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Lug und Trug: Eine Detektivgeschichte aus der Schimanski-Ära
Lug und Trug: Eine Detektivgeschichte aus der Schimanski-Ära
Lug und Trug: Eine Detektivgeschichte aus der Schimanski-Ära
Ebook393 pages5 hours

Lug und Trug: Eine Detektivgeschichte aus der Schimanski-Ära

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About this ebook

Eine junge Frau verschwindet spurlos aus der Pension, in der Tobias Blank ein paar Tage ausspannt.
Sofortige Nachforschungen bleiben erfolglos.
Erst einige Wochen später entdeckt der Ermittler zufällig ein Bild der Vermissten in einer Illustrierten.
Da Zweifel an der Identität der Frau bestehen, kontaktiert Blank den Fotografen, der das Bild aufgenommen hat.
Kurz darauf wird der Journalist tot aus der Leine gezogen.
Wusste der Reporter zu viel und was hat die mysteriöse Frau auf dem Foto damit zu tun?
Das sind nur zwei der Fragen, auf die Tobias Blank Antworten sucht.
LanguageDeutsch
Publishertredition
Release dateNov 2, 2016
ISBN9783734569401
Lug und Trug: Eine Detektivgeschichte aus der Schimanski-Ära

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    Lug und Trug - Hans-Joachim Haake

    Blank war der Erste, der an diesem Morgen seinen Platz im Aufenthaltsund Speiseraum einnahm. Der Privatermittler gehörte nicht zu den Frühaufstehern. Wenn es nicht unbedingt erforderlich war, blieb er gerne länger liegen. Aber eine ganze Woche faulenzen war dann doch zu viel.

    Es wurde allmählich Zeit, dass ein neuer Auftrag die Untätigkeit beendete. Deshalb war Blank früh aufgestanden. Er wollte seinen Freund und Partner Miko aufsuchen. In dem gemeinsam geführten Sicherheitsbüro gab es eigentlich immer etwas zu tun.

    Allerdings war Blank wählerisch und nicht für jeden Job zu haben.

    So weit war es aber noch nicht.

    Zuvor ließ sich Blank einmal mehr von der Pensionswirtin bemuttern.

    „Haben Sie heute etwas vor oder wieso sind Sie schon zu früh auf den Beinen?", wollte Frau Heine wissen.

    Die Wirtin brachte frisch gebrühten Kaffee. Der fehlte noch. Ansonsten war der Frühstückstisch wie immer reichlich gedeckt. Neben röschen Brötchen gab es verschiedene Sorten Aufschnitt und Marmelade. Vervollständigt wurde das Angebot mit Käse und einem gekochten Ei.

    „Eigentlich nicht, antwortete Blank und schmunzelnd sprach er weiter, „aber wer weiß, welche Überraschungen der Tag bereithält.

    Frau Heine schien Blanks gute Laune nicht zu teilen, denn sie erwiderte: „Es mag für Sie zutreffen. Bei mir sieht ein Tag wie der andere aus. Aber, ich will mich nicht beklagen. Im Grunde mag ich keine Überraschungen und bin zufrieden, so wie es ist."

    „Aber ich bitte Sie. Ohne die eine oder andere Veränderung wäre das Leben doch langweilig", meinte Blank.

    „Gegen allmähliche Umgestaltungen habe ich auch nichts einzuwenden. Ich mag nur keine plötzlichen Veränderungen. Wenn Sie verstehen, was ich meine."

    Blank nickte.

    „Ich denke ich weiß, worauf sie anspielen. Allerdings sind es doch gerade die unvorhersehbaren Vorkommnisse, die unser Leben so interessant und abwechslungsreich gestalten."

    Frau Heine lächelte. Aber es sah irgendwie gezwungen aus.

    „Sie sind noch jung. Doch ab einem gewissen Alter lässt man es eher ein wenig geruhsamer angehen. In den letzten Tagen hatte ich den Eindruck, dass Sie ebenfalls zu dieser Einsicht gekommen sind."

    Blank lenkte ein.

    „Sie haben nicht ganz unrecht. Etwas ist mir schon aufgefallen. Im Laufe der Zeit wird die eine oder andere Gewohnheit zu einem festen Bestandteil im Alltag, auf die man nur ungern verzichten möchte. Wobei mir einfällt: Wo ist eigentlich die nette junge Person, die Sie kürzlich aufgenommen haben?"

    Frau Heine blickte zur Wanduhr und stellte fest: „Sie haben recht. Bislang war Fräulein Yvonne stets früh unterwegs. Sie wird bestimmt jeden Augenblick erscheinen. Ich werde schon einmal ihren Tee aufsetzen."

    Die Pensionswirtin verließ den Aufenthaltsraum.

    Blank nahm seelenruhig das Frühstück ein.

    Auch als Frau Heine eine Viertelstunde später mit einer Kanne Tee zurückkam, ließ sich der Ermittler nicht aus der Ruhe bringen.

    Ganz anders die Wirtin.

    „So langsam mache ich mir doch Sorgen", stellte sie fest.

    „Sie wird vielleicht verschlafen haben", meinte Blank.

    „Das passt aber nicht zu ihr. Fräulein Yvonne hat bisher einen äußerst gewissenhaften Eindruck auf mich gemacht. Vielleicht sollte man einmal nachsehen. Nicht das ihr am Ende noch etwas ..., „aber nicht doch, unterbrach Blank die besorgte Wirtin, „was sollte ihr in diesem ruhigen Haus schon widerfahren?"

    „Eben. Sie sagen es Herr Blank. Es ist viel zu ruhig. Sonst hört man zumindest das Radio in ihrem Zimmer. Heute habe ich aber noch überhaupt nichts gehört."

    Wie sollte man auch, wenn die Frau noch schläft, dachte Blank. Aber irgendwie war die Unruhe der Wirtin ansteckend.

    Blank schluckte den letzten Bissen herunter und er schlug vor: „Dann schauen wir einfach nach."

    Es kam ihm so vor, als ob Frau Heine nur darauf gewartet hatte.

    Sie wandte sich um und marschierte sofort los.

    Keine drei Minuten später erreichte Blank die Zimmertür der jungen Mitbewohnerin.

    Frau Heine stand aufgewühlt im Türrahmen und sie stotterte: „Sie - sie ist nicht da!"

    „Das ist noch kein Grund besorgt zu sein", stellte Blank fest.

    Die Anmerkung konnte die Wirtin allerdings nicht beruhigen.

    Sie stellte ihrerseits fest: „Ihre Sachen sind zwar da, aber das Bett ist unberührt."

    „Sie wird woanders übernachtet haben. Ich denke, es wird sich alles bald aufklären, Frau Heine. Sie sollten sich keine weiteren Sorgen machen", beruhigte Blank die nervöse Frau.

    „Aber so weit ich weiß, kennt Fräulein Yvonne niemanden im Ort. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ihr etwas passiert ist", erwiderte die Wirtin aufgeregt.

    „Nun malen Sie den Teufel nicht an die Wand. Die junge Frau wird jemanden kennengelernt haben. Bei so einer hübschen Person dürfte das nicht ungewöhnlich sein", versuchte es Blank mit einer anderen Erklärung.

    Doch darauf erwiderte Frau Heine entrüstet: „Fräulein Yvonne ist ganz sicherlich nicht so eine, die bei dem erstbesten Bekannten übernachtet."

    „Es muss ja nicht unbedingt ein Mann sein. Eine Freundin käme auch in Betracht", gab Blank zu bedenken.

    „Ja vielleicht", stimmte die Wirtin zögerlich zu. Doch ihre zweifelnden Blicke sagten etwas anderes.

    „Also gut, lenkte Blank ein, „ich kann mich einmal umhören, ob es in der letzten Nacht ungewöhnliche Ereignisse gegeben hat, worin eine junge Frau verwickelt war.

    „Das würden Sie wirklich tun?", fragte Frau Heine nach, als ob sie es nicht glauben wollte.

    „Selbstverständlich, antwortete Blank. Doch er wollte keine voreiligen Versprechungen abgeben und schränkte ein: „Ich sage Ihnen aber gleich, dass ich mir nicht allzu viel davon verspreche.

    „Nicht so bescheiden, Herr Blank. Ich kenne Sie schon eine ganze Weile und weiß, was Sie tun. Daher bin fest davon überzeugt, wenn etwas mit der Frau geschehen ist, dann werden Sie es auch herausfinden."

    Diese Feststellung kam so überzeugend bei Blank an, dass er unwillkürlich daran denken musste, dass ihn die Wirtin gezielt manipuliert haben könnte. Sie wusste nicht nur, womit ihr Gast seine Brötchen verdiente. Sondern Blank hatte auch den Eindruck gewonnen, dass Frau Heine ganz genau wusste, was in ihrem Haus geschah. Daher dürfte es ihr nicht entgangen sein, dass die Mitbewohnerin die Pension seit gestern nicht mehr betreten hatte. Das besorgte Verhalten im Frühstücksraum war vielleicht nur vorgeschoben.

    Allerdings war es Blank selber gewesen, der nachgefragt hatte. Möglicherweise war er auf dem Holzweg und die Wirtin machte sich wirklich ernsthafte Sorgen.

    Die Neugier des Ermittlers war auf jeden Fall geweckt worden.

    „Wann haben Sie Fräulein Yvonne zuletzt gesehen?", fragte Blank professionell nach.

    Frau Heine brauchte nicht lange nachzudenken.

    „Das war gestern nach dem Mittagessen. Ich hatte in der Küche zu tun und als ich in den Aufenthaltsraum zurückkam, war sie nicht mehr da."

    „Haben sie darüber gesprochen, was sie vorhatte?", wollte Blank weiter wissen.

    Diesmal schien Frau Heine etwas länger zu überlegen.

    „Weder gestern, noch die Tage davor hat sie über ihre Absichten gesprochen. Lediglich bei ihrer Ankunft hat sie erwähnt, dass sie ein paar Tage ausspannen wolle. Ich hatte und habe jetzt erst recht das Gefühl, sie könnte vor irgendetwas davongelaufen sein."

    Das war es also: Frau Heine hatte ein ungutes Gefühl.

    Sollte man deswegen gleich mit dem Schlimmsten rechnen?

    Einen Tag könnte man durchaus noch abwarten, überlegte Blank. Laut sagte er jedoch: „Also gut. Ich werde sehen, was ich in dieser Angelegenheit in Erfahrung bringen kann. Ach, bevor ich es vergesse. Wie heißt Fräulein Yvonne eigentlich mit Familienname?"

    „Baumann", antwortete die Wirtin kurz und knapp.

    Sie schien aber einzusehen, dass es etwas zu wenig sei. Deshalb ergänzte sie: „Yvonne Baumann, geboren am 17. Juni 1965 in Hamburg. So steht es in der Anmeldung."

    Eine junge Frau aus der Großstadt, zwei Wochen vor ihrem 21. Geburtstag. Möglicherweise hat sie die Wahrheit gesagt und sich tatsächlich in die Provinz verirrt, um zur Ruhe zu kommen, überlegte Blank.

    Das war hier zweifellos möglich. Deshalb kam er immer wieder gerne her. Aber, wie bereits erwähnt, nach einer Woche Müßiggang waren die Batterien wieder aufgeladen und neue Herausforderungen mussten her.

    So etwas galt insbesondere für eine junge Person, die den Rummel und die hektische Betriebsamkeit einer Metropole wie Hamburg gewohnt war, konstatierte Blank weiter.

    Ganz so pulsierend war Niedersachsens Hauptstadt zwar nicht. Aber verglichen mit diesem Dorf am Rande des Deisters, war Hannover allemal aufregender. Irgendwie war Blank dankbar, dass er jetzt einen Grund hatte, ins Büro zu fahren.

    Durchaus möglich, dass die Hamburgerin genug von dieser Einöde hatte und ebenfalls nach Hannover gefahren war.

    ******

    Das Bürohaus, in dem die Detektei eine Etage angemietet hatte, lag ein wenig außerhalb, war aber verkehrstechnisch gut erreichbar.

    Blank stellte seinen Wagen in der Tiefgarage ab und fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben.

    Das Büro des Freundes lag in der Mitte eines lang gestreckten Korridors. Die Tür stand offen. Miko saß hinter dem Schreibtisch. Er hob nur kurz den Kopf, nickte zur Begrüßung und blickte weiter auf die vor ihm liegenden Unterlagen.

    „Was liest du gerade?", fragte Blank. Doch wissbegierig klang die Frage nicht.

    Prompt bekam er die passende Antwort: „Seit wann interessierst du dich für die Geschäftsberichte."

    „Man wird doch mal fragen dürfen, meinte Blank leicht pikiert, „ich dachte, wir haben im Moment keine Aufträge.

    „Für dich habe ich in der Tat keinen Auftrag. Aber das bedeutet schließlich nicht, dass auch die anderen Mitarbeiter ihre Hände in den Schoß legen können, stellte Miko fest und mit ironischem Unterton fügte er hinzu: „Es sei denn, du möchtest einen Routineauftrag übernehmen.

    Eigentlich verdiente die Firma MIKOS ihr Geld mit der Ausbildung und Bereitstellung von Sicherheitspersonal, wie zum Beispiel Kaufhausdetektiven. Aber auch in großen Hotelanlagen und Wirtschaftsunternehmen wurden erfahrene Wachleute benötigt.

    Die Geschäfte in diesem Bereich liefen mehr als zufriedenstellend, sodass die Firma zuweilen auch weniger profitablere Ermittlungsaufträge übernahm. Das hieß aber nicht, dass sie in dieser Hinsicht weniger Erfolge verbuchen konnten. Ganz im Gegenteil. Einige spektakuläre Aufklärungserfolge hatten dafür gesorgt, dass der Detektei ein guter Ruf vorauseilte.

    „Wenn Not am Mann ist, kannst du selbstverständlich über mich verfügen", entgegnete Blank zum Erstaunen des Partners.

    „Du scheinst wohl Langeweile zu haben", meinte Miko.

    Die Aussage war sicherlich nicht ganz ernst gemeint, aber es genügte, dass Blank angekratzt reagierte.

    „Ich habe keineswegs vergessen, womit wir unser Geld verdienen."

    „Das weiß ich doch, mein Freund. Aber ich denke, dass du dich nicht persönlich ins Büro bemüht hast, damit ich dich auf Ladendiebe ansetze. Also, heraus damit: Was hast du auf dem Herzen?"

    So direkt gefragt empfand Blank sein Anliegen doch ein wenig unsinnig. Jedoch war Miko der Letzte, der den Freund auslachen würde. Das wusste er und deshalb berichtete Blank von den Sorgen der Pensionswirtin.

    „Du teilst demnach die Befürchtungen der Frau?", fragte Miko nach.

    „Es ist vielleicht noch etwas zu früh, um wirklich etwas zu unternehmen.

    Aber wir könnten zumindest Augen und Ohren aufhalten", antwortete

    Blank.

    „Das wird wohl nicht ganz ausreichen, stellte Miko fest und er griff zu einem Stift, „für alle Fälle werde ich die Personalien der jungen Frau überprüfen. Mal sehen, was dabei herauskommt.

    Das war mehr, als Blank erhofft hatte. Deshalb gab er die Angaben gerne weiter.

    Miko würde seine Verbindungen bei der Polizei und Staatsanwaltschaft spielen lassen und zudem Kontaktpersonen bei anderen Behörden aktivieren. Sollte der Name Yvonne Baumann in irgendeinem Zusammenhang auftauchen, würde der Partner Kenntnis davon erhalten.

    Bis erste Informationen eintrafen, würden erfahrungsgemäß ein paar Stunden vergehen. Die Zeit wollte Blank nutzen, um eine weitere Informationsquelle anzuzapfen. Daher bedankte er sich bei dem Partner und verließ das Büro.

    Die Person, welche Blank so unvermittelt in den Sinn gekommen war, kannte er seit vielen Jahren. Jedoch hatten sie sich in den letzten Jahren eher selten getroffen. Um genau zu sein, eigentlich gar nicht. Das lag nicht unbedingt an dem Ermittler, sondern wohl eher an dem ungewöhnlichen Mann. Er lebte sehr zurückgezogen. War aber in bestimmten Kreisen sehr gefragt.

    Der Eigenbrötler hatte nämlich ein phänomenales Gedächtnis, was Namen, Ereignisse und sonstige Fakten betraf. Nachrichten, die vor Jahren einmal Schlagzeilen gemacht hatten, aber längst wieder vergessen waren, konnte dieser Mann zum Leben erwecken.

    Mit dieser Person zu sprechen, war wie mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit zu reisen. Zumindest hatte es Blank stets so empfunden.

    Ob Egmund Brixen, so hieß der Gedächtniskünstler, zum Namen Baumann etwas einfiel, erwartete Blank nicht unbedingt. Vielmehr war ihm ein Versprechen eingefallen. Da es selten genug vorkam, dass er Zeit hatte, wollte Blank die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, diesem Mann einen Besuch abzustatten.

    Normalerweise mussten sich Besucher vorher anmelden und benötigten eine Erlaubnis, um das Archiv der Zeitung betreten zu dürfen. Hier arbeitete Brixen nämlich. Als Archivar hütete er seit gefühlten 100 Jahren die Nachrichten und Reportagen, die irgendwann einmal aktuell genug waren, um gedruckt zu werden.

    Welche Meldung interessant ist, mag jeder für sich selber beurteilen. Eines steht wohl außer Frage: Nichts ist so alt, wie eine Nachricht von gestern. Dieses geflügelte Wort gilt wohl insbesondere für die Informationsmedien, wie Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen.

    Dennoch kann es zuweilen sehr aufschlussreich sein, in den alten Meldungen herumzustöbern. Wenn man denn die Gelegenheit dazu hatte. Es gab neben den Redaktionsangehörigen nur wenigen Personen, die das Zeitungsarchiv jederzeit betreten durften.

    Blank hatte nicht nur die mündliche Erlaubnis, sondern war auch im Besitz eines schriftlichen Dokuments. Diese Legitimation hatte der Ermittler jedoch noch nie benötigt. Obwohl er nur selten im Redaktionsgebäude auftauchte, war er hier bekannt und gern gesehen. Es mochte wohl auch daran liegen, das Blank schon für die eine oder andere Schlagzeile gesorgt hatte. Zwar hielt er sich lieber im Hintergrund, aber es ließ sich nicht immer vermeiden, dass die Firma MIKOS in der lokalen Presse erwähnt wurde. Da die Berichte in der Regel positiv ausfielen, war gegen diese kostenlose Publicity nichts einzuwenden.

    Seit dem letzten aufsehenerregenden Fall war jedoch geraume Zeit vergangen und fast ebenso lange war Blank nicht mehr in den Katakomben des Verlagshauses gewesen.

    Dennoch begrüßte der ergraute Archivar den Besucher so, als ob Blank gestern erst hier gewesen war.

    „Schön das du mich noch einmal besuchst, bevor ..., „bevor was?, unterbrach Blank überrascht, „willst du dich etwa zur Ruhe setzen?"

    „Von wollen kann nicht die Rede sein, mein lieber junger Freund. Ich muss! Meine Dienste werden nicht mehr benötigt. Oder anders ausgedrückt, meine Arbeit ist aus der Mode gekommen. In einigen Wochen sind die Archivunterlagen vollständig auf Mikrofilm verfügbar. Dann kann jeder, der es möchte, in den alten Zeitungen stöbern, ohne sich an der staubigen Luft hier unten zu verschlucken."

    „Und was wird aus deiner Schlagwörterkartei? An wen soll ich mich denn zukünftig wenden, wenn ich beispielsweise etwas über den Namen Baumann in Erfahrung bringen möchte?"

    „Falls jemand diese Arbeit übernimmt, muss er sich etwas anderes überlegen. Meine Kartei gebe ich nicht aus den Händen", stellte Brixen klipp und klar fest. Wobei er scheinbar zufällig die Karteikarten mit dem Buchstaben B durchsuchte.

    „Baumann", sagte der Archivar ganz in seinem Element und es sprudelte alles heraus, was ihm auf Anhieb zu diesem Namen einfiel. Das war jedoch noch lange nicht alles, denn anhand der Stichworte auf den Karteikarten machte Brixen Angaben zum Ursprung des Namens sowie über die Häufigkeit und Verbreitung in Deutschland. Auch einige prominente Zeitgenossen konnte er aufzählen.

    Davon kannte Blank jedoch die wenigsten. Daher fragte er zu guter Letzt: „Ist dir irgendetwas von besonderem Interesse eingefallen? Oder anders gefragt: Ist dir der Name gestern oder heute untergekommen?"

    Egmund Brixen blickte Blank verwundert an.

    „Um etwas über die aktuellen Nachrichten zu erfahren, bis du bei mir an der falschen Adresse. Das solltest du eigentlich wissen", stellte der Archivar fest.

    „Ja, ich weiß. Es war nur eine rhetorische Frage. Ich war zufällig in der Nähe und wollte dich einfach mal wieder besuchen."

    „Woran mag es wohl liegen, dass ich dir diese Erklärung nicht abkaufe", erwiderte Brixen schmunzelnd.

    „Das kann ich dir erklären. Du kommst zu wenig unter Leute und bist deshalb zu misstrauisch", stellte Blank fest, wobei er mit einem Auge zwinkerte.

    „Das wird es vermutlich sein. Nur gut, dass du vorbei gekommen bist und mir die Augen geöffnet hast."

    „Keine Ursache. Was tut man nicht alles für einen Freund."

    Die Männer lachten.

    Brixen packte die Karteikarten sorgfältig zurück und plötzlich wieder ernst fragte er: „Dann erzähl mal, wo dich der Schuh drückt."

    Blank erzählte dieselbe Geschichte wie seinem Partner.

    „Der Name Baumann ist dir also nicht zufällig eingefallen, stellte Brixen zunächst fest, „wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es keine konkreten Hinweise über den Verbleib der jungen Frau. Lediglich ein unbestimmtes Gefühl der Pensionswirtin, das ihr etwas passiert sein könnte, von dem du dich hast anstecken lassen. Ich will dir ja nicht zu Nahe treten, aber für mein Dafürhalten hast du ein Auge auf die junge Person geworfen. Oder?

    „Wo denkst du hin! Ich kenne die Frau kaum. Ich habe sie nur zweimal im Aufenthaltsraum beim Abendessen gesehen", stellte Blank entrüstet klar.

    Brixen lächelte hintergründig.

    „Dann nenne mir einen anderen Grund für dein Interesse an dieser vermeintlich fremden Person", forderte der verschlagene ehemalige Sensationsreporter.

    „Verdammt! Wieso muss man für alles eine Rechtfertigung vorweisen, erwiderte Blank aufgebracht, „du hast früher bestimmt nicht lange nach einem Grund gesucht, wenn du Recherchen über irgendeinen Zeitgenossen angestellt hast.

    „Lenke nicht vom Thema ab. Das war eine andere Zeit. Vor dreißig Jahren hatten viele Leute dunkle oder richtiger gesagt braune Punkte auf den vermeintlichen weißen Westen. Man musste nur ein wenig daran kratzen. Trotzdem, für gezielte Nachforschungen sollte man zumindest einen Anfangsverdacht haben, sonst ist es wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen."

    „Und wie ist es mit einer spontanen Eingebung?", wollte Blank wissen.

    „Tut mir ehrlich leid. Bei dem Namen Baumann klingelt keine Alarmglocke – nicht mal ein Glöckchen."

    „Ist nicht so schlimm. Ein Versuch war es wert. Also nichts für ungut", sagte Blank und er wandte sich dem Ausgang zu.

    „Wie? Das war schon alles! Du willst mir doch nicht weismachen, dass du nur in den Keller hinabgestiegen bist, um mir guten Tag zu sagen."

    „Wenn ich dir bestätige, dass es so ist, wirst du mir also nicht glauben."

    „Du Schlitzohr. Also komm schon, mit mir kannst du über alles reden. Die junge Frau hat es dir irgendwie angetan - gib es doch einfach zu."

    Blank ging zum Schein darauf ein.

    „Dir kann man wirklich nichts vormachen, Egmund. In der Tat strahlt Yvonne Baumann etwas Geheimnisvolles aus, dem man sich nicht entziehen kann. Ich gestehe, dass ich mehr über diese Frau in Erfahrung bringen möchte, und zwar, ohne dass es jemand bemerkt. Da bist du mir eingefallen."

    „Na siehst du, Tobias. Es war doch gar nicht so schwer. Selbstverständlich werde ich dir helfen. Im Moment weiß ich zwar noch nicht genau wie. Aber ich verspreche dir, meine Aufzeichnungen nochmals genau durchzuschauen. Wenn es deine Zeit erlaubt, kannst du mich in den nächsten Tagen nochmals besuchen."

    „Das werde ich bestimmt tun", versprach Blank und er verließ den Archivar.

    Nach einer ausgedehnten Mittagspause fuhr Blank zurück zur Pension am Deister.

    Dass Yvonne Baumann wieder auf der Bildfläche erschienen war, glaubte er zwar nicht, dennoch wollte Blank auf Nummer sicher gehen. Es gab noch einen anderen Grund für die Fahrt. Der Ermittler hoffte, dass die Pensionswirtin wie fast jeden Nachmittag unterwegs war.

    Schon beim Öffnen der Haustür spürte Blank, dass seine Hoffnung erfüllt wurde. Er war allein im Haus, denn neben der verschwundenen Frau, gab es derzeit keine weiteren Gäste.

    Da Blank nicht wusste, wie viel Zeit ihm blieb, eilte er sofort zum Zimmer, wo Frau Baumann untergebracht war. Die verschlossene Tür stellte kein Hindernis dar. Ein Satz Dietriche trug der Ermittler, gut verborgen in einem Geheimfach seiner Jacke, immer bei sich.

    Bei der Stippvisite am Morgen hatte Blank nur oberflächlich das Zimmer ansehen können. Die Inneneinrichtung war etwas anders zusammengestellt, ansonsten waren die Räumlichkeiten nahezu mit Blanks Unterkunft identisch. Es gab auch hier eine separate Nasszelle mit WC und Schlafzimmer sowie einen Wohnraum. Wie Blank bereits heute Morgen festgestellt hatte, war das Wohnzimmer penibel aufgeräumt. Keinerlei persönliche Dinge ließen auf die Identität des Bewohners schließen.

    Auf die Durchsuchung der Schränke und Schubladen verzichtete Blank zunächst. Er ging stattdessen sofort in das Badezimmer. Neben der obligatorischen Zahnbürste, mit Becher und Zahnpastatube, fand Blank die für weibliche Personen typischen Utensilien. Dazu gehörten allerdings nur eine Haarbürste, eine Hautcreme und ein Parfümflakon.

    Aufgrund der fehlenden Schminksachen irgendwelche Schlussfolgerungen zu ziehen, wäre wohl verfrüht, dachte Blank.

    Er ging weiter in den Schlafbereich.

    Wie Frau Heine bereits festgestellt hatte, war das Bett unberührt.

    Aber, was Blank neben dem Bett entdeckte, verblüffte ihn. Die meisten Frauen besaßen wohl mehrere Exemplare. Aber auf Reisen dürfte eine Handtasche ausreichen, konstatierte Blank. Er war sich allerdings nicht sicher, da er nicht wusste, was die Frau in diese Gegend geführt hat.

    Wie auch immer. Eines schien ungewöhnlich zu sein, denn ohne ihre Tasche würde eine Frau nur ungern das Haus verlassen. Dieser Umstand sprach eigentlich dafür, dass Fräulein Baumann eine zweite Tasche besaß, dachte Blank und er öffnete die vermeintlich zurückgelassene Handtasche.

    Dass Frauen so allerlei Krimskrams mit sich herumschleppten, deren Sinn und Zweck nicht auf den ersten Blick erkennbar waren, erwartete Blank. Doch er fand weitaus mehr, und das war nun wirklich ungewöhnlich, um es vorsichtig auszudrücken.

    In der Handtasche fand Blank neben den vermissten Schminkutensilien auch eine Geldbörse. In einer Seitentasche steckte zudem die Durchschrift der Anmeldung.

    Was die Wirtin nicht erwähnt hatte, war darin auch die letzte Adresse der Vermissten eingetragen und der Ermittler entdeckte sogar eine Art Legitimation.

    Kein offizielles Dokument wie Personalausweis oder Pass, aber der Name auf dem Studentenausweis ließ eindeutig darauf schließen, wem diese Handtasche gehörte. Der Umstand, dass die Tasche in diesem Raum lag und nicht über der Schulter der Besitzerin hing, gab Anlass für ernsthafte Spekulationen.

    Nicht mehr - aber auch nicht weniger.

    Blank setzte die Durchsuchung fort.

    Er schaute jetzt auch in den Kleiderschrank sowie in die Schubladen einer Kommode. Bis auf einige Kleidungsstücke zum Wechseln entdeckte er nichts Ungewöhnliches.

    Nachdenklich verließ Blank die fremde Unterkunft und er verschloss die Tür wieder.

    Für die merkwürdigen Umstände konnte es eine völlig harmlose Erklärung geben, man musste nicht unbedingt an das Schlimmste denken. Damit beruhigte sich Blank auf der Rückfahrt nach Hannover.

    ******

    „Ich kann nicht zaubern, antwortete Miko auf Blanks Frage nach den ersten Ergebnissen, „bislang gibt es keine Hinweise, dass die gesuchte Person in einen Unfall oder ein ähnliches Ereignis verwickelt ist.

    Normalerweise sollte diese Angabe zur Beruhigung beitragen.

    Ob das in diesem Fall auch so war, konnte zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand beurteilen.

    Blank nahm die Information zur Kenntnis und er berichtete seinerseits, was er in dem Appartement der Vermissten vorgefunden hatte.

    „Ich stimme dir insofern zu, dass es ziemlich ungewöhnlich ist, dass eine Frau ohne ihre Handtasche unterwegs ist, stellte Miko hernach fest, „doch da wir die Gründe nicht kennen, sollten wir keine voreiligen Schlussfolgerungen ziehen. Allerdings fällt mir auf Anhieb kein plausibler Grund ein, wieso sie ohne Geld und Papiere die Pension verlassen haben könnte.

    Zu dieser Erkenntnis war Blank auch gekommen.

    Mikos Bestätigung brachte sie deshalb keinen Schritt weiter.

    Die vermisste Person Yvonne Baumann gab immer mehr Rätsel auf, je länger man sich mit ihr befasste.

    Anstatt zu resignieren, spornte das die Ermittler nur noch mehr an.

    Sie saßen in der gemütlichen Besprechungsecke in Mikos Büro und gingen zunächst getrennt ihren Gedanken nach.

    „Wie ist sie eigentlich zur Pension in Wennigsen gekommen?", fragte Miko wie aus heiterem Himmel.

    „Wieso ist das von Interesse?", fragte Blank überrascht.

    „Also wirklich! Natürlich ist das wichtig, ob die Frau mit einem PKW unterwegs ist, öffentliche Verkehrsmittel oder ein Taxi benutzt."

    „Soweit ich weiß, ist Frau Baumann nicht im eigenen Wagen angekommen. In der unmittelbaren Umgebung der Pension habe ich auch keine Fahrzeuge mit auswärtigen Kennzeichen gesehen. Da sie ohne Geld aufgebrochen ist, bleiben außer den eigenen Füßen kaum noch andere Transportmöglichkeiten übrig", meinte Blank.

    „Es sei denn, sie wurde abgeholt", gab Miko zu bedenken.

    „Das wäre der Wirtin bestimmt aufgefallen, da sie von der Küche aus direkt auf die Straße sehen kann", widersprach Blank.

    „Na schön, dann ist die Frau eben zu Fuß unterwegs oder sie fährt schwarz", stellte Miko missmutig fest.

    „Deine Überlegung ist gar nicht so schlecht, nahm Blank den Gedanken auf und er spekulierte weiter: „Da sie ihre Handtasche zurückgelassen hat, hatte sie vermutlich nicht vor weiter wegzugehen. Vielleicht wollte sie nur einen kurzen Spaziergang unternehmen ..., „von dem sie nicht zurückgekehrt ist", vervollständigte Miko den Satz.

    „Äh - ja, so sieht es wohl aus", stimmte Blank wenig begeistert zu.

    Miko war schon einen Schritt weiter und er schlug vor: „Du solltest in der Nachbarschaft nachfragen. Vielleicht hat jemand etwas beobachtet."

    Der Gedanke war nicht von der Hand zu weisen, dachte Blank. Dennoch riet er davon ab.

    „Die Aussichten, dass uns das weiter bringt, halte ich für sehr gering. Die Pension liegt am Ende einer ruhigen Einbahnstraße. Die wenigen Nachbarn, die nicht arbeiten, dürften in der Mittagszeit kaum auf Passanten geachtet haben."

    „Ich bekomme allmählich den Eindruck, dass du diese Person gar nicht finden möchtest", stellte Miko vorwurfsvoll fest.

    „Wie kommst du denn darauf?"

    „Irgendwo müssen wir schließlich beginnen. Doch alles was ich vorschlage, scheint dir nicht in den Kram zu passen. Ich hätte große Lust die ganze Sache sein zu lassen."

    „Stell dich nicht so an, entgegnete Blank, „du bist doch sonst nicht gleich eingeschnappt, wenn wir über mögliche Ermittlungsansätze diskutieren. Wenn du aussteigen willst, dann sag es lieber gleich und eiere nicht so herum.

    Miko schluckte pikiert und er zögerte mit einer Erwiderung. Schließlich sagte er. „Du musst doch zugeben, dass die Ausgangslage alles andere als klar ist. Wir stochern wie zwei Blinde im Nebel herum und hoffen einen Sehenden zu finden. Ich mag durchaus Herausforderungen. Aber so ganz ohne ein Ziel. Nimm es mir nicht übel, aber das ist mir zu schwammig."

    „In der Tat haben wir noch keine handfesten Fakten auf die wir aufbauen können, bestätigte Blank, hielt dem Freund aber vor: „Es wäre aber nicht das erste Mal, wo es kaum Anhaltspunkte gibt. Doch ich akzeptiere deine Entscheidung. Da es im Augenblick keine Arbeit für mich gibt, erlaubst du hoffentlich, dass ich mich noch ein wenig mit dieser Angelegenheit befasse.

    Dagegen hatte Miko nichts einzuwenden und er versicherte: „Wenn es eindeutige Hinweise, egal welcher Art gibt, kannst du selbstverständlich mit meiner Unterstützung rechnen."

    Ein wenig enttäuscht, aber keineswegs mutlos verließ Blank das Detektivbüro.

    Er fuhr noch einmal zur Pension in Wennigsen.

    Frau Heine schien schon gewartet

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