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Revolution 1776 - Krieg in den Kolonien Sonderband: Das Glück des Trommlers
Revolution 1776 - Krieg in den Kolonien Sonderband: Das Glück des Trommlers
Revolution 1776 - Krieg in den Kolonien Sonderband: Das Glück des Trommlers
Ebook266 pages3 hours

Revolution 1776 - Krieg in den Kolonien Sonderband: Das Glück des Trommlers

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About this ebook

Es sollte nur ein schöner Urlaub in den Neu-England-Staaten werden. Die herbstliche Laubfärbung lockte, und Max war es gelungen, seine Eltern von diesem Reiseziel zu überzeugen. Für ihn war es wesentlich mehr, denn in der Schule faszinierte ihn das Thema des Bürgerkrieges in Amerika, der auch als 'Unabhängigkeitskrieg' oder 'Revolution' bezeichnet wurde, tatsächlich aber der erste Bürgerkrieg in Nordamerika wurde. Als er allein ein Fotoatelier in einem Visitor Center bei einem berühmten Schlachtfeld betritt, geschieht etwas Seltsames. Max befindet sich plötzlich mitten im Geschehen der Ereignisse, die 1776 eine ganze Nation auf den Kopf stellte…
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateApr 21, 2021
ISBN9783754111277
Revolution 1776 - Krieg in den Kolonien Sonderband: Das Glück des Trommlers

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    Revolution 1776 - Krieg in den Kolonien Sonderband - Thomas Ostwald

    Thomas Ostwald

    Revolution 1776 – Krieg in den Kolonien

    Sonderband zur Serie Revolution 1776

    Das Glück des Trommlers

    Edition Corsar

    Alle Rechte vorbehalten.

    © Edition Corsar Dagmar und Thomas Ostwald 2021 Braunschweig

    I.

      Die große, schwere Limousine nahm die schmale Straße fast völlig ein. Gegenverkehr wäre ein Problem gewesen, aber niemand schien in dieser Jahreszeit eine so abgelegene Gegend aufzusuchen. Die Touristenströme, die in jedem Jahr zum Indian Summer durch die Neu-England-Staaten flossen, hatten interessantere Ziele.

      Noch immer ging es leicht bergauf, und der unangenehme Nieselregen sprühte auf die Windschutzscheibe. Der Fahrer schaltete die nächste Interwallstufe ein. Im Fond des Fahrzeugs sah Max ständig aus dem Seitenfenster, dann wieder zwischen seinen Eltern nach vorn durch die Windschutzscheibe. Dunkelblaue, schwere Wolken hingen über den Bergen.

    Vereinzelt standen Häuser an der schmalen Straße, trotz des unangenehmen Herbstwetters ein freundlicher Anblick mit ihren weißen Holzverschalungen, den bunten, eigenwilligen Briefkästen und den orange leuchtenden Halloween-Kürbissen, die überall viel zu früh vor den Türen standen und hingen.

      „Manno, wann kommt denn das blöde Schlachtfeld endlich?", nörgelte jetzt seine Schwester.

      Die Stimmung im Auto war gedrückt, und eigentlich sprach sie aus, was alle dachten. Vor etlichen Meilen waren sie auf diesen Weg abgebogen. Max hatte das Schild im letzten Augenblick entdeckt, aber es war bislang auch das einzige geblieben.

      „Es muss hier gleich sein, bestimmt nicht mehr weit!"

    Max sprach hastig, um Einwände im Keim zu ersticken.

      „Stellt Euch bloß einmal vor, hier sind die mit schwerem Gepäck und den Fuhrwerken bei solchem Wetter entlang gezogen. Und bestimmt blieben die Räder im aufgeweichten Weg stecken!"

      „Na, das kann uns zum Glück ja nicht passieren, antwortete sein Vater. „Die Straße ist zwar schmal, aber in gutem Zustand. Wir werden es schon finden, keine Sorge. Bislang haben wir ja alle Punkte nach Karte gefunden.

      „Aber ausgerechnet so ein blödes Schlachtfeld. Was stellst du dir da eigentlich vor? Glaubst du, da liegen noch Gewehre rum und so'n Zeugs?"

      Max sah seine Schwester missbilligend an.

      „Natürlich nicht. Ich weiß auch nicht, was ich mir vorstelle. Es ist nur... es ist ein merkwürdiges Gefühl, da zu stehen, wo einmal gekämpft wurde. Und das waren auch Soldaten aus unserer Heimat! Sie kamen aus dem Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel!"

      „Na ja, ich kann mir etwas Schöneres vorstellen, ließ sich jetzt die Mutter vom Beifahrersitz hören. „Aber wenn es für dich so wichtig ist, sehen wir es uns natürlich an.

      Sie hatte sich umgedreht und lächelte ihrem Sohn zu.

      „Wichtig, ja gut, ich kann mir dann vielleicht ein Bild von den Örtlichkeiten machen. Bislang war ja alles nur theoretisch. Das Material im Archiv und dann die Ausstellung im Museum waren schon gut, aber jetzt, ich meine, so richtig vor Ort..." Max brach ab und sah aus dem Fenster.

      Trotz des grauen Himmels leuchteten von den Bergen die bunt gefärbten Bäume des Indian Summer. Er ärgerte sich, dass ausgerechnet jetzt das Wetter so schlecht wurde. Während der ganzen Fahrt hatten sie herrlichen Sonnenschein gehabt, von Boston bis in die White Mountains. Bestimmt waren es tolle Bilder, die sie von der Laubfärbung, den schönen, weißen Häusern, den reifen Kürbissen überall gemacht hatten. Jetzt, wo es für ihn darauf ankam, war es ein richtig ekliger Oktobertag. Trotzdem gab Max die Hoffnung nicht auf, ein paar interessante Fotos machen zu können. Es wäre für ihn der krönende Abschluss seiner Projektarbeit.       

      Alles hatte sich so gut gefügt. Erst das Referat über die Amerikanische Revolution, die sich in diesem Jahr zum 225. Male jährte, sonst hätten sie das Thema überhaupt nicht erwähnt. Dann die Idee für die Projektarbeit. Die Reise in die Neu-England-Staaten mit seinen Eltern zum Indian Summer. Direkt nach Boston, wo alles angefangen hatte. Erst die Tea-Party, dann die Gefechte bei Lexington und Concord.

      Aber Max hatte noch mehr gefunden, als er im Archiv die Unterlagen durchsah. Es waren Männer aus seiner Stadt, die hier gekämpft hatten. Aus allen Teilen Deutschlands und aus dem benachbarten Ausland waren sie nach Braunschweig gekommen und hatten sich als Söldner anwerben lassen. Erst gingen sie nach Kanada, dann kämpften sie bei Fort Ticonderoga am Champlain-See und hier bei Hubbardton. Richtig begeistert hatte ihn das Thema schließlich, als er seinen Familiennamen in einer Liste mit über 2.000 Namen entdeckte. Es handelte sich um die Soldaten, die in Amerika geblieben waren: Entweder waren sie im Krieg getötet, an Krankheiten gestorben oder sie gehörten zu dem großen Teil der Braunschweiger, die sich nach Kriegsende mit voller Soldauszahlung entlassen ließen und sich überwiegend in Kanada, in der Nähe von Quebec, ansiedelten. Neugierig war er die gut lesbare Namensliste durchgegangen. Als sein Blick auf den Familiennamen Oberbeck fiel, zuckte er zusammen. Der Mann stammte aus der Harzgegend, und von dort kam seine Familie auch. Schließlich konnte Max mit diesem Bezug auch ein gewisses Interesse bei seinen Eltern erwecken. Zumindest langweilte er sie nicht mit seinen Berichten, was leider für seine Schwester Britta nicht zutraf.

      „Da ist ein Schild und ein kleiner Parkplatz. Wer sagt es denn - alles gefunden!"

      Die Stimme seines Vaters riss ihn aus seinen Gedanken. Ja, hier war die Einfahrt zum Schlachtfeld. Aber eine Schranke verhinderte die Weiterfahrt zum Visitor Center, kein anderes Auto parkte hier.

      „Na, großartig! Alles umsonst. Die ganze Fahrerei hierher für nichts!", maulte seine Schwester, und Max starrte betroffen durch den Nieselregen auf die Schranke. Er entdeckte das Schild. Der Park war seit zwei Wochen geschlossen, sie waren zu spät gekommen.

      „Und jetzt? Wollen wir weiter?"

      „Auf keinen Fall!" Max war entschlossen, jetzt nicht aufzugeben. Im nächsten Augenblick hatte er die Wagentür geöffnet und stieg aus. Vorsorglich schloss er seine Jacke über der Kamera, die er an einer Schnur um den Hals gehängt hatte. Für ihn musste es eine gute Digitalkamera sein, die üblichen Handy-Fotos lehnte er entrüstet ab.

      Sein Vater ließ das Fenster herunter und sah ihm zu, wie er das Schild fotografierte, auf dem erklärt wurde, um welches Schlachtfeld es sich handelte.

      „Sieh' dir das an!"

      Max zeigte auf den Text. In goldenen Buchstaben auf blauem Untergrund stand der Text, so wie überall in der Nachbarschaft, wenn es sich um einen historischen Ort handelte. „Noch nicht einmal den Namen des Generals haben sie richtig geschrieben." Er war in diesem Moment richtig wütend über so viel Gleichgültigkeit. Noch einmal überprüfte er den Fotowinkel. Das Licht im Sucher war grün, der Text einwandfrei zu lesen.

      Max trat zur Schranke. Sie versperrte nur den Fahrzeugen den Weg, ein Fußgänger konnte problemlos an der Seite durchschlüpfen.

      „Was hast du vor?", rief ihm sein Vater zu.

      „Ich gehe schnell mal durch, okay?"

      „Bei dem Wetter? Die Bilder werden doch nichts!"

      „Macht nichts, jetzt bin ich hier und möchte wenigstens einen Blick auf die Gegend werfen und ein Foto machen!"

      „Gut, aber sieh' zu, dass du bald wieder hier bist. So toll ist es hier wirklich nicht."

      Max hatte sich schon zur Schranke umgedreht und umging sie.

      „Na Klasse, das ist ja wohl nicht wahr. Jetzt will er wirklich noch zum Schlachtfeld?" Britta maulte weiter, aber ihre Mutter versuchte, zu vermitteln.

      „Lass' ihn, er möchte doch für sein Projekt wenigstens das Bild haben. Wenn er schon hier ist, soll er auch die Zeit haben, sich das Schlachtfeld anzusehen. Außerdem können wir das Feld gut überblicken, jedenfalls bis zum Besucherzentrum. Vielleicht geht er noch bis zu dem Häuschen auf dem Hügel, aber das dauert doch nur Minuten."

      „Aber hier gibt es noch nicht einmal McDonald in der Nähe. Nur Landschaft, die öde Laubfärbung und sonst nichts."

      „Bislang fandest du es doch auch schön. Heute haben wir Pech mit dem Wetter, aber das wird schon wieder. Und nun lass' deinen Bruder in Ruhe."

      „Er ist ja sowieso schon weg, also was soll's. Hauptsache, er beeilt sich, damit wir weiterkommen." Britta nahm ihr Handy heraus und suchte die Facebook-Seite auf.

      Max ging zügig auf der gewundenen Straße. Hinter jeder Kurve hoffte er, einen Blick auf das Schlachtfeld zu erhaschen, und wurde immer wieder getäuscht. Es ging ziemlich steil nach oben, und den Blick in die Umgebung verstellte ihm dichter Baumbewuchs.

      Wie es wohl damals hier ausgesehen hatte? Bestimmt gab es kaum Bäume hier, denn wie hätte man sich sonst auf dem Schlachtfeld aufstellen können, zwischen lauter Bäumen?

      Ihm wurde langsam warm, und gleichzeitig beschleunigte er seinen Schritt. Wie lange ging es denn noch hinauf? Jetzt wurde es auch noch neblig und immer trüber um ihn herum. In den Tannen an der Straße hingen Nebelfetzen wie kleine Wolken.

      ‚Das wird ja ein Superfoto!‘, schoss es Max durch den Kopf, als er wieder eine Kurve nahm. Er schien sich dem Gipfel zu nähern, konnte aber keine Einzelheiten erkennen. Dann stand er auf einer Kuppe neben dem Visitor Center. Tafeln erklärten, wo die Braunschweiger Truppen, die Engländer und die Amerikaner ihre Positionen bezogen hatten.

      Im Visitor Center schien sich auch niemand aufzuhalten, aber die Deckenlampen brannten. Also drehte Max den typischen Messingknauf. Zu seinem Erstaunen ließ sich die Tür öffnen. Max zögerte, dann trat er ein. Vielleicht war doch jemand hier, der aufräumte und ihm etwas Auskunft geben konnte? Im kleinen Vorraum standen Stellwände mit erklärenden Texten, rechts gab es einen Kassentisch.

      „Hallo?" Sein Ruf blieb unerwidert. Im Hintergrund des hell erleuchteten Raumes entdeckte

    Max eine aufgebaute Kamera, auf einem Stuhl Bekleidung, davor standen schwarze Lederschuhe mit glänzenden Messingschnallen. Fasziniert trat er näher und betrachtete die Uniform. Ein gelber Rock mit den typischen langen Schößen und eine dazu passende Weste hingen über dem Stuhl, ein Hemd und eine Kniebundhose lagen daneben.

      Die Trommel stand nur wenige Schritte entfernt. Sie sah noch sehr neu aus und trug an der Seite ein aufgemaltes, verschlungenes Doppel-C, das Zeichen des Braunschweiger Herzogs Carl I.

      Max hob zögernd das weiße Hemd mit den weit geschnittenen Armen hoch. Hier konnten sich bestimmt Touristen in den historischen Sachen fotografieren lassen. Mann, das wäre doch etwas! Bestimmt kam der Fotograf jeden Augenblick wieder, und dann konnte er schon bereit sein. Die paar Minuten würden ihm seine Eltern sicher verzeihen.

      Ohne weiter nachzudenken, streifte sich Max das Hemd über den Kopf. Es war sehr lang und reichte weit über die Knie. Unter der hellen Kniebundhose lagen sogar lange, weiße Strümpfe. Also, rasch die Jeans herunter und ausprobieren!

      Es war etwas mühsam, die langen Strümpfe bis auf den Oberschenkel hochzuziehen, aber er wollte das Foto perfekt haben. Schließlich hatte er das Hemd zugeknöpft, die zahlreichen Hosenknöpfe geschlossen und stand nun unschlüssig vor den Lederschuhen. Er sah sich noch einmal im Raum um und glaubte, jetzt ein Geräusch von draußen zu hören. Das war bestimmt der Fotograf, dachte sich Max, und zog die Lederschuhe an. Aber niemand kam herein. Also zog er sich die Weste über, dann den Uniformrock. Alles passte, als wäre es für ihn gemacht. Die Uniform wurde nur über der Brust mit einem Haken und einer Öse verschlossen. Max bewunderte den dicken, gelben Stoff und befühlte die Abzeichen an der Schulter, die das Zeichen der Musiker waren, wie er wusste. Er hatte sich den merkwürdigen Ausdruck dafür gemerkt: Schwalbennester nannte man diese Art der Abzeichen, die es noch heute bei den Spielmannzügen gab.

      Als letztes probierte er den schwarzen Dreispitz. Auch er passte, und Max wurde richtig nervös bei dem Gedanken, so vor seine Eltern zu treten. Unsinn, seine Schwester würde sich ausschütten vor Lachen! Aber das Foto wollte er auf jeden Fall machen lassen. Wo nur der Fotograf so lange blieb?

      Dann legte er das weiße Koppelzeug an, das für die Befestigung der Trommel diente, hakte die Trommel in die Vorrichtung und besah sich in dem großen Spiegel. Ein ungewohnter Anblick, aber er gefiel sich in der Uniform. 

      Max wartete noch einen Augenblick, dann trat er vor das Visitor Center und rief erneut:

      „Hallo! Hallo!"

      Aber niemand antwortete ihm.

      Der Nebel schien sich weiter zusammenzuziehen, und er konnte vom Schlachtfeld kaum etwas erkennen. Trotzdem hatte er den Fotoapparat bereit, als er plötzlich Rufe hörte. Im ersten Augenblick nahm er an, dass seine Eltern die Geduld verloren hatten und nach ihm riefen. Dann erkannte er, dass die Stimmen seitlich vom Schlachtfeld kamen.

      Also doch Touristen, die sich hierher verirrt hatten? Max lauschte und war sich fast sicher, dass die Stimmen deutsche Worte riefen, aber er konnte nichts verstehen. Jetzt hörte er deutlich eine Trommel schlagen und strengte sich an, etwas durch den Nebel zu erkennen.

    Was hatte das zu bedeuten? War heute ein besonderer Feiertag, und wurde trotz des schlechten Wetters an ein Ereignis erinnert?

      Jetzt zeichneten sich schemenhafte Gestalten ab, die aus den Nebelschwaden traten und in einiger Entfernung von ihm über das Schlachtfeld gingen. Max war verblüfft. Das waren Leute in bunten Uniformen, und jemand schlug eine Trommel. Dann musste er lächeln. Diese Amis! Er hatte aber auch ein Glück! Er musste gerade rechtzeitig gekommen sein, um ein Reenactment zu erleben, die Nachstellung eines historischen Ereignisses in originalgetreuen Uniformen. Darüber hatte er schon gelesen, und Gruppen dieser Art gab es in Deutschland wie in Amerika.

      Immer mehr Soldaten kamen aus dem Nebel, marschierten über das Feld und kamen auf ihn zu. Max staunte über die Anzahl der Darsteller. Offenbar zog man direkt zum Visitor Center, das sich jetzt in seinem Rücken befand. Er zückte die Kamera, stellte das Objektiv ein und drückte ab. Egal, wie die Umgebung war, die Farben der Uniformen würden in jedem Fall einen guten Kontrast geben.

      Lauter und lauter schlugen die Trommeln, gaben den Rhythmus vor, in dem die ganze Kolonne marschierte. Die Männer in den ersten Reihen trugen rote Uniformen, Dreispitze und hatten lange Musketen geschultert. Das waren die Engländer, kein Zweifel.  Dann kamen Reihen mit blauen Uniformen, und Max wurde nervös. Das mussten Braunschweiger sein, denn die Uniformbilder hatte er sich genau angesehen. Was für ein Aufwand für eine solche Darstellung, und dann noch in einer Zeit, wo kein Tourist hier war!

      Jetzt waren neue Kommandos zu hören, und die vorderen Reihen schwenkten direkt auf

    Max zu. Als sie so dicht gekommen waren, dass er die Gesichter unterscheiden konnte, ließ er den Finger nicht mehr vom Auslöser. Die Kamera klickte und er war in diesem Moment sehr froh, dass er doch eine große Speicherkarte vor der Abreise gekauft hatte, auch wenn der Preis dafür nicht gerade niedrig war. Bislang hatte er nur einfache Karten im Fünf-Euro-Bereich gekauft, diese besaß eine Speicherkapazität von 128 GB und kostete dafür auch 20 Euro. Max verdrängte rasch den Gedanken an die zahlreichen Ausgaben, die er vor Reiseantritt hatte. Angefangen vom Kartenmaterial über Reiseführer hatte er viele Dinge erstanden, die er zu seinem großen Ärger in guter Qualität in den verschiedenen Visitor Center während der Reise kostenlos erhielt.

      Die Soldaten hielten jetzt und standen in einer langen Reihe. Unteroffiziere mit ihren Spießen in der Hand achteten darauf, dass sie sich exakt ausrichteten, dann kam eine Gruppe mit Offizieren heran.

      Etwas abseits stand eine größere Gruppe in grünen Uniformen mit roten Aufschlägen. Sie fielen Max sofort auf, denn die Männer hatten in ihrer ganzen Art etwas Lässiges und schienen die Uniform nur zu tragen, weil sie nichts Anderes tragen konnten. Sie standen nicht in den Reihen der anderen Soldaten, und einige hatten ihre auffallend kurzen Gewehre verkehrt herum geschultert. Das mussten die Jäger sein, die in diesem Krieg eine wichtige Rolle spielten. Max hatte gelesen, dass man diese Männer hauptsächlich unter Forstleuten anwarb. Sie waren als Scharfschützen eingesetzt.

      Max war begeistert. Die Leute spielten wirklich perfekt ihre Rolle. Wenn das seine Eltern sehen könnten!

      Befehle erschallten, Stimmen brüllten durcheinander. Dann kamen weitere Offiziere in blauen und roten Uniformen von der Seite, gingen auf die Soldaten zu. Die anderen salutierten und meldeten irgendetwas.

      ‚Schade, dass ich nicht dichter heran kann, aber das werden sie mir wohl kaum gestatten!‘, dachte Max gerade, als er plötzlich einen Stoß in den Rücken erhielt, der ihn fast auf  die Straße warf. Er taumelte ein paar Schritte und rieb sich empört die schmerzende Stelle.

      „Was treibt Er hier, Donnerwetter!", fauchte ihn eine gewaltige, tiefe Stimme an.

      Verblüfft sah Max dem Mann in der blauen Uniform ins Gesicht. Er war groß und kräftig, hatte einen dicken Schnurrbart und sah prächtig in seiner Ausrüstung aus. Max musste ihn unwillkürlich bewundern, auch wenn er sich noch immer über diese merkwürdige Begrüßung ärgerte. Aber das war vielleicht nur ein derber Spaß, und er wollte zeigen, dass er verstanden hatte.

      „Halten zu Gnaden!", rief er deshalb übermütig und salutierte vor dem Mann.

      „Maul halten und rüber ins Glied!", brüllte ihn der Mann an.

      Das ging jetzt aber etwas zu weit, fand Max. Auch wenn er vielleicht einen Unteroffizier darstellte, gab ihm das kein Recht, einen harmlosen Touristen so zu behandeln.

      „Hören Sie, Mister, ich wollte nur ein paar Fotos machen und verschwinde gleich wieder. Meine Eltern warten nämlich ..."

      „Hat Er mich nicht verstanden?", rief der Uniformierte jetzt erbost. Im nächsten Augenblick packte er Max am Ohr und zog ihn auf schmerzhafte Weise hinter sich her.

      Max wollte protestieren, brachte aber vor Überraschung kein Wort heraus. Eine Frechheit! Und überhaupt - wieso sprach der Kerl deutsch mit ihm? Aber für weitere Überlegungen blieb ihm keine Zeit. Der Mann hatte ihn ein paar Schritte mitgezogen und blieb dann wieder stehen.

      „Nehme Er seine Trommel auf und trete er ins Glied, oder er wird mich kennenlernen!"

      „Jetzt ist es aber gut!", rief Max wütend aus, und im nächsten Augenblick brannte seine Wange. Der Kerl hatte es tatsächlich gewagt, ihn zu schlagen! Was dachte er sich denn?

    Max wurde kurzerhand von dem kräftigen Mann am Kragen geschnappt und direkt zu den Soldaten gezogen. Er ging mit ihm an den ersten Reihen vorbei und schob ihn dann in zu mehreren Männern in blauen Uniformen.

      Max wollte erneut laut schimpfen, als ihn der Blick seines Nebenmannes traf. Dieser Blick war so eigentümlich, dass Max verstummte. Der Mann wollte ihn offensichtlich warnen. Jedenfalls war Max eingeschüchtert und wartete ab, was passierte.

      Aber man schien nur auf ihn gewartet zu haben. Im nächsten Augenblick hörte er einen neuen Befehl, und die Männer neben ihm führten eine Bewegung aus, die er unwillkürlich mitmachte. Gleich darauf setzten sie sich im Gleichschritt in Marsch, und die mächtige Stimme seines Peinigers rief ihm zu:

      „Achtung, Trommler!"

      Max sah verzweifelt zu seinem Nebenmann und wollte gerade sagen, dass er völlig unmusikalisch sei. Aber der nickte ihm aufmunternd zu, und Max schluckte kräftig. Noch immer brannte seine Wange, und diese unangenehme Erinnerung ließ seinen Widerstand schmelzen. Automatisch rührten sich seine Hände, ohne dass er wusste, wann er die Stöcke aufgenommen hatte. Zu seiner grenzenlosen Verblüffung schlug er einen gleichmäßigen Takt und marschierte neben den Männern, als hätte er nie etwas Anderes getan.

      ‚Ich muss träumen oder völlig verrückt geworden sein!‘, schoss es ihm durch den Kopf. ‚Aber wenigstens hat der Nieselregen aufgehört. Na schön, wenn sie ihren Spaß mit Touristen so derbe machen, werden sie nicht viele Freunde finden. Ich gehe nur bis zum Visitor Center mit, und dann - tschüss, ihr Spinner!‘

      Die Kolonne schwenkte erneut, und jetzt mussten sie gleich den Weg erreichen, der zurück zum Parkplatz führte. Max

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