Die Taubenzüchter
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Denn so nannte man hier in Kranz den Mr. Ernest Goudsmith unter der einheimischen Bevölkerung, wie uns unsere Wirtin mitgeteilt hatte, als Harst auf das Moor zu sprechen kam.
Im übrigen waren die Kranzer dem Amerikaner gegenüber jedoch durchaus arglos — durchaus! — Warum sollte ein Mann nicht Tauben züchten, und warum sollte er nicht dort im Moor hausen, wo er den Grund und Boden so billig hatte pachten können …! —
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Harald Harst - Der Detektiv. Kriminalerzählungen Gesammelte Werke (Vollständige Ausgaben: Am Ende der Welt, Harald Harst-Kriminalromane, Malmotta - das Unbekannte u.v.m.) Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
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Book preview
Die Taubenzüchter - Walther Kabel
Inhalt
Die Taubenzüchter
1. Kapitel.
2. Kapitel.
3. Kapitel.
4. Kapitel.
5. Kapitel.
Die Kreuzottern.
1. Kapitel.
2. Kapitel.
3. Kapitel.
4. Kapitel.
5. Kapitel.
1. Kapitel.
Dort, wo die Waldpromenade des Ostseebades Kranz nach Osten zu, von alten Birken eingefaßt, neben der Fahrstraße nach Kranzbeck zum Kurischen Haff hinläuft, zieht sich rechts von dieser Straße und Promenade ein weites mooriges Gelände hin, in dessen undurchdringlichen Dickungen noch der Elch haust und zuweilen bei seinen Wanderungen auch bis an die Straße vordringt, harmlose Spaziergänger erschreckt und doch in stolzer Ruhe niemals irgendwie von ihnen Notiz nimmt.
Ein Teil dieses Moores, durch das nur wenige Wege und Pfade laufen, die stellenweise unter Wasser stehen, heißt im Volksmunde das Totenmoor.
Einer alten Sage nach sollen hier einmal die Ordensritter eine kleine Feste erbaut haben, die dann eines Nachts von den heidnischen Preußen gestürmt worden sei. Die Besatzung aber, so berichtet die Sage weiter, wurde von den Siegern in einem großen Moorloche versenkt. —
Von diesem Totenmoor handelte auch der Brief, den Harald Harst an einem heißen Julitage von dem Besitzer des dem Moor benachbarten Gutes Ludau erhielt.
Nachdem Harald den Brief langsam gelesen, Umschlag, Briefmarke und Poststempel nach seiner Gewohnheit gründlich geprüft hatte, reichte er ihn mir über den Tisch hin und meinte:
»Wenn die Angaben stimmen, scheint es sich in der Tat um eine recht merkwürdige Angelegenheit zu handeln …«
Wir saßen auf der Veranda des Harstschen Familienhauses, hatten soeben gefrühstückt und dabei unsere Tauben gefüttert, die so zahm waren, daß sie vom nahen Stalle stets sofort durch die offenen Fenster in die Veranda geflogen kamen, sehr zum Ärger der Köchin Mathilde, die stets etwas von »Schmutzerei« murmelte, weil die Tierchen eben nicht stubenrein waren und auf den Dielen der Veranda ihren rückwärtigen Nöten freien Lauf ließen.
Ich las folgendes:
»Ludau bei Kranz,
Samland, Ostpr.,
den 3. Juni 19...
Sehr geehrter Herr Harst!
Sie gestatten, daß ich mich mit einer Angelegenheit an Sie wende, die mich seit Wochen schon beschäftigt, jedoch gestern erst sozusagen spruchreif wurde.
Ich habe am 1. Mai dieses Jahres das zu meinem Gute gehörige Totenmoor (folgte nähere Beschreibung) an einen Amerikaner verpachtet, der, geborener Deutscher ursprünglich, sich jetzt wieder in seinem einstigen Vaterlande und in seiner Heimatprovinz ansässig machen wollte. Er hat seinen Namen Gutschmidt amerikanisiert und nennt sich jetzt Goudsmith, ist etwa fünfzig Jahre alt und ein stiller, ernster Mann, der mir eigentlich recht sympathisch war — — war! — Er pachtete also das Totenmoor auf zwei Jahre, ließ sich von einer Königsberger Firma dort auf der höchsten und sichersten Stelle des Moores ein Blockhaus errichten, das fertig und auseinandernehmbar geliefert wurde und nebenbei einem ebensolchen Stall.
In acht Tagen waren die Gebäude fix und fertig.
Inzwischen war auch Goudsmiths Diener, ein riesiger Mulatte, mit dem Gepäck seines Herrn eingetroffen, eine ganze Wagenladung von Koffern und Kisten, und in weiteren drei Tagen lieferte ein Königsberger Geschäft die Möbel, so daß Goudsmith mir bereits am 12. Mai sein neues Heim zeigen konnte. Das heißt: er zeigte mir nur das Blockhaus, den Stall nicht. Er meinte, an dem Stallgebäude sei ja doch nichts zu sehen. Ich merkte aber genau, er wollte mir den Stall nicht zeigen. Und hiermit begann mein Mißtrauen gegen die beiden Leute, die dort im Totenmoor von den Mücken buchstäblich aufgefressen werden müssen.
Dieser geringe Anlaß, eben Goudsmiths Bestreben, mich von dem Stalle fernzuhalten, genügte mir, bei diesem ersten Besuche auch weiter die Augen gründlich zu gebrauchen.
Noch etwas fiel mir dann auf: der Mulatte, der sich James Kaspar nennt, behandelte seinen Herrn durchaus als Gleichgestellten und trat auch mir gegenüber in einer Weise auf, als ob er nicht Diener, sondern Mitpächter sei. Im übrigen machte dieser James den Eindruck eines gebildeten Mannes.
Als ich von diesem Besuch mit meinem Jagdwagen heimfuhr, wandte sich plötzlich mein alter Kutscher um und meinte:
»Herr Baron, in dem Stalle sind Tauben, mindestens fünfzig Stück … Ich habe durch das eine Fenster hineingeschaut, denn der von innen angebrachte Vorhang war durch eine der Tauben beiseite geschoben worden.«
Mein Kutscher wußte mir dann noch zu berichten, daß die Tauben in der einen Hälfte des Stalles frei umherflogen, und daß im Dache zwei wenig auffällige Türchen vorhanden seien.
In den nächsten Tagen vergaß ich all dies. Wir hatten mit der Frühjahrsbestellung genug zu tun.
Dann — so Ende Mai — meldete mir mein Förster, daß er auf einem nächtlichen Pirschgang beobachtet habe, wie ein Schwarm Tauben von mindestens dreißig Stück von dem Stalle Goudsmith aufgeflogen und in der hellen Mondnacht dann nach Westen davongezogen sei.
In der ersten Juniwoche wieder hörte ich von dem Vorsteher des Bahnhofs Ludau (die Bahnlinie Königsberg—Kranz führt dicht an meinem Gut vorüber), daß Mr. Goudsmith jede Woche eine große Kiste aus Holland erhalte — — mit Tauben! Als Eilfracht! Immer aus demselben holländischen Grenzdorfe Vallenpiep.
Und am 15. Juni konnte mir mein Förster abermals mitteilen, daß ein großer Taubenschwarm nachts von dem Blockhause gen Westen davongeflogen sei.
Ich war nun bereits überzeugt, daß die beiden Einsiedler vom Totenmoor nicht ganz reinliche Dinge trieben, beauftragte den Förster, die Blockhäuser ein paar Nächte hindurch zu beobachten und gab gleichzeitig der Kriminalpolizei in Königsberg einen Wink, doch einmal