernichtet die Piraten! Tally-ho! Hängt die Piraten! Tod den Geißeln der hohen See! Zeigt keine Gnade mit den unerbittlichen Zerstörern von Städten und begehrlichen Plünderern!

    Weiterer Dungeon gefunden!

    Apropos Abenteurer — diese interessiert vielleicht, dass ein weiterer Dungeon gefunden wurde! Er ist dunkel, tief, feucht und voller bösartiger Monster, mit anderen Worten; ein Dungeon, wie er im Buche steht. Seine Entdeckung ist dem Zwerg Murkchrom zu verdanken. Aufmerksame Leser des Boten erinnern sich bestimmt an seinen Namen. Dieser selbstlose Held rettete viele Einwohner einer kleinen Stadt, als diese von einer Katastrophe heimgesucht wurde. Jetzt ist er wieder in den Nachrichten, denn er ist der Entdecker des neuen Dungeons, auf den er zufällig stieß, als er eine lang aufgelassene Mine in der Gegend von Schmalweiher im Süden des Freitales erforschte. Dutzende Abenteurer versammeln sich in der Nähe des Eingangs, um ihr Glück bei der Monsterjagd in der Dunkelheit zu versuchen. Es heißt, dass der Dungeon, der noch keinen Namen trägt, eine Reihe von unentdeckten und unberührten Geheimverstecken hat, von denen eines mit dem geheimnisvollen Volk der Alten (auch die Großen genannt) in Verbindung gebracht wird.

    Nun zu den weiteren Nachrichten...

    Erstes Kapitel

    Ein Tässchen Kaffee am Morgen

    ICH KLAPPTE DIE Sonderausgabe des Waldyra Boten zu, übergab sie dem riesigen grünhäutigen Halbork, der neben mir saß, nahm eine Porzellantasse mit herrlich duftendem Kaffee vom Tisch und trank einen großen Schluck.

    Der Halbork öffnete geräuschvoll die Zeitung, kratzte sich am glatt rasierten Kinn, strich sich mit der Hand über den gepflegten Bürstenschnitt und rückte den Kragen des kürzlich gekauften weißen Baumwollhemdes zurecht. Er zog eine kupferne Uhr aus der Hosentasche, klappte den Deckel auf und sah nach, wie spät es war. Dann schloss den Deckel behutsam wieder, steckte die Uhr weg und fischte stattdessen zwei schwere Goldmünzen hervor. Nachdem er ihr mattes Leuchten eine Weile bewundert hatte, widmete sich der Halbork wieder der Zeitung, wobei er nachdenklich vor sich hin summte. Ich wartete geduldig.

    „Das sind also die Spielnachrichten?", fragte mein Gegenüber schließlich in einem überraschten gutturalen Grummelton.

    „Ja, sagte ich mit einem Seufzer. „Das sind die Spielnachrichten.

    „Das ist noch gar nichts, Paps", sagte die junge Frau in einem einfachen grünen Kleid, die neben dem Halbork saß. Der Spitzname über ihrem Kopf lautete Kyrea die Beschützerin.

    Ich fuhr unwillkürlich zusammen, warf Kyre einen bösen Blick zu, und legte noch ein entrüstetes Schnauben nach. Schnauben und Entrüstung wurden jedoch gekonnt ignoriert. Kyre sprach unbeeindruckt weiter.

    „Es wird noch viel schlimmer. Ich habe ihn übrigens schon einmal gesehen, diesen Rabba, König der Orks. Er ist ein richtiges Monster. Ein über zweieinhalb Meter großer Muskelprotz mit breiten Schultern und Armen so dick wie Baumstämme. Er hat rabenschwarzes Haar, das in Büscheln in alle Richtungen absteht, und trägt eine riesige turbanartige Krone aus grinsenden Totenköpfen. Außerdem einen goldenen Panzer und untenrum einen vergoldeten Lederrock. In seinen Händen schwingt er je eine Hellebarde aus massivem Stahl, deren Griff so dick ist wie das Handgelenk eines erwachsenen Mannes. Beide wiegen bestimmt einen Zentner, und dabei wirbelt er sie durch die Luft, als wären sie aus Watte. Und wenn er anfängt, sich zu drehen, ist das wie ein Tornado des Todes. Unmöglich, gegen diesen Typen zu bestehen. Uns jedenfalls hat er mit links besiegt. Und wir waren zu 15., gut ausgerüstet, hohe Level. Mich erwischte er als Vorletzte. Was ich damit sagen will... es fällt mir sehr schwer, zu glauben, dass Rabba einem einfachen Menschen auch nur zuhören würde."

    „So, so, sagte Sturmgroll kopfschüttelnd und warf mir einen Seitenblick zu. „Hast du den König der Orks auch schon einmal gesehen, Matrose?

    „Nein, sagte ich schroff. „Wieso fragst du?

    „Ach, sagte der Halbork nur und strich Roskie über das Haar. Sie war in ihrem Sessel eingeschlafen, die Füße auf den Rücken des riesigen schwarz-weißen Wolfes gestützt, der auf dem Boden neben dem Sessel döste. „Ich habe also jetzt eine Enkelin. Ob es wohl auch eine echte geben wird?

    „Höchstwahrscheinlich!", antwortete Kyre fröhlich, und ich verschluckte mich beinahe an meinem Kaffee.

    „Wunderbar, sagte der Halbork mit einem Seufzen. „Um die Erziehung werde ich mich kümmern. Hoffentlich mache ich es dieses Mal richtig...

    „Okay, ich muss los, sagte ich und erhob mich von meinem Stuhl. „Kyre, pass auf Roskie, den Wolf und meinen Vater auf. Kümmere dich darum, dass die ersten beiden möglichst keinen Ärger machen. Und über Letzteren kannst du alles an inkriminierendem Material sammeln, das meiner Mutter zur Belustigung dienen könnte. Wenn er draufgeht, musst du unbedingt mitfilmen, damit ich es mir später bei einer entspannten Tasse Tee ansehen kann.

    „Ach, sei doch nicht so ein Miesepeter!, sagte Kyre und sah dabei selbst mürrisch aus. „Wohin gehst du denn überhaupt?

    „Ich habe eine Idee, antwortete ich. „Eine wichtige Idee. Deshalb erwarte ich dich in einer Stunde in Krom. Ich werde versuchen, das ganze Team zusammenzutrommeln. Vielleicht haben sie es endlich satt, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen und ihren Reichtum zu genießen, und sind an einem neuen Abenteuer interessiert.

    „Bestimmt! Ich bin dabei! Und was ist die Idee?"

    „Wenn der Dunkelwald tatsächlich leer ist, sagte ich mit einem spitzbübischen Lächeln, „und alle Oger und die anderen Monster nach Osten marschieren, dann ist das doch eine Riesenchance! Die Details erkläre ich dir später. Zeig Papa einfach, wo ein Anfänger auf Level 3 seine Fähigkeiten verbessern kann und komm nach, sobald es geht.

    „Okay, cool. Bin schon gespannt. Hey, hast du das von Murkchrom gelesen?"

    „Der Zwerg wird von Tag zu Tag berühmter, sagte ich nickend. „Ein Held und ein Abenteurer, an dem man sich ein Beispiel nehmen sollte.

    „Glaubst du das wirklich? Dass er zufällig zwei Gelegenheiten, sich einen Namen zu machen, in Folge erwischt hat?"

    „Das ist mir eigentlich egal, gab ich zu. „Ist doch sein Ding. Er hält sich aus meinen Angelegenheiten raus und ich mich aus seinen.

    „Mh, machte Sturmgroll, immer noch in seine Lektüre vertieft. „Sieh an, sieh an...

    „Okay, ich bin dann mal weg", sagte ich seufzend und machte mich auf den Weg zur nächstgelegenen Filiale der Waldyra Bank, die zum Glück nicht weit entfernt war von dem Gasthaus, in dem ich Vater, Kind und Wolf eben in Kyres Obhut zurückgelassen hatte.

    Ich hatte vor, mich die nächste halbe Stunde lang meinen Finanzen zu widmen und eine Bestandsaufnahme dessen zu machen, was ich in den vergangenen Tagen an Besitztümern angesammelt hatte. Und das waren jede Menge, wobei ich nicht immer wusste, worum es sich bei den Gegenständen überhaupt handelte. Ich hatte mir nicht einmal die Mühe gemacht, mir die Eigenschaften der Gegenstände anzuschauen.

    Eigentlich wollte ich das längst erledigt haben, aber dann war mein Vater eingetroffen. Er hatte es geschafft, sich einen Spielkokon zu besorgen — ein Modell, das etwa siebenmal moderner war als meines — es im Wohnzimmer zu installieren und seine erste Reise nach Waldyra anzutreten. Algoras Sandkasten hatte mein alter Herr in etwa einer halben Stunde erledigt. Er hatte seinen Charakter zweimal gelevelt, und den Ausgang erreicht, wo er bereits von Kyrea erwartet worden war. Sie gab dem „frisch geschlüpften" Sturmgroll anständige Kleidung und ein paar nützliche Accessoires wie die Uhr.

    Zum Glück plante mein Vater nicht, auch mein Leben in Waldyra zu kontrollieren. Das hatte er am Vorabend beim Essen laut und deutlich verkündet. Er hatte viel über Waldyra gelesen und wollte nun alles mit eigenen Augen sehen. Als Vater sich in der bunten Welt der Magie wiedergefunden hatte, hatte er es zwar geschafft, ein ernstes Gesicht zu machen, konnte mich aber nicht täuschen, denn ich hatte sofort gesehen, wie beeindruckt er war. Er versuchte, gelassen zu wirken, verriet sich aber sofort, weil er sich ständig verstohlen umsah. Allein, wie er eingehend seine eigene grüne Pranke begutachtete oder mit offenem Mund die imposanten Giebel Algoras bestaunte, war herrlich anzusehen.

    Ich hoffte, dass der große Konteradmiral nicht süchtig nach Waldyra, dieser digitalen Droge, werden würde. Andernfalls würde ich mit dem Besuch eines Haufens extrem wütender Matrosen rechnen müssen, die mich als verachtenswerte Landratte beschimpfen würde, die den eigenen Vater auf Abwege führte. Immerhin genoss mein Vater großen Respekt bei seinen Leuten.

    Ich traute mich auch zu wetten, dass das Wort „Groll in seinem Spitznamen eine Anspielung auf unseren russischen Nachnamen war, der übersetzt in etwa „Rumpeln oder „Tosen" bedeutete.

    In der Bank wurde ich auf übliche kühle, geschäftsmäßige Art begrüßt. Als ich meine schwere Tasche mit einem dumpfen Klirren auf den schwarz-gelben Marmortisch hievte, zuckte der Angestellte nicht einmal mit der Wimper. Er machte nur eine Handbewegung, woraufhin sich ein Teil des Tisches und der Raum um uns herum in einen goldenen, undurchsichtigen Nebel hüllte. Nun konnten neugierige andere Kunden nicht mehr sehen, was mich an diesem Tag in die majestätische Halle mit der unglaublich hohen Decke und dem teuren Dekor führte. Die große Eingangshalle allein konnte es an Glanz und Gloria mit jedem Palast aufnehmen. Die Waldyra Bank war alles andere als ein durchschnittliches, bescheidenes Finanzinstitut.

    Der Beamte zupfte seine Uniformjacke zurecht und verneigte sich höflich. „Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr hier seid, um ein Konto zu eröffnen, mein Herr?"

    „So ist es, erwiderte ich lächelnd und gab mein Bestes, dem Angestellten ebenfalls den nötigen Respekt zu erweisen. Die Waldyra Bank war eine besondere Institution, und es hatte seine Vorteile, sich mit ihren Mitarbeitern gutzustellen. „Ich würde auch gern drei Tresorräume mieten, wenn das möglich ist.

    „Sehr wohl, Herr Rosgard. Bitte nehmt Platz."

    Die Luft hinter mir verdunkelte sich und wurde dichter. Ich setzte mich auf einen hohen Barhocker mit Rücken- und Armlehnen. Sehr bequem. Bestimmt nicht die Art von Service, die jeder Kunde hier genoss. Aber ich hatte vor, eine beträchtliche Summe Geld einzuzahlen, und ich vermutete, dass der Bankangestellte genau wusste, was meine Tasche enthielt, bis hin zur genauen Anzahl an Münzen, Edelsteinen, Perlen, Schmuckstücken und Muscheln.

    Wie hatte er das wohl herausgefunden, ohne nachzuzählen? War es Magie, eine besondere Fähigkeit oder eine Aura? Keinen blassen Schimmer. Jedenfalls musste sich kein Mitarbeiter der Waldyra Bank jemals die Mühe machen, die Reichtümer eines Kunden erst zu zählen, akribisch zu stapeln und zu ordnen, oder mit einem kräftigen Biss zu prüfen, ob es sich tatsächlich um reines Gold handelte. Auf wundersame Weise wurde alles im Voraus gezählt und geprüft.

    Der Angestellte legte ein sehr ordentlich aussehendes, in dunkelgraues Leder gebundenes Buch vor sich hin, das er unter dem Schreibtisch hervorgeholt hatte. Ich las den auf dem Kopf stehenden Schriftzug in vergoldeten Buchstaben: „Herr Rosgard". Das war also mein persönliches Konto, in der Form eines dicken Wälzers aus Papier. Der Beamte zog eine makellos angespitzte schwarze Feder aus dem Tintenfass und begann mit erstaunlicher Geschwindigkeit zu schreiben. Die Zeilen erschienen wie von selbst. Ich dachte darüber nach, wie seltsam es war, dass der Buchtitel von selbst erschien und das Geld automatisch gezählt wurde, aber die Einträge im Buch von Hand geschrieben werden mussten. In der Gilde reichte es aus, mit dem Daumen über eine Seite zu streichen.

    Während ich in Gedanken versunken dastand, füllte der Angestellte eine ganze Seite und zwei Zeilen auf der nächsten mit Text. Dann hob er den Kopf.

    „Leider können einige der Gegenstände nicht auf Euer Konto gutgeschrieben werden, entschuldigte er sich. „Dazu gehören Perlen- und Goldketten und anderer Schmuck. Auch lose Edelsteine können nicht als offizielles Zahlungsmittel akzeptiert werden. Die Waldyra Bank bittet um Verständnis. Wir bieten jedoch gern an, die fraglichen Gegenstände für Euch in unseren Schatzkammern zu lagern. Entspricht dies Euren Vorstellungen?

    „Richtig, sagte ich mit einem höflichen Nicken. „Genau das würde ich gern veranlassen. Bitte überweist das gesamte Geld, das ich zur Verfügung habe, auf mein Privatkonto und legt den Rest in eine meiner drei privaten Schatzkammern.

    „Wie Ihr wünscht. Eine weise Entscheidung, Herr Rosgard. Könntet Ihr mir bitte mitteilen, wie wir mit bestimmten örtlichen Währungen umgehen sollen, die in den verschiedenen Regionen Waldyras verwendet werden? Die Regenbogenmuscheln beispielsweise, sollen wir sie in den Goldstandard wechseln, oder zieht Ihr es vor, alle Währungen in separaten Konten zu führen? Letzteres ergibt Sinn, zum Beispiel, wenn man mit den Sumpftuckern Handel treiben will, die ja keine andere Währung als Fische oder Muscheln akzeptieren."

    „Ich möchte, dass du alle Währungen auf je ein eigenes Konto überweist."

    „Hierfür fällt eine kleine Gebühr an, warnte der Bankangestellte mich. „Denn es erfordert mehr Kontrolle und zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Ihr versteht bestimmt.

    „Aber natürlich."

    „Würdet Ihr bitte die Liste überprüfen?"

    Ich überflog die grünen Zeilen. Der Angestellte hatte eine kompakte, aber sehr ordentliche und angenehm zu lesende Handschrift. Mit einiger Genugtuung stellte ich fest, dass meine finanziellen Mittel beträchtlich waren. Im Vergleich zu meinem alten Chruschtschot war ich ein reicher Mann. Grün stand für Guthaben, rot für einen Sollbetrag. Jetzt hatte ich also mein eigenes Kontobuch.

    Kaum hatte ich alles überprüft, war die Tasche, die ich mitgebracht hatte, schon mehr als halb leer. Gezieltes Teleportieren aus einer geschlossenen Tasche. Nicht schlecht. Wenn ich den Angestellten richtig verstanden habe, konnten die restlichen Gegenstände darin von der Bank nicht als Zahlungsmittel akzeptiert werden. Da fiel mir einer der Währungseinträge ins Auge. Es handelte sich um 15 Kristallfläschchen, die mit dem saphirfarbenen Speichel eines seltenen Ankh gefüllt waren. Der Wert jeder Phiole entsprach 250 Goldstücken.

    Das war ja eine sehr interessante Währung. Ich fragte mich, wo in aller Welt man mit Speichel bezahlte. Und vor allem: wie? Spuckte man einfach gezielt in eine Kasse oder musste man erst eine Flasche auffüllen? Und wie gab man Wechselgeld heraus? Oder Trinkgeld — bedankte man sich für gute Dienste, indem man dem Dienstleister ins Gesicht spuckte? Ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wo und unter welchen Umständen ich die Fläschchen bekommen hatte. Vielleicht hatten sie zu den Geschenken gehört, die ich von den Krabbern erhalten hatte.

    Apropos Krabber. Mich plagte das schlechte Gewissen. Schließlich hatte ich eine wichtige Rolle in der Tragödie gespielt, die ihnen erst kürzlich widerfahren war. Zuerst hatte ich ihnen ihren Gott Digratius zurückgegeben und dann daran mitgewirkt, ihn ins göttliche Inferno zu stürzen. Die armen Krabber hatten sich so über die Rückkehr ihres Gottes gefreut, und jetzt mussten sie schon wieder um ihn trauern. Und das war zum Teil meine Schuld...

    „Ist alles in Ordnung, Herr Rosgard?"

    „Alles in bester Ordnung!"

    „Wunderbar. Das Geld befindet sich bereits in der Schatzkammer. Um einer möglichen Frage vorzugreifen: Das Betreten der Schatzkammern der Bank ist Kunden nicht gestattet."

    „Ich habe absolutes Vertrauen in die Waldyra Bank, was die Sicherheit meiner Einlagen angeht", versicherte ich.

    „Und wir werden alles tun, damit Euer Vertrauen in uns unerschütterlich bleibt, Herr Rosgard. Kommen wir also zurück zu den Gegenständen. Wollt ihr sie gleichmäßig auf drei Kammern verteilen? Oder würdet Ihr sie vielleicht lieber selbst hineinlegen?"

    „Bevor ich antworte, muss ich dich etwas Wichtiges fragen, sagte ich mit einem freundlichen Lächeln und sah dem Angestellten in die Augen. „Was ist mit Göttern?

    „Verzeihung, Götter?"

    „Ja. Götter. Wenn zum Beispiel eine bestimmte Gottheit wütend auf mich wird und beschließt, mich zu bestrafen, indem sie mein ganzes Geld und meinen gesamten Besitz aus der Bank räumt... Ist so etwas möglich?"

    „Nein, sagte der Angestellte entschieden. „Und ja.

    „Jetzt muss ich mich entschuldigen, denn das verstehe ich nicht ganz."

    „Das hängt davon ab, wem ein bestimmter Gegenstand gehört, erklärte der Bankangestellte. „Wenn es sich um einen übernatürlichen Gegenstand handelt, der rechtmäßiges Eigentum einer Gottheit ist, kann diese den Gegenstand zu sich rufen. Und wir könnten nichts dagegen machen.

    „Was, wenn der Gegenstand nicht das Eigentum der Gottheit ist?"

    „Es tut mir leid, mein Herr, aber wenn ich Euch richtig verstanden habe, handelt es sich bei diesem hypothetischen Gegenstand um ein unglaublich mächtiges Artefakt, der mit göttlicher Kraft versehen ist. Die Waldyra Bank würde einen solchen Gegenstand auf keinen Fall in ihr Lager aufnehmen können. Wir hoffen, Ihr versteht das."

    „Verstehe, sagte ich enttäuscht. „Also gut, dann verteile bitte die Sachen aus der Tasche auf die drei Kammern. Wenn der Platz nicht ausreicht, werde ich eine vierte eröffnen. Außerdem möchte ich alle Gebühren für die Eröffnung eines Kontos und die Anmietung der Tresorkammern von einer meiner Währungseinlagen bezahlen.

    „Welchem genau, mein Herr?"

    „Dem Goldstandard."

    „Sehr wohl, Herr Rosgard, sagte der Beamte und nickte. Der dunkelgraue Wälzer, der vor ihm auf dem Schreibtisch gelegen hatte, war bereits spurlos verschwunden. „Gibt es sonst noch etwas, was die Waldyra Bank heute für Euch tun kann?

    „Nein, danke. Und vielen Dank für deine Hilfe."

    „Die Waldyra Bank dankt Euch, mein Herr. Ich wünsche einen angenehmen Tag."

    „Vielen Dank, alles Gute", sagte ich und erhob mich.

    Der goldene Nebel und der hohe Hocker verschwanden. Ich drehte mich um und hielt auf die massive Doppelflügeltür am Ende der weitläufigen, mit anderen Bankkunden gefüllten Halle zu. Die meisten Anwesenden sprachen leise, zurückhaltend und bemüht darum, den Grund ihres Besuchs zu verbergen. Trotzdem gab es genug Narren in ihrer Mitte, die es nicht für nötig hielten, die Stimmen zu senken. Noch bevor ich 30 Schritte machen konnte, bekam ich unfreiwillig mit, wie viel Gold die hübsche Frau mit dem pfirsichfarbenen Haar auf ihrem Konto hatte, wie viele Flaschen eines besonderen Rums ein fahriger glatzköpfiger Zwerg in seiner Schatzkammer bunkerte und was ein grinsender junger Mann in einem grauen Wams mit seinen Rubinen vorhatte, die er der Bank zur Verwahrung übergab. Ich fragte mich, warum sie meinten, dass diese Informationen Außenstehende etwas anging.

    Meine Gelder waren nun sicher in den Tresoren der Waldyra Bank untergebracht. Nicht, dass sie nicht auch in meinem Privatzimmer absolut sicher wären. Aber erstens hatte ich es satt, ständig über das Zeug zu stolpern. Zweimal bereits war ich auf Smaragden ausgerutscht und hätte mir beinahe etwas verstaucht. Außerdem konnte es passieren, dass man im unpassendsten Moment Geld brauchte, oft an Orten, an denen es zur Überraschung mancher Abenteurer zwar eine Filiale der Waldyra Bank gab, aber kein einziges Gasthaus mit Zugang zum Privatzimmer. Zweitens wollte ich etwas Ordnung in meine persönlichen Angelegenheiten bringen, und dazu gehörte auch, meine Finanzen zu regeln. Chaos erzeugte schließlich unweigerlich mehr Chaos.

    Ich klang schon wie mein Vater, dachte ich und erschauderte. Mein alter Herr hatte offenbar mehr Einfluss auf mein Denken, als mir lieb war.

    Als ich wieder ins Freie trat, lenkte ein leiser Glockenton meine Aufmerksamkeit auf das Nachrichtenfenster. Sie war von Kyre und der Inhalt war so interessant wie beunruhigend.

    „Ros, dein Vater ist von den Wachen verhaftet worden. Sie wollen ihn einsperren. Ich kann seine Kaution bezahlen, aber das wird dauern. Wir warten immer noch auf den Richter, der sich gerade in aller Ruhe seinen Hummer Thermidor schmecken lässt."

    „Na wunderbar", antwortete ich. „Und warum wollen sie meinen Vater hinter Gitter bringen?"

    „Er hat dem Hauptwachmeister eine reingehauen. Ein Einheimischer namens Haim Propf, aber im Ort nenne sie ihn alle Schleimpfropf."

    „Das fängt ja gut an. An seinem ersten Tag in Waldyra! Und warum genau hat er diesem Schleimpfropf eine verpasst?"

    „Der Mistkerl von Wachmeister ist selbst schuld. Er hat einen Matrosen getreten, der gerade das Deck eines ankernden Schiffes schrubbte. Dabei schwappte etwas Wasser auf Haim, der gerade seine Runden machte. Dein Vater sprang rüber und verpasste Haim einen kräftigen Faustschlag mitten ins Gesicht! Er hat ihn natürlich nicht umgebracht. Haim hat nicht mal mit der Wimper gezuckt. Aber es gab einen ziemlichen Aufruhr."

    „Verdammt. Was hattet ihr überhaupt im Hafen zu suchen?"

    „Er wollte sich die Segelschiffe ansehen. Mach dir keine Sorgen. Ich werde seine Kaution bezahlen. Aber, wie gesagt, das könnte dauern. Ich werde ich mich bestimmt eine halbe Stunde verspäten."

    „In Ordnung. Bei Gelegenheit kannst du ihm etwas ausrichten, nämlich: ‚Du Verbrecher, hör auf, Schande über unsere Familie zu bringen!'„

    „Nichts dergleichen wird mir über die Lippen kommen! Wenn er mir nicht zuvorgekommen wäre, hätte ich Haim selbst eine verpasst!"

    „Okay, wir sehen uns in Krom!"

    „Alles klar, bis später! Dein Vater ist ein guter Kerl. Er versteht etwas von Gerechtigkeit."

    Na klar. Gerechtigkeit. Selbst in dieser Welt konnte er sein Temperament nicht zügeln. Trotzdem war ich ein wenig stolz auf ihn. Er war ein guter Mann, der sich immer einmischte, wenn jemand mit hohem Rang seine Machtposition missbrauchte. Mir fiel ein, wie er mir einmal ungewöhnlich aufgewühlt von der Kaiserlichen Russischen Marine vor der sozialistischen Revolution erzählt hatte. Dort war es öfter vorgekommen, dass Offiziere Matrosen blutig schlugen, nur um sich zu amüsieren. Das war zwar nicht überall in der Flotte gewesen so, aber es war doch oft passiert. Grokhotov Senior stieg jedes Mal die Zornesröte ins Gesicht, wenn er darauf zu sprechen kam. Dann runzelte er die Stirn und schlug mit der Faust in seine Handfläche. Ich erinnerte mich daran, dass ich, noch ein kleiner Junge damals, ihn ehrfürchtig beobachtet hatte. Ich hatte in seinem Arbeitszimmer gesessen, den Globus auf seinem Schreibtisch betrachtet und vorsichtig über den Griff seines Marinedolches gestrichen.

    Das war der Tag gewesen, an dem ich ihn gefragt hatte, wofür der heldenhafte Kreuzer Warjag so berühmt war. Mein Vater hatte ein wunderschönes Modell davon in unserem Wohnzimmer aufgestellt, sehr zum Leidwesen meiner Mutter. Sie hatte mich ins Arbeitszimmer geschickt, um ihn zu fragen, ob wir es denn möglicherweise durch eine Kristallschale ersetzen könnten. Leider nicht, wie sich herausstellte. Vater hatte gesagt, dass unsere Ränge nicht hoch genug seien, um heldenhafte Kreuzer zu kommandieren. Ich hatte ein bisschen geschmollt, während mein Vater von den glorreichen Taten des Kreuzers und seiner Besatzung erzählt hatte. Dann hatte er das Thema auf den Kapitän und die Marineoffiziere gelenkt und seinen Bericht mit einem Monolog über körperliche Gewalt beendet und warum diese niemals akzeptabel war. Oh Mann.

    „Guten Tag, Herr Rosgard", flötete die schlanke junge Frau an der Rezeption.

    Ich grinste kurz und nickte zurück. In letzter Zeit versuchte ich, meine Kontakte zum schönen Geschlecht auf ein Minimum zu beschränken, sowohl real als auch virtuell. Andernfalls riskierte ich, dass mir der Kopf abgerissen wurde. Kyre alias Kyrea war ein besonders eifersüchtiges Exemplar besagten schönen Geschlechts.

    In den vergangenen Wochen war viel passiert. Ich hatte ein neues Leben in Waldyra begonnen und dafür meinen alten Charakter getötet und begraben. Alles, was ich gewollt hatte, war, etwas Geld zu verdienen und danach einen Monat lang in der virtuellen Welt zu faulenzen: den Auftrag ausfüllen, die Kohle einstreichen, still und leise verschwinden und in den Süden fahren, so hatte ich mir das vorgestellt. An der Südküste hatte ich mich ausruhen, entspannen und wilde Abenteuer erleben wollen. Und zwar allein, denn ich war introvertiert, ein bisschen planlos und frisch geschieden.

    Aber das Schicksal hatte etwas ganz anderes für mich auf Lager gehabt.

    Ich hatte einen Teil eines legendären Sets erhalten und mich auf die Jagd nach der Silbernen Legende gemacht.

    Ich hatte einen Verrat überlebt und eine Partnerin gefunden. Kyre, eine temperamentvolle Persönlichkeit mit dem Herzen eines Paladins in beiden Welten.

    Auch neue Freundschaften hatte ich geschlossen, mit Menschen, die allesamt außergewöhnlich waren und jeder auf eine andere Art verrückt. Im Fall von Orbit war „verrückt" natürlich ein Hilfsausdruck. Seine bloße Existenz definierte das Außergewöhnliche neu. In Orbits Oberstübchen piepte es nicht nur, dort feierten pterodaktyl-große Vögel das schöne Leben, rauchten Gras und spülten schokolierte Fliegenpilze mit Absinth hinunter.

    Ich hatte viele neue Leute kennengelernt, von denen einige zu meinen Verbündeten geworden waren, andere zu vorübergehenden Weggefährten und wieder andere zu Feinden und Rivalen.

    Ich hatte herausgefunden, dass meine Ex-Frau Helen, die in der wirklichen Welt so bieder war, in Waldyra in die Rolle einer bösartigen Hexe schlüpfte, die mich ohne zu zögern für das Smaragdschwalben-Set verraten würde. Nicht zuletzt hatte sich herausgestellt, dass eine ganze Reihe meiner alten Freunde Leichen im Keller hatte und eigene, ominöse Ziele in Waldyra verfolgte, für die ich als eine Art Druckmittel im Spiel herhalten sollte.

    Und dann war da noch Roskie... über Nacht war ich Vater einer Tochter geworden. Sie war zwar kein Mädchen aus Fleisch und Blut, aber sie existierte digital, als eine Anhäufung von Daten, die exponentiell wuchs. Neben Fähigkeiten und Wissen umfasste diese Anhäufung von Daten auch explosive Gefühle in rauen Mengen. Meine Tochter kam ganz nach mir: Sie wuchs völlig ignorant auf. Roskie zog es vor, auf Wölfen zu reiten, anstatt etwas Ordentliches zu lernen, und hatte Orbit zu ihrem liebsten Lehrmeister erkoren. Was auch immer er ihr beibrachte, Häkeln und Stricken war es nicht, da war ich mir sicher. Obwohl man bei dem glatzköpfigen Elfen nie wusste. Am Ende war er angesehener Handarbeitsprofi. Aber auch wenn meine Tochter nur virtuell existierte, war ihr Verhalten für mich unmittelbar und menschlich. Sie war in jeder Hinsicht ein ganz normales Kind. Ich nahm mir fest vor, bald Inselruh zu besuchen. Es höchste Zeit, einen gut geschützten Familienwohnsitz einzurichten.

    Ich fand die Tür zu meinem Privatzimmer, legte die Hand auf den polierten Kupferknauf und drehte ihn. Summend betrat ich mein Zimmer und erstarrte auf der Türschwelle.

    Chaos. Absolutes Chaos. Ground Zero. Eine Müllhalde. Ja, das traf den Nagel wohl auf den Kopf. Eine Müllhalde. Alles Mögliche lag auf dem Boden verstreut, und ich hatte weniger als eine Stunde Zeit, um den ganzen Krempel zu sortieren. Das Gold, die Rubine und all die anderen wertvollen Gegenstände hatte ich bereits zur Bank gebracht. Jetzt musste ich mich um all die anderen Gegenstände kümmern. Und dann musste ich mich beeilen, die anderen warteten in Krom auf mich.

    Mit einem leisen Ping trudelte eine Nachricht ein. Ich öffnete meinen Posteingang und fand eine ungelesene Nachricht von jemandem namens Akusa der Neblige von den Rastlosen. Es war eine kurze Nachricht, die mich darüber informierte, dass das Problem, das zu Verzögerungen bei den Reisevorbereitungen der Schwarzen Baronin geführt hatte, gelöst worden war. In einer Stunde sollte ich offline sein, um ein Treffen mit der Baronin und ihrem Gefolge zu arrangieren. Akusa der Neblige war der Bote des Clans der Rastlosen.

    Damit war ein weiterer meiner Pläne hinfällig.

    Ich schrieb eine kurze Antwort an Akusa und schickte dann eine Nachricht an Kyre, in der ich sie über die Planänderung informierte und ihr mitteilte, dass wir demnächst offline gehen müssten. Zeit zu verhandeln. Mein offizieller Vertrag mit dem Clan der Rastlosen und ihrer unermüdlichen Anführerin, der Schwarzen Baronin, sollte in Kürze unterzeichnet werden.

    Ich ging auf die Knie — nicht, um zu beten, der Zug war längst abgefahren — und fing an, die Türme von Zeug zu sortieren. Überall war eine Menge Kinderkram verstreut. Kyre musste Roskie ihre Geschenke vor höchstens zwei Stunden gegeben haben, und alles war hübsch verpackt gewesen. Jetzt sahen sie aus, als hätte ein Tornado mein Privatzimmer heimgesucht. Roskie hatte es vorgezogen, die alten Kleider zu behalten, die ihr von den Rastlosen auf den Leib geschneidert worden waren. Zwar passte es ihr kaum noch, seit sie einen Wachstumsschub hingelegt hatte, aber sie behielt ihr Lieblingskleid trotzig an. Ich bemerkte auch, dass meine Tochter die Angewohnheit entwickelt hatte, barfuß zu laufen. Orbit war schuld daran. Bei unserem nächsten Treffen würde ich ihm einmal gehörig die Meinung sagen müssen. Die Angewohnheiten des spindeldürren Elfen färbten ab, und ich war nicht mit allen einverstanden. Ein, sagen wir, entspanntes Verhältnis zu Kleidung und ein kreatives Verhalten waren schön und gut, aber ganz auf Schuhe zu verzichten, kam mir idiotisch vor.

    Dann war da noch Spielzeuge. Tonnenweise Spielzeug. Puppen der unterschiedlichsten Rassen, in allen Formen und Farben. Zu jeder Puppe gab es eine kurze Nachricht. Roskie hatte sie alle vom Clan der Rastlosen bekommen. Sie waren erst heute angekommen, während ich weg gewesen war, und von der freundlichen Wirtin in mein Zimmer gebracht worden. Die Puppen waren sündteuer. Zwei von ihnen waren sogar wertvolle Sammlerstücke von berühmten Handwerkern. Aber Roskie hatte die Puppen ignoriert, für die jedes andere Mädchen töten würde. Ihre Interessen lagen anderswo.

    Ich warf einen Blick in die Ecke des privaten Zimmers, in dem ein einfaches Erwachsenenbett stand. Neben dem Bett stand eine kleine Truhe und darüber hing ein exquisiter Wandteppich. Ich hatte diese Einrichtungsgegenstände in aller Eile bestellt, im Versuch, das Zimmer für meine Tochter möglichst gemütlich zu machen. An dem Wandteppich hingen jetzt unzählige Angelutensilien: Ruten, Netze, Haken, Reihen von Schwimmern und Blei, Rollen von Angelschnur und Gegenstände, die ich nicht identifizieren konnte.

    Auch die Truhe war mit Angelzubehör gefüllt. Roskie hat mir und Kyre alles abgenommen, was auch nur im Entferntesten mit Fischen zu tun hat. In meinem Fall war das nicht viel. Ein paar Fischschuppen, Flossen und getrocknete Fische. Kyrea aber hatte ihr gesamtes Angelarsenal an Roskie übergeben, die sich nicht zweimal bitten ließ und alles an sich gerafft hatte. Danach hatte ich meiner Tochter versprechen müssen, dass ich ihr eine hochmoderne Angelrute, ein selbstfahrendes Zauberboot, ein illustriertes Angellexikon und fünf Kilo gestreifte Agrolla-Würmer besorgen würde. Es war unmöglich, zu einem Kind mit einem solchen Funkeln in den Augen Nein zu sagen. Also hatte ich ihr hoch und heilig versprochen, sie auszurüsten, und dann Kyre von der ganzen Sache erzählt. Diese war in schallendes Gelächter ausgebrochen. Es stellte sich heraus, dass jeder dieser verdammten Würmer etwa sechs Gramm wog und ein Goldstück kostete. Der Preis hatte seinen Grund. Agrolla-Würmer galten als der beste Köder für Süßwasserfische in Waldyra und waren besonders beliebt bei Silber- und Goldbrustfischen.

    Kurzum: Meine Tochter war besessen vom Angeln. Es war besonders bezeichnend, dass all ihre anderen Besitztümer achtlos im Zimmer verstreut lagen, während sie die Angelsachen ordentlich in ihrer Truhe verstaut hatte.

    Aber das war halb so schlimm. Was unter Umständen zum Problem werden könnte, war die Freundschaft zwischen Roskie und Tyrann. Die beiden waren in letzter Zeit unzertrennlich geworden. Als ich vorhin zaghaft versucht hatte, den legendären Wolf mitzunehmen, war das mit einem Schmollmund, einem Stirnrunzeln und einem so enttäuschten Blick quittiert worden, dass ich sofort nachgegeben und ihr erlaubt hatte, Tyrann bei sich zu behalten. Ich bereute es bereits.

    Zu den weiteren Eigenheiten meiner heranwachsenden Tochter gehörte eine Vorliebe für Silber, das Edelmetall, dem so viele Dichter und Barden huldigten. Unter Roskies Bett fand ich einen Berg Münzen und andere Gegenstände aus Silber. Die meisten Münzen hatte ich auf die Bank gebracht, aber einen Teil des Silbers, darunter alle Silbergegenstände aus dem Naikalsee, hatte ich im Zimmer behalten.

    Mir war klar, warum meine Tochter solche Eigenheiten hatte, immerhin war ich derjenige gewesen, der die Interessen und Vorlieben meiner virtuellen Tochter „programmiert" hatte. Roskie wuchs heran und sämtliche dieser Vorlieben begannen sich zu manifestieren, einschließlich ihrer Leselust. Meine Tochter mutierte zu einer regelrechten Leseratte. Neben ihrem Bett, neben den Angelsachen, stapelten sich die Bücher. Darunter befand sich auch die gesamte Literatur über den Großen Navigator, die sie von mir konfisziert hatte. Es sah so aus, als müsste ich meine Tochter fragen, wenn ich die notwendigen Details über meine neue Rolle erfahren wollte.

    Während ich darüber nachdachte, wie schnell sie doch groß wurde, räumte ich auf. Als jemand höflich an die Tür klopfte, öffnete ich, gab den zwei stämmigen Halbork-Möbelpackern, die davor standen, ein paar Goldmünzen und schleppte die Möbel, die sie geliefert hatten, ins Zimmer.

    Da waren zum einen zwei große Truhen aus dunklem, poliertem Holz, die mit geschnitzten Angelmotiven verziert waren. Ich stopfte alle Kleider, Schuhe und Puppen meiner Tochter hinein und schob die Truhen an die Wand neben dem Bett. Dann klappte ich die Deckel zu. Die Truhen warteten nun auf ihre neue Besitzerin.

    Als Nächstes nahm ich das riesige Bücherregal in Angriff. Es fand seinen Platz neben den Truhen und beherbergte bald Roskies Lesestoff. Mir war klar, dass meine Tochter in nicht allzu ferner Zukunft erwachsen werden und nicht mehr in meinem privaten Zimmer wohnen würde, aber bis dahin wollte ich ihr trotzdem eine einladende Umgebung bieten. Das Tüpfelchen auf dem I war ein riesiger Teppich, der den Boden neben dem Bett bedeckte und auf dem ein stattlicher Wolf abgebildet war, der friedlich am Rande eines Wäldchens schlief.

    Außerdem hatte ich ein Dutzend herkömmlicher Kisten gekauft, die ich an der gegenüberliegenden Wand aufreihte und in aller Eile mit meinen Habseligkeiten füllte. Meine alte Ausrüstung und meine Waffen kamen in eine davon. Dort würden sie erst mal auf den Tag warten müssen, an dem ich Zeit hatte, meine eigenen Besitztümer zu sortieren.

    In eine weitere Kiste ordnete ich alle meine Heiltränke ein, die fröhlich darin klirrten. Dann füllte ich die Kiste daneben mit Manatränken. Ich bewunderte die hübschen Reihen der roten und blauen Fläschchen und Tränke, dann schloss ich die Deckel und machte mit dem Rest meiner Sachen weiter.

    Als Nächstes war ein Stapel besonders außergewöhnlicher Gegenstände dran, ein Schatz aus dem Morast des Naikalsees. Noch bevor ich eine Bestandsaufnahme davon hatte machen können, hatte Roskie sich schon einige Dinge herausgepickt. Sie hatte sogar brav gefragt, mehr oder weniger zumindest. Nun, genau genommen hatte sie mich, einen Silberhelm voller kleinerer Schätze in den Händen, darüber informiert, dass sie diese zu behalten gedachte. Ich hatte nicht einmal den Helm selbst genauer untersuchen dürfen und schließlich bereitwillig versprochen, keine der ‚total coolen Sachen‘ anzufassen, die sie sich ausgesucht hatte.

    Ich erhaschte einen Blick auf etwa ein Dutzend Angelhaken, einen geheimnisvollen hechtförmigen Köder, einen Schwimmer, der aus einem seltsamen gelblichen Holz geschnitzt war, und das Skelett eines mir unbekannten Fisches mit einer erschreckenden Anzahl von Zähnen. Die von Roskie auserkorenen Schätze würde ich nie wieder sehen, aber das Versteck des alten Fischers Aphrosius hatte viele weitere interessante Gegenstände enthalten.

    Das goldene Schwert zum Beispiel. Es war nicht etwa nur vergoldet, die ganze Waffe bestand aus diesem wertvollen Metall. Das Schwert besaß keine Scheide und es konnte nicht identifiziert werden. Dazu würde ich einen Spezialisten aufsuchen müssen. Dennoch war die Waffe nicht

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