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Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12): Miniserie
Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12): Miniserie
Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12): Miniserie
Ebook1,681 pages18 hours

Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12): Miniserie

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About this ebook

Eigentlich will die Besatzung der SOL so schnell wie möglich in die heimatliche Milchstraße zurückkehren. Doch ein Bote der Kosmokraten macht ihnen klar: Die Menschen an Bord können nur nach Hause, wenn sie zuvor eine wichtige Aufgabe für die Hohen Mächte erledigen.

Perry Rhodan und seine Gefährten kommen einem ungeheuerlichen Geheimnis auf die Spur: Die Truppen der Chaosmächte arbeiten an einer Maschine, die ganze Galaxien gefährden könnte. Nur Perry Rhodan kann sie stoppen – als ehemaliger Ritter der Tiefe stellt er sich gegen die Ritter des Chaos ...

PERRY RHODAN-Mission SOL 2 ist eine Miniserie, die nach Exposés von Kai Hirdt entsteht. Sie ist in sich abgeschlossen: zwölf Science-Fiction-Romane voller Sense Of Wonder!
LanguageDeutsch
Release dateAug 20, 2020
ISBN9783845351544
Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12): Miniserie

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    Mission SOL 2020 Paket (1 bis 12) - Kai Hirdt

    cover.jpg

    Cover

    Vorwort

    Nr. 1 – Ritter des Chaos

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1.

    2.

    3.

    4.

    5.

    6.

    7.

    8.

    9.

    10.

    11.

    12.

    13.

    14.

    15.

    16.

    17.

    18.

    19.

    20.

    Nr. 2 – BARILS Botschaft

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. 8. November 1552 Neue Galaktische Zeitrechnung – SOL, auf dem Weg nach Kessaila

    2. 11. November 1552 NGZ – Kessaila, Kepraunsystem

    3. Kessaila, in den Randbezirken von Muaal

    4. Kessaila

    5. Kessaila, BARILS Adyton

    6. BARILS Botschaft – Vor dem Beginn

    7. 12. November 1552 NGZ – Kessaila, BARILS Adyton

    8. Kessaila, in den Slums von Muaal

    9. Kessaila, BARILS Adyton

    10. BARILS Botschaft

    11. Nacht zum 13. November 1552 NGZ – Kessaila, BARILS Adyton

    12. 13. November 1552 NGZ – Kessaila, BARILS Adyton

    13. Kessaila, BARILS Adyton

    14. Kessaila, Kepraunsystem

    15. SOL, Kepraunsystem

    16. 14. November 1552 NGZ – SOL, Kepraunsystem

    17. Kessaila, Kepraunsystem

    18. SOL, Serkatlasystem

    19. Kessaila, BARILS Adyton

    Nr. 3 – Zielpunkt Nebelzone

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. SOL, im Diulusystem

    2. CALAMAR

    3. CALAMAR, im Mauritiussystem

    4. Doppelringstation S-5

    5. Space-Jet

    6. S-1, Dunkelzentrum

    7. Quartier an Bord der S-1

    8. Korridore und Schächte

    9. Skapalm-Bark

    10. Im Gen-Kabinett

    11. Hauptzentrale der Skapalm-Bark

    12. Showdown

    13. Zielpunkt Nebelzone

    Nr. 4 – Im Sphärenlabyrinth

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. 16. November 1552 Neue Galaktische Zeitrechnung – Sphärenlabyrinth

    2. 16. November 1552 NGZ – Kepraunsystem

    3. 18. November 1552 NGZ – Sphärenlabyrinth

    4. 20. November 1552 NGZ – Mauritiussystem

    5. 18. November 1552 NGZ – Sphärenlabyrinth

    6. 20. November 1552 NGZ – Sphärenlabyrinth

    7. 20. November 1552 NGZ – Sphärenlabyrinth

    8. 20. November 1552 NGZ – Sphärenlabyrinth

    9. 20. November 1552 NGZ – Sphärenlabyrinth

    10. 20. November 1552 NGZ – Sphärenlabyrinth

    11. 20. November 1552 NGZ – Sphärenlabyrinth

    12. 20. November 1552 NGZ – Sphärenlabyrinth

    Nr. 5 – Der violette Tod

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. 25. November 1552 NGZ – SOL, im Prarantalsystem

    2. 21. November 1552 NGZ – SOL, im Sphärenlabyrinth

    3. 22. November 1552 NGZ – SOL, im Transit

    4. 24. November 1552 NGZ – Praraytiap, Prarantalsystem

    5. 24. November 1552 NGZ – SOL, im Prarantalsystem

    6. 25. November 1552 NGZ – Prarenin, Praraytiap

    7. 25. November 1552 NGZ – ZHIRAL, im Prarantalsystem

    8. 25. November 1552 NGZ – Prarenin, Praraytiap

    9. 25. November 1552 NGZ – SOL, im Prarantalsystem

    10. 25. November 1552 NGZ – ZHIRAL, im Prarantalsystem

    11. 25. November 1552 NGZ – SOL, im Prarantalsystem

    12. 25. November 1552 NGZ – ZHIRAL, im Prarantalsystem

    13. 25. November 1552 NGZ – SOL, im Prarantalsystem

    Nr. 6 – Das Licht in der Tiefe

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. In den Minen von Doliuto

    2. CALAMAR, im Sphärenlabyrinth

    3. In den Minen, Tage später

    4. CALAMAR

    5. Doliuto, Schlafstadt

    6. Im anderen Universum

    7. Doliuto, Sternstollen

    8. Doliuto

    9. Der Weg hinauf

    10. Der Weg hinunter

    11. Im Quartier der Auserwählten

    12. In der Kuppelstadt

    13. Im Quartier der Auserwählten

    14. Die Erweckung

    15. Auf der Flucht

    16. Raumhafen

    17. Ebene Null

    18. Rückkehr in die Kuppelstadt

    19. Abschied der Solaner

    Nr. 7 – Drei hoch Psi

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. SOL – Unweit des Mauritiussystems

    2.

    3.

    4.

    5.

    6.

    7. CALAMAR – Raxulsystem

    8. SOL – Raxulsystem

    9. Xilu

    10. Tensilea

    11.

    12. EXUR VII

    13.

    14.

    15. SOL – Raxulsystem

    Nr. 8 – Das Gelbe Universum

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. VAMTHUS – Mitten im Einsatz

    2. SOL – Vor gefühlt hundert Jahren

    3. VAMTHUS

    4. CALAMAR – Im Gelben Universum

    5. Nygnard – In Gefangenschaft

    6. Auf der Flucht

    7. Welt aus Farben

    8. Kampf in der Finsternis

    9. Begegnung mit dem Bösen

    10. Der lebende Ozean

    11. Auf der Suche nach Zunder

    12. Gegner und Verbündete

    Nr. 9 – Qumishas Sehnsucht

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. Auf Schleichfahrt

    2. Der einsame Stuhl

    3. Wenn drei sich streiten

    4. Vorstoß ins Labyrinth

    5. Der Heimat so nah

    6. Saboteure auf der SOL

    7. TRAITORS willige Diener

    8. Die Entscheidungsfrage

    9. TRAZULS Dorn

    10. Das Wohl von Billiarden

    11. Manchmal heißt es nie

    Nr. 10 – Die gespaltene Welt

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1.

    2.

    3.

    4.

    5.

    6.

    7.

    8.

    9.

    10.

    Nr. 11 – Anker der Superintelligenz

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. Aroff

    2. A-Kuatond

    3. Perry Rhodan

    4. Roi Danton

    5. A-Kuatond

    6. Perry Rhodan

    7. Aroff

    8. Perry Rhodan

    9. Aroff

    10. Perry Rhodan

    11. A-Kuatond

    12. Roi Danton

    13. Perry Rhodan

    14. Roi Danton

    15. Aroff

    Nr. 12 – Der Chaopressor

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. Roi Danton

    2. A-Kuatond

    3. Perry Rhodan

    4. A-Kuatond

    5. Perry Rhodan

    6. A-Kuatond

    7. Roi Danton

    8. A-Kuatond

    9. Roi Danton

    10. Perry Rhodan

    11. Roi Danton

    12. Perry Rhodan

    13. Roi Danton

    14. Perry Rhodan

    15. Roi Danton

    16. Perry Rhodan

    17. Perry Rhodan

    Impressum

    PERRY RHODAN – die Serie

    Vorwort

    Eigentlich will die Besatzung der SOL so schnell wie möglich in die heimatliche Milchstraße zurückkehren. Doch ein Bote der Kosmokraten macht ihnen klar: Die Menschen an Bord können nur nach Hause, wenn sie zuvor eine wichtige Aufgabe für die Hohen Mächte erledigen.

    Perry Rhodan und seine Gefährten kommen einem ungeheuerlichen Geheimnis auf die Spur: Die Truppen der Chaosmächte arbeiten an einer Maschine, die ganze Galaxien gefährden könnte. Nur Perry Rhodan kann sie stoppen  – als ehemaliger Ritter der Tiefe stellt er sich gegen die Ritter des Chaos ...

    PERRY RHODAN-Mission SOL 2 ist eine Miniserie, die nach Exposés von Kai Hirdt entsteht. Sie ist in sich abgeschlossen: zwölf Science-Fiction-Romane voller Sense Of Wonder!

    img1.jpgimg2.jpg

    Nr. 1

    Ritter des Chaos

    Entführt in eine fremde Galaxis – ein mörderisches Volk und ein überlegener Gegner

    Kai Hirdt

    Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

    SOL – dieser Name hat einen ganz besonderen Klang in der 3000-jährigen Geschichte der terranischen Raumfahrt. Das hantelförmige Kombinationsschiff spielt immer wieder eine entscheidende Rolle im schicksalhaften Konflikt zwischen den kosmischen Mächten der Ordnung und des Chaos.

    Im Jahr 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist Perry Rhodan, der die Menschheit von Beginn an ins All begleitet hat, in eine ferne Galaxis versetzt worden. Dort hat er die seit Langem verschollene SOL und ihre Besatzung aus einer Chaoszone gerettet.

    Eigentlich wollen die Menschen an Bord nun so schnell wie möglich in die heimatliche Milchstraße zurückkehren. Aber ein Bote der Kosmokraten macht ihnen klar: Sie können nur nach Hause, wenn sie zuvor eine wichtige Aufgabe für die Hohen Mächte erfüllen.

    Ihr Ziel ist der Herrschaftsbereich einer Superintelligenz, deren Helfer zweifelhafte Aktivitäten entwickeln. Perry Rhodan und seine Gefährten brechen auf ins Unbekannte. Dort erwarten sie entweder Hüter der Ordnung – oder RITTER DES CHAOS ...

    Die Hauptpersonen des Romans

    Perry Rhodan – Der Terraner bricht auf ins Ungewisse.

    A-Kuatond – Die Ritterin kämpft mit einem inneren Zwiespalt.

    Tess Qumisha – Die Hyperphysikerin erhält eine neue Aufgabe.

    Trurull – Der Truvaud trifft eine verhängnisvolle Entscheidung.

    1.

    Du wirst sofort zur SOL zurückkehren.

    Euch steht eine weitere Reise bevor.

    Die Worte des kleinen Androiden Eroin Blitzer hallten in der runden Steinkammer an Bord des Raumschiffs LEUCHTKRAFT nach.

    Perry Rhodan blickte auf das künstliche Wesen mit den unverhältnismäßig großen Augen hinab. Er war hin- und hergerissen zwischen Verblüffung und Zorn. Blitzer hatte einen einfachen, klaren Befehl erhalten, und der lautete: »Bring Perry Rhodan heim in die Milchstraße.«

    Das war schlecht misszuverstehen als: »Zwinge ihn und seine Besatzung zu einem neuen Einsatz viele Millionen Lichtjahre von seiner Heimat entfernt.« Doch genau das versuchte der Androide vor ihm gerade.

    »Die Bitte ist gering«, sprach Blitzer ungerührt weiter, »angesichts der Verheerungen, die du auf Evolux angerichtet hast. Berücksichtigt man die Alternative, dürfte die neue Aufgabe sogar in deinem Interesse sein.«

    »Was heißt das: ›die Alternative‹?« Feindselig starrte Rhodan seinem Gegenüber ins Gesicht, in die beiden riesigen Augen.

    Augen, die immer größer zu werden schienen. Sich zu einem großen Kreis, einem großen Wirbel verbanden. Einem Wirbel, der Rhodan anzog, in sich hineinriss und verschlang.

    *

    Perry Rhodan war nicht mehr auf der LEUCHTKRAFT, nicht bei Eroin Blitzer. Er war im All. Nackt. Ungeschützt der Kälte des Raums ausgesetzt.

    Er kämpfte gegen die Panik. Jeder Raumfahrer wusste, was ein Aufenthalt im Vakuum bedeutete: Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt würde er in zwanzig, maximal dreißig Sekunden das Bewusstsein verlieren. Danach hatte er noch zwei bis drei Minuten zu leben, wenn er nicht rechtzeitig geborgen wurde. Anschließend würde seine Leiche langsam gefrieren, während seine ungeschützte Haut unter der Strahlung von fünf Sonnen verbrannte.

    Seine Augen wurden trocken. Die Tränenflüssigkeit verdunstete. Er hätte die Lider zukneifen sollen, um nicht zu erblinden, doch er war zu entsetzt von dem, was er sah: die fünf Sonnen des Evosystems. Fünf von ehemals acht. Drei waren durch Rhodans Eingreifen erloschen.

    Zwischen den verbliebenen Sternen hing die jupitergroße Werftwelt Evolux. Tiefe Risse zogen sich durch die Planetenkruste. Rhodan konnte sie mit bloßem Auge vom All aus erkennen. Das bedeutete, sie mussten Hunderte, eher Tausende Kilometer breit sein. Evolux kollabierte, da sich die unmögliche Welt ohne die Energie ihrer Sonnen nicht mehr stabilisieren konnte.

    Vor dem hellen Hintergrund des Planeten schwebte ein tiefschwarzer Punkt: die NEUBEGINN, das mehr als eintausend Kilometer durchmessende Kosmokratenschiff.

    Eroin Blitzer hatte angekündigt, dass die Kosmokraten eine Wiedergutmachung von Rhodan verlangen würden, und die NEUBEGINN war ein mächtiges Mittel, um Forderungen jeder Art durchzusetzen. Rhodan wusste nicht viel über den Kommandanten dieses Schiffs, das ganze Sonnensysteme einfach auflösen konnte. Er konnte ihn nur anhand seiner Taten beurteilen, und die waren gleichermaßen kompromisslos wie schwer vorauszuahnen.

    Das ist falsch!, dachte Rhodan. Die NEUBEGINN hat das System verlassen! Aber er sah sie mit eigenen, schmerzenden Augen.

    Zu guter Letzt: die SOL. Das goldfarbene, acht Kilometer lange, hantelförmige Raumschiff. Die Legende, die mehr fremde Orte bereist und an mehr kosmischen Brennpunkten agiert hatte als jede andere Einheit der Menschheit.

    Ohne Warnung eröffnete die NEUBEGINN das Feuer. Die mächtigen Schutzschirme der SOL bauten sich gar nicht erst auf. Der Mythos verging in drei gewaltigen Explosionen, erst die beiden Kugelzellen außen, dann der zylinderförmige Mittelteil, der sie verbunden hatte.

    Rund zehntausend Menschen hatten sich an Bord befunden, unter ihnen Roi Danton, Perry Rhodans Sohn. Eben hatten sie gelebt. Nun waren sie tot.

    Es wurde schwarz um Rhodan. Hatte er es doch noch geschafft, die Lider zu schließen? Oder war das einfach die Schwärze des Todes, die sich über ihn senkte?

    *

    Mit einem Schrei stürzte Perry Rhodan auf die Knie. Er kam zu Eroin Blitzers Füßen zur Besinnung, genau dort, wo sie eben noch gestritten hatten. Seine Kleidung war wieder da. Alles war wie vor dem unfreiwilligen Ausflug, nur seine trockenen Augen brannten. Sein Blick war verschwommen und aus dem Fokus, sodass er den Unterkörper des Androiden doppelt sah.

    Ich war nie fort, begriff er. Es war nur eine Vision. Eine Projektion in meine Gedanken. Doch sie hatte eine solche suggestive Macht entfaltet, dass er zitterte. Er spürte die Kälte des Weltraums in allen Gliedern, obwohl er wieder geborgen war, in der Kaverne an Bord der LEUCHTKRAFT.

    »Was war das?«, fragte er entsetzt. »Was habe ich da gesehen?« Er blinzelte ein paarmal, um sich zu vergewissern, dass seine Augen weder vertrocknet noch gefroren waren.

    Sein Blick klärte sich und bereitete Rhodan eine Überraschung: Er hatte nicht doppelt gesehen. Neben Blitzer stand eine identische Kopie des Kunstwesens. Gleiche Größe, gleiches Aussehen: zwei Männer mit gelblicher Haut, von der Größe eines Kindes und mit großen, gleichfalls kindlichen Augen, jedoch mit den Runzeln und Falten eines Greises. Das Gesicht glich dem eines Menschen, jedoch wirkte es ungewöhnlich flach. Auch die Kleidung der beiden Blitzers war identisch, ein dunkelblau glänzender Einteiler mit steifem, hellblauem Kragen.

    Mit welchem von beiden hatte er gesprochen?

    »Das war die Zukunft«, antwortete der linke Blitzer ohne erkennbare Gemütsregung.

    »Die Zukunft?«, verlangte Rhodan zu wissen. »Oder eine mögliche Zukunft?«

    »Eine mögliche«, bekam er zu hören. »Vielleicht sogar die einzig mögliche. Sicher können wir es nur sagen, wenn sie nicht eintritt. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn du die neue Mission annimmst.«

    Rhodan resignierte. »Also gut«, sagte er bitter. »Ich tue, was ihr wollt – bevor eintrifft, was ich gerade gesehen habe. Bist du dann zufrieden? Oder die LEUCHTKRAFT? Oder die NEUBEGINN, oder wer auch immer sich das ausgedacht hat?«

    »Ja«, antwortete der linke Androide schlicht.

    »Ich weiß nicht, wie man dieses Schiff verlässt«, merkte Rhodan an. »Die Wege führen jedes Mal an andere Orte, wenn man sie geht.«

    Zum ersten Mal regte sich der rechte Eroin Blitzer. »Es gibt Millionen Möglichkeiten!« Er klang ehrlich überrascht. »Das macht es doch so einfach. Folge mir!«

    Der Androide ging voraus. Perry Rhodan blieb dicht hinter ihm, verließ die steinerne Höhle, die sich so merkwürdig deplatziert ausnahm auf einem Raumschiff, das der menschlichen Technik um Jahrzehntausende, vielleicht sogar um Jahrmillionen voraus war. Der Steingang wurde irgendwann zu einem Metallgang, dann zu einem durchscheinenden, stabilen Energiefeld im All.

    Zu Fuß legten sie den Weg durch den freien Raum zurück, zwei winzige Punkte in der Unendlichkeit. Vor ihnen wurde ihr Ziel größer und größer: die goldene Hantel.

    Die Kobaltblaue Walze der LEUCHTKRAFT blieb hinter ihnen zurück. Sie war Vergangenheit, zumindest für den Augenblick. Vor ihnen lag die Zukunft – die einzig mögliche.

    Die SOL.

    2.

    Die Schlachtspitze stand unbemerkt am Rand des Skiwsystems und ortete. Der Tarnschirm des Pyramidenschiffs war undurchdringlich.

    Das galt zumindest für die Truvaud, die als Geißel ins System eingefallen waren. Für die Skiw sowieso. Die Urbevölkerung hatte schon ihren Angreifern technisch nichts entgegenzusetzen. Wie hätten die plumpen Instrumente dieses Volkes da ein getarntes Ritterschiff erfassen sollen?

    A-Kuatond beobachtete den Verlauf des Gefechts. Die kleinen, pfeilförmigen Raumgefährte der Skiw hatten keine Chance gegen die Truvaud. Die Verteidiger kolonisierten erst seit einigen Jahrzehnten die Welten ihres Heimatsystems. Ihre Schiffe dienten dem Transport von Mannschaften und Frachtgut, waren oft Wochen ohne Kursänderung unterwegs. Bordwaffen hatten sie auf diesen Reisen nie gebraucht.

    Dann waren die Truvaud gekommen, angelockt von den Energieemissionen einer knospenden Zivilisation. Sie fielen über das Skiwsystem mit ihren wendigen Sichelraumern, ihren Überlichtantrieben sowie ihren Thermo- und Impulsstrahlern her. Wenn ihnen niemand Einhalt gebot, würden sie die Skiw genauso ausrotten wie zuvor die Marrab, die Kefinga und die Kussu.

    Dazu jedoch würde es nicht kommen. BARIL hatte entschieden, der Aggression ein Ende zu setzen. Die Truvaud waren zur Gefahr für die Harmonie und das Gleichgewicht in diesem Sektor von Yahouna herangewachsen. Die Stimme BARILS hatte unter anderem A-Kuatond beauftragt, das Problem dauerhaft zu lösen.

    Sie studierte die Angriffsmuster der Sichelraumer. Sie spielten ihre Überlegenheit gnadenlos aus und jagten die Skiw, wild und ohne jede Formation, die ihnen bei einer unerwarteten Wendung die Verteidigung erleichtert hätte. Auf den Gedanken, dass eine dritte, stärkere Partei eingreifen könnte, kamen die Raumerbesatzungen überhaupt nicht. A-Kuatond würde leichtes Spiel haben.

    »Du bist unzufrieden, Ritterin«, stellte Kalphatt Udimor neben ihr fest. Ihr Orbiter betrachtete nicht nur die taktischen Holos. Zwei seiner acht Augenfinger waren zu A-Kuatond gedreht und sahen zu ihr empor. Der Körper und die meisten anderen Augen ihres wichtigsten Helfers blieben auf das Taktikholo ausgerichtet.

    So unersetzlich Udimor war, manche Dinge konnte A-Kuatond nicht dulden. »Verschwinde aus meinem Kopf!« Die Krallen ihrer Rechten blitzten kurz im Licht der Hologramme auf.

    Ihr Orbiter ließ sich davon nicht beeindrucken. »Ich muss nicht in deinen Gedanken schnüffeln. Es reicht, deine Körpersprache zu beobachten. Du würdest am liebsten irgendetwas in winzige Splitter zerhäckseln und auf die Überbleibsel eindreschen, bis nur noch Staub übrig ist.«

    »Und kann man es mir verdenken?« Anklagend deutete sie auf das Holo. »Die Truvaud sind die Geißel dieses Raumsektors. Aggressive Expansoren. Gut organisierte Mörder. Man sollte meinen, sie wüssten mehr über Kampfstrategie!«

    »Du willst sie also ohne Vorwarnung vernichten«, folgerte Udimor.

    »Nein, ich will sie bekämpfen«, korrigierte A-Kuatond.

    »Angesichts unserer Überlegenheit läuft das auf dasselbe hinaus.«

    »Und genau das ist das Problem!« A-Kuatond gierte nach einer Schlacht, einer epischen Bataille mit Opfern auf beiden Seiten. Mit Verzweiflungstaten, wechselndem Kampfglück und dem befriedigenden Gefühl eines hart erkämpften Siegs. Das allerdings war nicht zu erwarten, sofern die Truvaud nicht noch etwas Erstaunliches taten.

    Zunächst jedoch waren sie selbst die Überraschten. A-Kuatonds Schlachtspitze flog zwischen die Fronten und enttarnte sich. Statt den kleinen Einheiten der Skiw sahen sich die Truvaud plötzlich einem berggroßen, gleichseitigen Tetraeder gegenüber, umgeben von einer schillernden Energieschale. Unangreifbar. Auch wenn ihnen das noch nicht bewusst sein mochte.

    »Du kannst zu ihnen sprechen«, sagte der Orbiter.

    Gereizt aktivierte A-Kuatond die Übertragung, die in allen feindlichen Schiffen eingehen und überall auf dem Planeten Skiw bezeugt werden sollte. Sie musste nun ihr Ultimatum stellen. Die Stimme BARILS hatte ihr eindeutige Anweisungen gegeben.

    Alles in ihr sträubte sich dagegen. Wenn die Truvaud kapitulierten, wäre A-Kuatond ganz um ihre Schlacht gebracht. Aber sie hatte keine Wahl. Sie präsentierte sich in der ganzen Macht und Kraft einer Kriegerin der Zentrifaal: die Krallen der rechten Hand offen sichtbar, der Muskellappen der linken zur Faust zusammengezogen, das Haupt mit dem schwarzen Augenband hoch erhoben.

    »Truvaud.« Sie sprach sachlich, ohne jedes Pathos. »Ihr werdet geerntet. Fügt euch, dann wird das Ende leicht. Kämpft, und ihr werdet das gleiche Leid erfahren, das ihr über drei Völker Yahounas gebracht habt und heute über das vierte bringen wolltet. Egal wie ihr euch entscheidet, das Ergebnis wird dasselbe sein. BARIL wird eure Schreckensherrschaft beenden, hier und heute.«

    Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Alle gut eintausend Kampfschiffe der Truvaud ignorierten die wehrlosen Skiw und warfen sich auf den einen, großen Gegner.

    A-Kuatond stieß einen Triumphschrei aus. Die Schlacht mochte kurz werden, aber sie fand statt!

    BARILS Ritterin gab den Befehl zum Split. Ihre Schlachtspitze teilte sich: Aus dem gleichseitigen Tetraeder wurden vier Vierflächner von halber Höhe und zwei Pyramiden mit quadratischer Basis, die Quapyrspitzen. Die vier neuen Tetraeder teilten sich auf dieselbe Weise, und so wurden aus sechs Einheiten schon 26.

    Bei Split-3 waren es dann 106 Raumschiffe, danach 426. In der folgenden Stufe hatte A-Kuatond die zuvor eine große Schlachtspitze in 682 unterschiedlich große Quapyrs und 1024 kleine Tetraeder verwandelt, von denen es jeder einzelne dem Format nach mit den Einheiten der Truvaud aufnehmen konnte – bei erheblich besserer Offensiv- und Defensivbewaffnung.

    Die Truvaud waren in kürzester Zeit von Angreifern zu Verteidigern geworden. Feuerlohen strahlten auf, wenn eins ihrer Schiffe explodierte; nur einen Augenblick lang, bis der Sauerstoff der detonierenden Einheit verbraucht war. Doch das Geschehen wiederholte sich so häufig, dass es in der heißen Zone taghell blieb.

    »Sie kapitulieren«, berichtete Udimor. »Bedingungslos. Sie erwarten deine Befehle.«

    »Was?«, brüllte A-Kuatond auf. »Schon? Diese Feiglinge! Diese ehr- und rückgratlosen Verbrecher!«

    »Sie tun genau, was du von ihnen verlangt hast«, gab Udimor zu bedenken.

    Erneut ballte A-Kuatond die Lappenhand zur Faust. Ihr Orbiter hatte recht.

    Sie wollte weiterkämpfen, doch BARILS Stimme war deutlich gewesen. Sie sollte möglichst viele Truvaud ernten. Das war nicht möglich, wenn sie alle in der Raumschlacht starben.

    »Weise ihnen eine Landezone auf dem vierten Planeten zu. Nahe der Kolonie der Skiw. Aber nicht so nah, dass sie mit einer dummen Heldentat Schaden anrichten können. Alle Truvaud haben ihre Schiffe zu verlassen und sammeln sich unter freiem Himmel.«

    »Sie werden versuchen, uns zu betrügen«, warnte Udimor. »Einige werden an Bord ihrer Raumschiffe bleiben, sich verstecken und einen Gegenschlag vorbereiten.«

    »Und wir werden sie ausfindig machen«, versetzte A-Kuatond. »Jeden Einzelnen von ihnen. Und dann ...«

    Sie zeigte ihre glänzenden Krallen.

    *

    Wenn eintausend Raumfahrzeuge dicht an dicht landeten, benötigten sie nicht viel Fläche. Die Flotte der Truvaud, die eine ganze Zivilisation hatte ausrotten sollen, fand vollständig auf einer kleinen Ozeaninsel Platz, die Kalphatt Udimor ausgewählt hatte. A-Kuatond hatte die Schlachtspitze in den Zustand Split-1 zurückbefohlen: sechs Großschiffe. Das reichte, um Fluchtversuche zu unterbinden und die Ernte einzufahren.

    A-Kuatond landete mit einem Tetraeder. Ein weiterer holte einige Hundertschaften Skiw aus dem nahe gelegenen Kuppelhabitat, die das überraschende Ende des Truvaudfeldzugs mitverfolgen und künftig BARIL lobpreisen sollten. Die anderen beiden Vierflächner sicherten den Luftraum.

    Die zwei Quapyrs projizierten gemeinsam das Portal auf einen frei gebliebenen Platz im Zentrum des improvisierten Landefelds. Der gleißende Energiebogen reichte weit in den Himmel, hoch und breit genug, dass die Truvaud hätten hindurchfliegen können. Doch das war nicht vorgesehen. Sie würden das Portal zu Fuß durchschreiten, mit in Demut geneigten Häuptern.

    A-Kuatond missfiel der Ernteplan. Ein geschlagener Gegner war gut. Der Sieger hatte Ruhm errungen, und der Unterlegene mochte aus der Niederlage lernen, gestärkt zurückkehren und einen noch würdigeren Kampf liefern.

    Ein vernichteter Gegner tat nichts von alledem. Doch BARILS Stimme hatte diesen Einwand einfach weggewischt. Das Ende der Truvaud war beschlossen.

    A-Kuatond selbst würde die wenigen Individuen ernten, die sich ins Skiwsystem gewagt hatten. Die Truvaud hegten wohl die irre Hoffnung, der Rest ihres Volkes könnte verschont bleiben. Im Moment der Landung hatten sie die Positroniken all ihrer Schiffe zerstört, um die Lage ihrer anderen Welten zu verbergen.

    Doch die waren längst bekannt. A-Kuatonds Ordensbrüder und -schwestern widmeten sich bereits den ausgebluteten Welten der Marrab, Kefinga und Kussu. Die Stimme selbst kümmerte sich um Truv, die Heimatwelt dieser Geißel des Lebens.

    Interessiert beäugte A-Kuatond den ersten Truvaud, den sie leibhaftig und nicht nur auf Hologrammen sah. Ihrem Orbiter war es in kürzester Zeit gelungen, Errirare ausfindig zu machen, den sogenannten Torrov, den Kommandanten der Eroberungsflotte.

    Der Truvaud wirkte kaum wie ein intelligentes Wesen: ein gedrungener Vierbeiner mit borstigem, braunem Fell und Hauern, die aus dem Unterkiefer emporragten, vorspringender Schnauze und roten Augen mit winzigen Pupillen. Er sah aus wie ein wildes Tier.

    Passend, befand A-Kuatond. So verhielten sich die Truvaud schließlich auch. Nur dass sie überlichtschnelle Raumschiffe und Energiewaffen nutzten, um ihre animalischen Triebe auszuleben.

    Sie hatte es den Skiw überlassen, den Torrov zu verhaften. Die Geretteten sollten die Gnade, die BARIL ihnen erwies, in vollen Zügen genießen. Das schloss die Möglichkeit ein, den besiegten Feind zu demütigen.

    Die Skiw kosteten die Gelegenheit aus: Vier große, violette Kopffüßler auf hohen, schlanken Extremitäten führten Errirare zu A-Kuatond. Einer riss an der Kette um dessen Hals, die anderen richteten einen Schockstrahler auf den Torrov.

    »Sie warten nur darauf, dass er auszubrechen versucht«, informierte Udimor. »Sie brennen darauf, ihm Schmerzen zuzufügen.«

    Diesen Gefallen tat Errirare ihnen jedoch nicht. Widerwillig, aber ohne aktives Aufbegehren ließ er sich der Siegerin vorführen.

    »Das Universum strebt nach Gleichgewicht.« Fast beiläufig legte sie dem Verlierer diese allgültige Wahrheit dar. »Wer Leid verbreitet, wird Leid erfahren.«

    »Warum tut ihr uns das an?«, klagte der Torrov.

    »Nicht wir«, erwiderte A-Kuatond. »Ihr selbst habt die Schuld angehäuft. Wir sorgen nur für den Ausgleich.«

    »Tötet uns nicht!«, bettelte der Torrov. »Wir haben einen Fehler gemacht, einen furchtbaren Fehler! Wir werden es wiedergutmachen, aber tötet uns ni...!«

    Mit der Geste eines Krallenfingers schnitt A-Kuatond ihm das Wort ab. »Das würde mich interessieren«, sagte sie kühl. »Wie willst du drei Völker ins Leben zurückholen, die ihr ausgerottet habt?« Sie hob den Kopf des Torrov, indem sie eine messerscharfe Kralle unter sein Kinn platzierte und sanft nach oben zog.

    Errirare antwortete nicht.

    »Das dachte ich mir.« A-Kuatond rückte ein wenig beiseite, sodass der Torrov das Portal hinter ihr sehen konnte. »Ihr werdet ins Nichts gehen. Alle.«

    »Vier«, unterbrach ihr Orbiter. »Er hat für einen winzigen Moment daran gedacht – sie haben vier Völker ausgerottet. Es gibt eine Truvaudkolonie, von der wir noch nichts wissen.«

    A-Kuatonds Zorn brach sich Bahn. Mit der Linken griff sie Errirare an der Brust, hob ihn in die Höhe, legte die Krallen der Rechten unter sein Kinn.

    »Wo?«, schrie sie ihm ins Gesicht.

    Udimor schloss alle acht Augen. »Er hat seine Gedanken abgeriegelt.«

    A-Kuatond ritzte die Haut an Errirares Hals. Dunkles Blut lief über ihre Krallen. »Wo?«, fragte sie mit erzwungener Ruhe. »Du machst es dir einfacher, wenn du es schnell verrätst.«

    Errirare überraschte sie. Der Truvaud hob kurz das Kinn, dann rammte er den Kopf abwärts auf A-Kuatonds Hand, spießte sich an ihren Krallen auf.

    Sie schrie vor Überraschung und Ärger auf. Dann holte sie aus und warf den Körper des Truvaud mit einer einzigen, kraftvollen Bewegung in das gleißende Portal, über die Köpfe der Skiw hinweg. Er passierte den Lichtbogen, noch bevor er sein Leben aushauchen konnte.

    »Ärgerlich«, befand Udimor.

    »In der Tat.« A-Kuatond wandte sich dem Skiw zu, der Errirares Kette gehalten hatte. »Die Entwicklung macht eine Heldentat notwendig. Folge ihm!«

    »Aber ...« Der Skiw war größer als A-Kuatond, aber geradezu zerbrechlich gegen die Ritterin. Seine langen Beine zitterten. »Ich dachte, das ist tödlich.«

    »Ist es«, bestätigte A-Kuatond. »In gewissem Sinn. Aus anderer Perspektive wirst du feststellen, dass der Tod nur eine temporäre Unannehmlichkeit ist. Also folge ihm. Oder willst du verantwortlich sein, dass die Truvaud irgendwann zurückkehren und euer Volk endgültig ausrotten?«

    Der Skiw hatte mehr Mut, als sie ihm zugetraut hatte. Zitternd ging er ins Licht.

    A-Kuatond und Udimor warteten. Die Ritterin sah ihren Orbiter gelassen an.

    »Ich spüre sie«, sagte Udimor schließlich. »Ihre Geister vereinen sich.« Seine Augenstängel begannen zu zittern. »Der Skiw ist für mich offen. Ich sehe, was er sieht, und er sieht, was Errirare zu verbergen sucht.«

    Geduldig wartete A-Kuatond weiter.

    »Dunkler Himmel«, ergänzte Udimor nach einer Pause. »Sterne, viele Sterne. Unbekannte Formationen. Sie ...« Ein Zögern. »Nein, nichts mehr. Sie sind verweht.«

    Das machte nichts. Ihr Orbiter mochte den Nachthimmel der geheimen Welt nicht erkennen, aber er würde sich an ihn erinnern und konnte die Konstellationen nachzeichnen.

    Danach lag es in BARILS Hand. Sie würde die letzte Welt der Truvaud finden und die Ernte einbringen lassen.

    Zufrieden sahen A-Kuatond und Kalphatt Udimor zu, wie die Skiw die Truvaud ins Portal trieben.

    3.

    Das Treffen fand im SOL-Mittelteil statt, dem Herzstück des Hantelschiffs; allerdings weitab von der Zentrale. So hatte es Roi Danton als Expeditionsleiter entschieden. Rhodans Sohn war schon nicht glücklich darüber gewesen, dass sein Vater den Androiden ohne weitere Überprüfung mit an Bord gebracht hatte. Zugang zum Kontroll- und Nervenzentrum des Raumschiffs sollte er aber auf keinen Fall erhalten.

    Rhodan hatte die Entscheidung achselzuckend zur Kenntnis genommen. Er verstand die Überlegung dahinter. Andererseits waren Eroin Blitzer und sein Zwilling Erzeugnisse eines Kosmokratenschiffs, welches wortwörtlich fußläufig zur SOL im All driftete. Wenn die Erbauer der LEUCHTKRAFT den Menschen an Bord übelwollten, waren sie sicher nicht darauf angewiesen, auffällig einen Agenten einzuschmuggeln.

    Im Besprechungsraum hatte sich versammelt, wer von der Führungsebene aus der vorigen Krise übrig geblieben war: Roi Danton als Expeditionsleiter. Tess Qumisha als Hyperphysikerin, die das hochkomplexe, multidimensionale Geschehen im Evosystem von allen an Bord am ehesten verstand. Und Perry Rhodan selbst.

    Rhodan versuchte, nicht an die klaffenden Lücken in der Runde zu denken. Curcaryen Varantir hatte der Menschheit wieder einmal den Rücken gekehrt. Mahlia Meyun hatte sich zurückgezogen und konzentrierte sich auf ihre Aufgaben als Medikerin.

    Fee Kellind war tot.

    Mehr als zweihundert Jahre lang war sie nicht nur die Kommandantin, sondern ebenso das Gesicht der SOL gewesen. Rhodan konnte sich eine Mission ohne sie kaum vorstellen. Doch genau das stand dem Raumschiff und seiner Besatzung gerade bevor.

    Rhodan war ziemlich sicher, dass ihn nicht Blitzer selbst, sondern die baugleiche Kopie begleitet hatte. Zwar nannte sich auch dieser Androide Eroin Blitzer. Er sprach jedoch ohne die unterschwellige Aggression seiner Vorlage und war deutlich freigebiger mit verwertbaren Auskünften.

    »Das Ziel liegt in der Galaxis Yahouna«, erläuterte er. »Sie gehört zur Mächtigkeitsballung der Superintelligenz BARIL.«

    »Nie gehört«, gestand Rhodan ein. »Beides.«

    Blitzer ignorierte ihn einfach. In Sachen Benimm glich er also seinem Zwilling.

    »BARIL ist seit Jahrzehntausenden ein treuer Verbündeter der Kosmokraten«, fügte er hinzu. »Sie bekämpft das Chaos in ihrer Mächtigkeitsballung. In jüngerer Zeit mehren sich allerdings Zweifel an BARILS Verlässlichkeit.«

    Danton hob die Hand. »Was genau bedeutet aus Sicht der Kosmokraten ›in jüngerer Zeit‹?«

    Blitzer wandte Rhodans Sohn den Kopf zu und betrachtete ihn etwas zu lange, während sich unbehagliche Stille im Raum ausbreitete. »Normalerweise einige Jahrtausende. In diesem Fall sprechen wir aber von einer ganz jungen Entwicklung. Die ersten besorgniserregenden Meldungen sind keine zweihundert Jahre alt.«

    Rhodan runzelte die Stirn. Ein Zellaktivator sorgte dafür, dass sein Körper nicht alterte oder erkrankte. Dem Kalender nach war er mehr als dreitausend Jahre alt. Sein wirkliches Alter wich infolge diverser Zeitreisen noch einmal von diesem Wert ab, sodass er längst den Überblick verloren hatte, wie lange er eigentlich exakt lebte. Aber selbst wenn man all das berücksichtigte: Etwas, das zwei Jahrhunderte zurücklag, war in seinen Augen keine »junge Entwicklung«.

    »Und was erregt das Misstrauen der Hohen Mächte?«, fragte er.

    »BARIL leistet sich einen Ritterorden«, antwortete der Androide. »Ähnlich den Rittern von Dommrath, die ihr kennt. Nicht so einflussreich wie die Ritter der Tiefe, denen du einst angehört hast. Aber in BARILS Mächtigkeitsballung sind diese Ritter ein erheblicher Faktor. Ausgewählte Individuen mit sehr speziellen Talenten und außergewöhnlicher Ausrüstung, fähig, BARILS Willen durchzusetzen. Die Handlungen dieser Ritter sind seit zweihundert Jahren ... ungewöhnlich.«

    »Was soll das heißen?« Danton machte keinen Hehl aus seiner Irritation.

    »Sie passen nicht zu den Erwartungen der Kosmokraten«, sagte Blitzer orakelhaft.

    »Sie haben sich also nicht konkret auf die Seite der Gegner geschlagen«, vergewisserte sich Rhodan, »sondern ... was? Sie zeigen Individualität? Tanzen aus der Reihe?«

    »Das ist eine Interpretation«, bejahte der Androide. »Einiges spricht sogar dafür. Allerdings gibt es eine andere mögliche Erklärung, die sich ebenfalls mit den Fakten deckt: dass BARIL die Seiten gewechselt hat und für die Chaotarchen agiert. Die Kosmokraten befürchten, dass BARILS Ritter eine machtvolle Waffe schaffen.«

    Danton lächelte grimmig. »Und da kommen wir ins Spiel, nehme ich an?«

    Blitzer bestätigte. »Die Aufgabe der SOL wird sein, die wahren Intentionen der Ritter von BARIL aufzudecken.«

    »Und dann?«, fragte Qumisha unverhohlen misstrauisch.

    »Je nach Ergebnis werdet ihr weitere Instruktionen erhalten.«

    Nun platzte Qumisha der Kragen. »Wir sind keine Befehlsempfänger!«, brach es aus ihr heraus. »Die Menschheit ist seit Langem aus dem Dienst der Kosmokraten ausgetreten. Gerade die SOL hat sich freigekämpft und einen hohen Preis dafür gezahlt! Was fällt dir ein, uns, ausgerechnet uns auf genau diesem Schiff, eine solche ...«

    »Nicht mir«, unterbrach Blitzer. »Ich überbringe nur die Botschaft. Aber du hast recht: Ihr seid keine Befehlsempfänger. Die Führung der SOL kann frei entscheiden, ob sie diesen Auftrag annimmt.«

    Rhodan dachte an seine Vision: die Zerstörung der SOL durch die Kosmokrateneinheit NEUBEGINN. »Gehe ich recht in der Annahme«, fragte er, »dass es nicht klug wäre, ihn abzulehnen?«

    »Davon gehe ich aus«, sagte Blitzer.

    »Die SOL ist nicht einsatzbereit«, beharrte Qumisha. »Perry! Wir kommen gerade aus einer ganzen Reihe von Gefechten und haben unsere Kommandantin verloren! Fast jedes zehnte Besatzungsmitglied ist neu an Bord und noch nicht richtig in die Abläufe eingebunden. Die SOL muss zur Ruhe kommen, bevor wir an die nächste Mission auch nur denken!«

    »Stimmt alles«, pflichtete Rhodan ihr bei. »Ich weiß bloß nicht, ob wir uns diesen Luxus leisten können.« Er erzählte von den Bildern, die er gesehen hatte.

    Qumisha initiierte einen Scan der Region, in der Rhodan die NEUBEGINN verortet hatte. Die Ultra-Giraffen genannten Ortungsgeräte der beiden SOL-Zellen erkannten nichts, weder beim Suchen nach fünfdimensionalen Besonderheiten noch bei den Ableitungen für sechsdimensionale Phänomene.

    Der Kantor-Sextant aber, das noch leistungsstärkere Messwerk des Mittelteils, entdeckte Auffälligkeiten im sechsdimensionalen Spektrum. Winzige Regelmäßigkeiten, wo Rauschen hätte sein sollen. Das konnte eine statistische Anomalie sein oder an den besonderen Begebenheiten im Evosystem liegen. Aber konnte man völlig sicher ausschließen, dass sich dort das Kosmokratenschiff verbarg?

    Rhodan sah, dass es in Qumishas Gesicht arbeitete. Auch sie kannte er seit Jahrhunderten und konnte recht gut einschätzen, was ihr durch den Kopf ging. War die Bedrohung real oder eingebildet? Schließlich hatte sie mit allem recht, was sie gesagt hatte. Die Besatzung der SOL brauchte dringend eine Pause.

    »Wir können das nicht«, flüsterte Qumisha schließlich. »Nach allem, was passiert ist. Hundertfünfzig Jahre haben wir außerhalb des normalen Zeitverlaufs in der Proto-Chaotischen Zelle festgesessen. Viele von uns haben dadurch die Kinder verloren, die wir auf diesem Schiff hätten großziehen sollen. Wie sollen wir hier leben, ohne jeden Tag an sie zu denken? Wir müssen nach Hause, in die Milchstraße. Wir müssen von Bord. Wir brauchen ...« Sie brach ab.

    »... einen Neubeginn?«, schlug Blitzer vor.

    Qumisha beherrschte sich. Aber Rhodan sah ihr an, dass sie dem Androiden am liebsten ins Gesicht geschlagen hätte, als er den Namen der Einheit aussprach, die ihrer aller Leben bedrohte.

    Vielleicht konnte er die Mächte hinter Blitzer auf andere Weise von ihrem Plan abbringen. »Ich werde den Auftrag übernehmen«, sagte er. »Aber nicht mit der SOL. Gerade dieses Schiff ist dafür denkbar ungeeignet. Sowohl die Kosmokraten als auch die Chaotarchen haben es beide schon in ihren Dienst gezwungen – man kennt die SOL. Buchstäblich jede andere Einheit, außer vielleicht einer Kobaltblauen Walze, wäre unauffälliger.«

    »Eine korrekte Beschreibung der Fakten«, bestätigte Blitzer gönnerhaft, »aber ein falscher Schluss. Wenn ihr Zutritt zu dem Orden erhalten wollt, müssen die Ritter von BARIL euch zuvor zur Kenntnis nehmen. Es sind ranghohe Diener einer Superintelligenz. Ihr müsst aus der niederen Masse des Lebens an sich herausstechen. Die SOL ist ein gutes Argument dafür.«

    Er machte eine Pause, wie um einen neuen Gedanken zu fassen – oder um jemandem zu lauschen, den niemand außer ihm hören konnte. »Und ihre wechselhafte Geschichte gereicht euch sogar zum Vorteil. Die SOL hat gerade erst eine wichtige Welt der Kosmokraten zerstört. Welch besseren Beleg kann man sich wünschen, dass sie wie BARILS Ritter aufseiten des Chaos steht? Das Schiff ist wie dafür gemacht, ihr Vertrauen zu gewinnen.«

    Mit einem Wink aus dem Handgelenk aktivierte er ein Hologramm. Das Bild zeigte die schon bekannte Konstellation von Evolux, LEUCHTKRAFT und SOL. Neu dazugekommen war ein strahlender, hellblauer Ring im All, ein perfekter Kreis von rund zweihundert Kilometern Durchmesser. Und ein Jetstrahl, der davon ausging und sich in die Unendlichkeit des Weltraums erstreckte.

    »Dieses Ding ...«, fragte Qumisha.

    »... führt nach Yahouna«, beendete Blitzer den Satz für sie.

    »Die Richtung.« Qumisha deutete auf das Holo. Ihre Stimme bebte. »Tare-Scharm liegt siebenunddreißig Millionen Lichtjahre oberhalb der Milchstraßen-Hauptebene. Dieser Strahl führt nicht wieder abwärts, sondern noch weiter weg.«

    »Korrekt«, bestätigte der Androide. »Yahouna ist achtundfünfzig Millionen Lichtjahre von der Galaxis entfernt, die ihr als eure Heimat betrachtet.«

    Qumishas Blick fand Rhodans. Er las das Flehen in ihren Augen. Sie wollte nach Hause, und sie hatte jedes Recht dazu. Blitzer verlangte das genaue Gegenteil. Schon die Reise nach Tare-Scharm über insgesamt 45 Millionen Lichtjahre hatte die SOL fast dreißig Jahre gekostet. Und nun sollten sie sich noch weiter von der Heimat entfernen? Die Kosmokraten mochten sie in kürzester Zeit dorthin versetzen können. Wie die Solaner jedoch zurückkamen, falls sie die Mission überhaupt überlebten, war den Hohen Mächten wahrscheinlich völlig egal.

    Rhodan begann einen letzten Versuch. Roi Danton allerdings war auf dieselbe Idee gekommen. Gleichzeitig sprachen sie: »Wir könnten eine SOL-Zelle ...«

    Sie sahen einander kurz an, dann ließ Rhodan seinem Sohn den Vortritt. »Wir könnten eine SOL-Zelle abkoppeln und nach Yahouna schicken. Der Rest des Schiffs bleibt hier, damit die Besatzung ihre Wunden lecken und einen neuen Kommandanten wählen kann.«

    »Ein interessanter Vorschlag.« Blitzer schloss kurz seine großen Augen. Zwei Sekunden herrschte Stille, dann öffnete er sie wieder. »Interessant, aber abgelehnt. Unsere Passage nach Yahouna steht offen. Es wäre, wie du sagtest, nicht klug, zu warten.«

    Perry Rhodan nickte langsam. Unsere Passage. Das wenig vertrauenswürdige Kunstwesen würde also an Bord bleiben und sie wahrscheinlich auf Schritt und Tritt kontrollieren. Herrliche Aussichten waren das.

    »Mangels anderer Möglichkeiten«, sagte er, »also auf ins Ungewisse!«

    Er sah Tess Qumisha nicht an.

    »Ich danke euch.« Eroin Blitzer vollführte einige weitere Handgesten. Das Holo zeigte, wie sich die SOL in Richtung des blauen Leuchtrings in Bewegung setzte.

    So viel also dazu, dass der obskure Gast das terranische Schiff nicht kontrollieren sollte.

    4.

    Trurull stützte die Vorderläufe auf die Balustrade seines Residenzbalkons und blickte über die Stadt. Seine Stadt, auf seiner Welt.

    Noch wirkte sie nicht besonders truvaud. Die Eltail, die früheren Herren des Diulusystems, hatten schlanke Türme und feine, schmale Brücken bevorzugt. Aber das Bild würde sich ändern. Truvaud bauten kompakter und wuchtiger. Trurulls Untertanen hatten gerade erst begonnen, sich diese Welt zu eigen zu machen.

    »Herr!«

    Trurull drehte sich nicht sofort um, als Korsabs Stimme hinter ihm erklang. Macht und Herrschaft zeigten sich in kleinen Gesten. Nicht Trurulls Stellvertreter hatte zu bestimmen, wann er die Aufmerksamkeit seines Torrov erhielt. Diese Entscheidung traf Trurull selbst.

    Er wartete einige Augenblicke. Korsab wagte es nicht noch einmal, ihn anzusprechen. Gut.

    Huldvoll wandte sich Trurull ihm zu. »Willkommen. Was führt dich zu mir, zu dieser ungewöhnlichen Zeit?«

    »Eine Dringlichkeitsnachricht, Herr.« Korsab fühlte sich sichtlich unwohl in seinem Pelz. Die schwarzen Locken glänzten matt, er schwitzte also.

    Trurull wusste, wieso: Korsab musste seinen Torrov auf ein vermeintliches Versäumnis hinweisen. Eine heikle Situation, und Trurull hatte nicht vor, ihn aus dem Dilemma zu befreien.

    »Aus dem Skiwsystem«, fuhr Korsab fort.

    Noch immer reagierte Trurull nicht.

    »Sie ist seit heute Morgen ungeöffnet.« Korsabs Stimme näherte sich einem Winseln an.

    »Ich weiß«, sagte Trurull leutselig. »Sag mir, Korsab, glaubst du, mir würde so etwas entgehen?«

    Sein Stellvertreter wand sich. »Sicherlich nicht, Torrov!«

    »Dann ist dir klar, dass ich von der Nachricht weiß.«

    »Ich war mir dessen völlig sicher, Herr!«

    Trurull zeigte seine Zähne. »Und warum störst du mich dann?«

    »Die Pflicht, Herr«, sagte Korsab schnell. »Es gehört zu meinen definierten Pflichten, dich damit zu behelligen. Ich möchte es nicht, doch es gilt, den Unteren ein Beispiel zu sein.«

    Trurull schnaubte. Die Pflicht, natürlich. Die Pflicht stand über allem. So zumindest sah es der große Torruval im Heimatsystem, der selbst keine Pflichten kannte, sondern nur Rechte.

    So wie Trurull auf Diulu.

    »Sehen wir uns an, was Errirare will«, sagte er gönnerhaft.

    Korsab entspannte sich. Der Moment der Gefahr war vorüber, Trurull musste seinen Unteren auch Zeiten der Erholung gönnen. Sie durften bloß nie vergessen, wer an der Spitze stand. Sonst würde es ihnen ergehen wie Korsabs Vorgänger, der sich einmal und damit einmal zu oft vergessen hatte.

    Sie verließen den Balkon und kehrten in Trurulls Residenzzimmer zurück. Er hatte alles hinausräumen lassen, was an die Eltail hätte erinnern können. Nur die zu hohe Decke wies noch darauf hin, dass der herrschaftliche Raum nicht immer für einen Torrov der Truvaud bestimmt gewesen war.

    Trurull platzierte sich an der Arbeitsstation und aktivierte das Kommunikatum. Errirares Nachricht war nicht nur einmal, sondern dreimal gesendet worden. Das überraschte Trurull nun doch. Was mochte geschehen sein, dass der widerliche, eitle Emporkömmling ihn so dringend sprechen wollte? Normalerweise hätte sich Errirare eher einen Lauf durchgenagt, als mit Trurull zu sprechen – was durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.

    Das braunfellige Gesicht mit den ungewöhnlich großen Hauern erschien. Die roten Augen zuckten gehetzt nach links und rechts, während Errirare sprach. Wahrscheinlich behielt er irgendwelche Hologramme im Auge.

    »Trurull, wir werden angegriffen!«, sagte er schnell. »Vom Heimatsystem kommt keine Hilfe, aber wir brauchen Unterstützung. Ich bitte dich ...« Errirare schloss kurz die Augen. »Ich flehe dich an, steh uns bei!«

    Trurull strich sich verblüfft über die Schnauze und spürte die vernarbte Haut seiner rechten Gesichtshälfte, wo kein Fell mehr wuchs. Dieser Satz musste Errirare schwergefallen sein.

    »Die Pflicht verlangt es!«, fuhr der Torrov des Skiwsystems fort.

    Trurull ließ die Lefzen flattern. Natürlich musste Errirare den Zauber seiner Hilflosigkeit zerstören. Die Pflicht, die Pflicht, immer die verdammte Pflicht.

    Er beendete die Übertragung und wandte sich Korsab zu. »Da. Ich habe es mir angesehen. Und nun?«

    Sein Stellvertreter wusste, was von ihm erwartet wurde. »Diese lächerliche Figur!«, rief er empört. »Nennt sich einen Torrov und kann nicht einmal gegen diese Skiw bestehen?«

    Trurull wartete.

    Korsab ereiferte sich weiter. »Das geschieht ihm recht! Ein lächerlicher Feldherr. Das ist nur die richtige Strafe dafür, dass er dein Heldentum infrage gestellt hat!«

    Ganz genauso sah Trurull das auch. Nun, nachdem das geklärt war, konnte man sich dem Inhalt von Errirares Hilferuf widmen. Denn leider hatte Trurulls ewiger Konkurrent in einem recht: Es war tatsächlich seine verdammte Pflicht, zu helfen.

    »Frag ihn, welche Unterstützung er benötigt«, wies er Korsab an. Er gab seinen Platz frei und winkte seinen Stellvertreter mit einer lustlosen Geste ans Kommunikatum.

    Korsab nahm Platz und bearbeitete das Gerät.

    Wachsend irritiert, wie es Trurull schien. »Was ist los?«

    »Er antwortet nicht.« Erneut versuchte Korsab einige Schaltungen. »Niemand aus dem Skiwsystem antwortet.«

    Trurull rempelte Korsab rüde beiseite und probierte es selbst. Aber sein Stellvertreter hatte recht. Von Errirares Kolonie gab es kein Lebenszeichen.

    Auf einmal hörte er das Blut durch seine Adern rauschen. Hatte er einen Fehler begangen? Hätte er früher auf Errirares Nachricht reagieren müssen?

    Zweifellos hätte er das. Höchste Dringlichkeitsstufe, und er hatte den Hyperfunkruf einen halben Tag lang ignoriert. Wie würde man in der Heimat auf diesen Pflichtverstoß reagieren? Normalerweise gar nicht. Aber wenn auf Skiw wirklich etwas geschehen war?

    »Wir kontaktieren Truv!«, entschied er. »Wir ...«

    Wieder fühlte er über seine vernarbte Haut. Er brauchte zunächst eine Geschichte. Er musste etwas erfinden. Das war ihm schon vor seiner Verletzung schwergefallen, und inzwischen war es ihm völlig unmöglich. Das dafür nötige Hirnareal hatte zu schweren Schaden davongetragen.

    »Ja, Herr«, sagte Korsab ohne Zögern. »Wir hatten eine technische Störung und melden, dass die Kolonie jetzt wieder erreichbar ist. Die Anlagen der Eltail sind tückisch, und sie verursachen immer wieder Fehler, die wir nur dank deines Genies so schnell in den Griff bekommen.«

    Trurull betrachtete Korsab misstrauisch. Machte sich sein Stellvertreter über ihn lustig?

    Egal, zumindest für den Augenblick. Es gab gerade Wichtigeres.

    Er versuchte, die Heimat zu erreichen. Doch auch dorthin bekam er keinen Kontakt. Trurulls Rückenfell stellte sich auf. Was geschah da?

    »Ist das Kommunikatum tatsächlich defekt?«, fragte er.

    Korsab ließ verblüfft die Lefzen hängen. »Nein!« Auf diese überzeugte Meinung folgte die vorsichtige Einschränkung: »Nicht, dass ich wüsste, jedenfalls.«

    Trurull probierte es bei den anderen Kolonien. Kussu antwortete nicht, Kefinga antwortete nicht, Marrab antwortete nicht. Truv und Skiw blieben ebenfalls stumm, auch beim nächsten Versuch.

    »Die Anlage ist defekt!«, bellte Trurull seinen Stellvertreter an. »Kümmere dich darum!«

    Korsab duckte sich. Ehrerbietig wartete er ab, bis Trurull den Platz für ihn freigab. Dann probierte er einige Schaltungen, ohne den Kopf wieder hervorzustrecken.

    Schließlich wandte er sich wieder Trurull zu. Furcht lag in Korsabs Blick, nicht weit entfernt von nackter Angst. »Die Anlage funktioniert.« Korsab musste schwer erschüttert sein, wenn er Trurull offen widersprach. »Ich bekomme Funksendungen aus verschiedenen Systemen, die wir für eine Kolonisierung ins Auge gefasst haben. Wir können die Nachrichten der Urbevölkerung dort problemlos empfangen.«

    »Aber nichts von Truv?« Trurull wurde nun ebenfalls nervös, oder besser: Der Grund für seine Nervosität änderte sich. Zuvor hatte er wegen seines Versäumnisses Angst um seine Stellung gehabt. Inzwischen bekam er das Gefühl, dass etwas weitaus Ernsteres und Gefährlicheres passierte.

    Noch einmal spielte er Errirares Nachricht ab. Vom Heimatsystem kommt keine Hilfe, hatte der lästige Konkurrent gesagt.

    Was bedeutete das? Hatte Errirare mit Truv gesprochen, und sein Hilfsgesuch war abgelehnt worden? Oder hatte er, genau wie nun Trurull, gar nicht erst Kontakt bekommen?

    »Können auch unsere anderen Welten angegriffen worden sein?«, fragte Korsab.

    »Alle gleichzeitig?« Trurull lachte angesichts dieser Absurdität. »Und sie sollen so überrannt worden sein, dass sie nicht mal um Hilfe rufen konnten? Alle?«

    »Nicht alle«, korrigierte Korsab mit unbehaglicher Ruhe. »Errirare hat um Hilfe gerufen, obwohl es das Letzte ist, was er unter normalen Umständen tun würde. Und wir sind nicht überrannt worden.«

    Trurull hatte eine unwillkommene Erkenntnis. »Wir sind die einzige Kolonie, deren Besetzung der große Torruval noch nicht bekannt gemacht hat.«

    »Weil wir tatsächlich noch Probleme mit der Technik der Eltail haben und bislang keinen vollen Erfolg melden können«, vollendete Korsab den Satz. »Vielleicht haben diese Schwierigkeiten uns gerettet.«

    »Das kann nicht sein!«, begehrte Trurull auf. »Das Reich der Truvaud kann nicht an einem Tag fallen! Das ist völlig unmöglich!«

    Einen Moment lang waren sie gleichauf gewesen, nun besann sich Korsab wieder auf seine Rolle. Er schwieg und widersprach seinem Torrov nicht. Aber Trurull sah ihm seine Zweifel an.

    »Es kann nicht sein!«, bestärkte Trurull die Aussage. »Wir sind die stärksten Kämpfer des Universums. Noch niemand konnte uns etwas entgegensetzen!«

    Korsab widersprach nicht, aber er stimmte auch nicht zu.

    »Scanne das System!«, befahl Trurull. »Wenn sich auch nur ein Stäubchen im Umfeld von Diulu bewegt, das nicht hierhergehört, will ich es wissen!«

    Ergeben schaltete Korsab das Kommunikatum ab und vernetzte die Holokonsole stattdessen mit der planetaren Ortung. Konzentriert arbeitete er sich durch die Statusmeldungen.

    »Nichts«, sagte er nach einer Weile. »Wir sind völlig allein.«

    Trurull ließ sich erleichtert auf alle viere nieder. »Geh!«, befahl er. »Ich hole dich, wenn wir etwas aus der Heimat hören.«

    Die Idee einer Attacke auf alle bekannten Truvaudplaneten war einfach abwegig. Trurull glaubte nur, was er sah – und bisher hatte er noch nie gesehen, wie ein Truvaud eine Schlacht verlor.

    5.

    »Was ist das?« Tess Qumisha betrachtete im Holo, was die optischen Außensensoren der SOL erfassten. Blitzer hatte die SOL in den himmelblau strahlenden Tunnel aus Licht gelenkt, der sie von Tare-Scharm in die Galaxis Yahouna transportieren sollte.

    Eroin Blitzer befand es anscheinend für unter seiner Würde, ihr zu antworten. Still und andächtig blickte er weiter auf das Holo.

    »Was ist das?«, fragte Qumisha noch einmal lauter.

    »Ein euch unbekanntes Transportmedium«, äußerte der Androide endlich, wenngleich wenig hilfreich.

    »Bitte etwas genauer«, verlangte Perry Rhodan scharf.

    »Ein Sextadim-Intermitterfeld, dessen Temporalgradient durch elysische Nanoquantenfelder kohärent stabilisiert wird, da sonst eine irreguläre Superposition vierter Ordnung entstehen würde«, sagte Blitzer ungerührt.

    Qumisha tauschte Blicke mit Rhodan und Danton. Rhodan machte eine beschwichtigende Geste. Sowieso zwecklos, wollte er wohl damit sagen. Gib dir keine unnötige Blöße.

    Es fiel ihr schwer. Sie wollte stets wissen, wie Dinge funktionierten – insbesondere, wenn sie mit ihrem Fachgebiet, der Hyperphysik, in Beziehung standen. Sie hatte eine Ahnung, wie das Polyport-Netz funktioniert hatte und wie die Teletrans-Weiche, mit der die Superintelligenz ES einst eine Verbindung zwischen dem irdischen Sonnensystem und der fernen Galaxis Anthuresta geschaffen hatte. Auch wie die Brücke in die Unendlichkeit und wie die Zeitbrunnen operiert hatten, war ihr zumindest auf einer theoretisch-abstrakten Ebene bekannt.

    All diese Mittel der intergalaktischen Fernreise gab es jedoch nicht mehr. Was die Kosmokraten gerade zur Versetzung der SOL benutzten, war etwas Neues und Unbekanntes. Sie wollte mehr darüber wissen!

    »Ich muss mich zurückziehen.« Ruckartig stand Blitzer von seinem Platz auf und ging Richtung Zimmerecke. »Der Transfer verlangt meine Aufmerksamkeit.«

    »Wieso?«, fragte Qumisha alarmiert. »Sind wir in Gefahr?«

    »Im Gegenteil.« Der Androide blieb kurz stehen und blickte abschätzig zu ihr hinauf. »Wenn wir ankommen, wird das Raumschiff auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Ich führe die SOL zu alter Stärke zurück. Ihr dürft mir dankbar sein.«

    Damit wurde er durchscheinend und ging weiter.

    »Hey!«, rief Rhodan. »Was soll das heißen? Du kannst uns nicht einfach so ...«

    Blitzer verließ den Besprechungsraum durch die Wand.

    »... stehen lassen«, brachte Rhodan seinen Satz zu Ende.

    »Offensichtlich doch«, merkte Roi Danton an. »Du hast schon mal Gäste mit besseren Manieren an Bord gebracht, wenn ich das anmerken darf.«

    Rhodan schwieg mit finsterer Miene. Offensichtlich hatte er beschlossen, den eigenen Rat zu beherzigen und sich keine weitere Blöße zu erlauben.

    »Was wollt ihr jetzt tun?«, fragte Qumisha.

    »Was können wir tun?«, fragte Rhodan zurück.

    Das war zu viel. »Die SOL wird gerade in eine fremde Galaxis entführt!«, schrie sie Rhodan an. »Den Entführer hast du uns auf den Hals gehetzt, und alles, was dir dazu einfällt ist: ›Was können wir tun?‹ «

    »Ganz genau.« Rhodan blieb ruhig. »Eroin Blitzer oder die Kosmokratenhelfer, für die er spricht, haben mit der Vernichtung der SOL gedroht. Und es gibt wohl kaum Zweifel, dass sie die Mittel dazu haben. Also: Was hätte ich tun können?«

    »Du hast nicht mal versucht, eine andere Vereinbarung mit ihm zu treffen!«

    Danton schaltete sich ein. »Nicht richtig. Wir haben vorgeschlagen, eine SOL-Zelle allein auf den Weg zu schicken.«

    »Ihr zwei haltet zusammen.« Qumisha schnaubte. »War ja klar!«

    »Noch einmal: Was hätte ich anders machen können?«

    »Ich weiß es nicht!«, schrie Qumisha. »Ich bin Hyperphysikerin, keine Kommandooffizierin! Ihr müsst solche Entscheidungen treffen, und ihr habt klein beigegeben! Wenn Fee noch hier wäre, hätte sie das niemals zugelassen!«

    Rhodan presste die Lippen aufeinander. »Die Lücke, die Fee Kellind hinterlässt, ist nicht zu leugnen. Wer weiß – vielleicht hätte sie tatsächlich eine Idee gehabt. Aber Fee lebt nicht mehr.«

    »Praktisch, oder?« Qumisha riss die Augen auf, als ihr klar wurde, was ihr da herausgerutscht war.

    Rhodans Miene verhärtete sich.

    »Entschuldige.« Qumisha sprach leise, mit einem Kloß im Hals. »Das hätte ich nicht sagen dürfen. Aber die SOL braucht trotzdem einen Kommandanten. Es gibt einen guten Grund, warum der Expeditionsleiter nicht gleichzeitig den Oberbefehl über das Schiff hat.«

    »Ach wirklich?«, sagte Rhodan kühl. »Das ist eine Regel, die ich aufgestellt habe und die sich seit Jahrtausenden bewährt. Erklärst du mir gerade das Einmaleins von Fernexpeditionen?«

    »Die SOL braucht einen Kommandanten«, beharrte Qumisha.

    »Das streitet ja überhaupt niemand ab.« Danton nahm die Vermittlerrolle ein. »Es ist allerdings nicht ganz einfach, jemanden Qualifizierten zu finden. Fee und ich haben daran lange gearbeitet, ohne einen geeigneten Kandidaten auszumachen.«

    »Weil du Leute installieren wolltest«, konterte Qumisha, »die im Zweifel dir gehorchen.«

    »Ich glaube, es reicht jetzt, Tess«, ging Rhodan dazwischen. »Wir sollten dieses Gespräch beenden, bevor Dinge gesagt werden, die sich nicht mehr zurücknehmen lassen. In der Frage nach dem Kommandanten geben wir dir beide recht. Es steht dir jederzeit frei, uns einen Vorschlag zu unterbreiten. Wir zwei ...« Er suchte den Schulterschluss mit Roi Danton. »... versuchen das Schiff auf das vorzubereiten, was uns am Ziel bevorsteht.« Er deutete auf das Außenbeobachtungsholo, das nach wie vor den blauen Transportkanal zeigte. »Und du kannst herauszufinden versuchen, was um Himmels willen ein Sextadim-Intermitterfeld mit Temporalgradienten sein soll. Einverstanden?«

    Tess Qumisha öffnete den Mund. Sie sah Rhodans Blick und schloss ihn wieder. Die Antwort auf seine letzte Frage konnte nur ja heißen. Die SOL war ein Raumschiff, und es funktionierte nur, wenn eine Kommandokette eingehalten wurde. An deren Spitze stand Perry Rhodan, ob es ihr gefiel oder nicht.

    Sie nickte stumm und ging.

    *

    Im hyperphysikalischen Labor machte sie sich herzhaft Luft. Da gab es keine Rangordnung zu beachten, und ihr Mann würde sie schon nicht bei der Schiffsführung verpetzen. Einen geeigneten Vorschlag für den Kommandantenposten hatte allerdings auch er nicht beizusteuern.

    Also wertete Benjameen da Jacinta stoisch die Beobachtungen der Ultrahochfrequenz-Messwerke in den beiden SOL-Zellen und des Kantor-Sextanten aus. Holografische Zahlen tanzten vor seinen Augen, während er seine Theorien und Ansätze ganz altmodisch mit einem auf Arkon gefertigten Füllfederhalter auf Papier notierte.

    Die beiden Ultra-Giraffen hatte Tess Qumisha einst maßgeblich mitentwickelt. Sie konnten weit ins ultra- und superhochfrequente Band des Fünf-D-Spektrums blicken, in Bereiche, die den meisten Messgeräten verschlossen blieben. Aus den Ergebnissen ließ sich teils sogar errechnen, was parallel im Sechs-D-Band geschah.

    Das funktionierte auch diesmal, nur waren die aktuell angezeigten Werte völlig erratisch. Meist waren sie vom normalen kosmischen Hintergrundrauschen nicht zu unterscheiden, dann wieder kam es ohne jede Regelmäßigkeit zu unerklärlichen Spitzen. Was nicht weiter verwunderlich war – Blitzers Erklärung hatte schließlich als eine einzig verwertbare Information geliefert, dass der Transporttunnel im sechsdimensionalen Bereich arbeitete. So einen langen Hals konnte Qumishas Giraffe gar nicht haben, dass sie sich auch auf dieser Ebene des Universums hätte umfassend umschauen können.

    »Ich hab was«, sagte da Jacinta. In einem in der Luft schwebenden Datenwust tippte er einige Zahlen an, die ihre Farbe daraufhin von Weiß nach Rot veränderten.

    Qumisha trat zu ihm. Die Messwerte stammten vom Kantor-Sextanten. Anders als die Ultra-Giraffe konnte dieses Gerät nicht nur auf das Sechs-D-Spektrum schließen, sondern dort auf direktem Weg Informationen sammeln – zumindest rudimentär. Die Ergebnisse blieben zwar dürftig und scheinbar widersprüchlich, aber zumindest hatten sie einen ersten, vorläufigen Interpretationsansatz ermöglicht. Auch wenn Qumisha ihn noch nicht durchschaute.

    Grübelnd stellte sie ihre Kaffeetasse an das einzige freie Eckchen von da Jacintas Arbeitsstation. »Machst du mich schlau?«

    »Ich habe die Ergebnisse der beiden Geräte verglichen.« Da Jacinta zeigte ein Holo mit den Messgraphen der Ultra-Giraffe. »Die Spitzen haben keine einfach erkennbare Regelmäßigkeit. Zwar sind Tausende Formeln denkbar, die trotzdem genau zu diesen Datenresultaten führen. Aber richtig wäre nur die Berechnungsmethode, mit der wir die nächste Spitze verlässlich voraussagen können.«

    So weit, so einfach.

    »Ich habe aus den Giraffen-Werten ein paar Tausend mögliche Algorithmen ableiten lassen und diese auf die Sextanten-Werte gelegt. Einer war ein Treffer. Schau.«

    In einer Animation stellte das Hologramm vergleichend dar, wo nach da Jacintas Formel Ausschläge im Sechs-D-Spektrum erwartbar waren und wo die tatsächlichen Ausschläge lagen. Es gab Abweichungen, sogar eine ganze Menge davon. Aber knapp ein Drittel der Punkte stimmten, und damit erheblich mehr, als es bei einer reinen Zufallsverteilung der Fall gewesen wäre.

    »Großartig!«, rief Qumisha. »Daran arbeiten wir weiter! Wir müssen die Prognosegenauigkeit ...«

    Der Boden unter ihren Füßen bebte. Die Kaffeetasse machte einen kleinen Hüpfer und kippte über die Tischkante. Auch Qumishas Magen hob sich, viel stärker, als die Erschütterung es hätte erwarten lassen.

    »Was war das denn?«, fragte sie erst da Jacinta, und dann – wesentlich erfolgversprechender – SENECA.

    »Es gab einen Unfall«, erläuterte das Schiffsgehirn. »Der neu eingebaute Paratron-Suspensor hat eine Fehlfunktion. Es kam zu einer kleineren Explosion, das Gerät wurde bis zur Klärung des Vorfalls abgeschaltet. Keine Verletzten. Ein Folgeschaden am Hypertakt-Triebwerk ist mit Bordmitteln reparabel.«

    Qumisha lächelte, zum ersten Mal seit ihrem Streit mit Rhodan. »Alles in Ordnung, also?«

    »Das ist eine zulässige Folgerung«, bejahte SENECA.

    Da Jacinta zuckte mit den Achseln. »Wie gewonnen, so zerronnen. Schade!«

    Qumisha musste ihm zustimmen. Der Suspensor gehörte zu den neuen Gerätschaften, die erst wenige Tage zuvor auf der SOL eingebaut worden waren: Technik der Terminalen Kolonne TRAITOR, installiert in einem zwanzig Millionen Jahre alten Kolonnen-Dock in Tare-Scharm. Roi Danton hatte eine lange und komplizierte Historie mit der Kolonne, hatte – grob vereinfacht – erzwungenermaßen in TRAITORS Reihen gedient.

    Aus dieser Zeit besaß er noch einige Kenntnisse und Berechtigungen, die er im Dock genutzt hatte, um die Kampfkraft der SOL erheblich zu stärken. Der Paratron-Suspensor beispielsweise war eine Errungenschaft, die es dem Hantelraumschiff ermöglichte, aus dem Stand in den Hyperraum zu wechseln, statt hierzu wie sonst üblich bis auf halbe Lichtgeschwindigkeit beschleunigen zu müssen.

    Das setzte allerdings voraus, dass das Gerät funktionierte und der Mannschaft nicht unmotiviert um die Ohren flog. »Kennt man die Ursache?«, fragte Qumisha weiter.

    »Bislang nicht«, antwortete SENECA. »Eine naheliegende Vermutung wäre, dass es infolge des Zeitdrucks beim Einbau des neuen Aggregats zu Fehlern kam. Womöglich lag eine nicht entdeckte Inkompatibilität vor.«

    Qumisha zog den Mund schief. Also waren sie nicht nur in eine fremde Galaxis unterwegs, um einen Auftrag zu befolgen, dessen Implikationen noch gar nicht abzusehen waren – sie würden das Ganze auch noch mit einem unzuverlässigen Raumschiff erledigen. Denn neben dem Paratron-Suspensor waren im Kolonnen-Dock noch eine ganze Reihe weiterer eindrucksvoller Systeme eingebaut worden. Aber genauso hastig und ohne Gelegenheit für eine gründliche Integrationskontrolle und Funktionstests. Wenn der Suspensor explodierte, konnte das genauso gut den Potenzialwerfern, dem Virtuellbildner und den verbesserten Schiffsgeschützen drohen. All diese Geräte mussten bis zu einer gründlichen Überprüfung stillgelegt werden. Insofern war SENECAS Verständnis von alles in Ordnung vielleicht doch ein wenig zu weit gefasst.

    Das aber war ein Problem für die zwei Rhodans. Sie hatte anderes zu tun. »Wo waren wir ... Ach ja, dein Algorithmus. Haben wir eine Visualisierung?«

    »Nichts Schlüssiges.« Da Jacinta schaltete das Holo um. Es präsentierte nun die SOL in einem blau strahlenden Tunnel. Dunkelblaue Fäden waren darauf projiziert und zeigten hinter dem Schiff die tatsächlichen Messungen, vor ihm die prognostizierten. Es war ein filigranes und sinnverwirrendes Muster; teils reines Gekrickel, aber an einigen Stellen waren bekannte Elemente zu erkennen. Qumisha sah einige Dreiecke in der charakteristischen Anordnung eines Fibonacci-Fraktals, entdeckte auch Drachen- und Gosper-Kurven.

    »Fraktale Formen«, murmelte sie. »Zu viele, als dass es Zufall sein könnte. Das müsste uns weiterhelfen, die Formel zu verfeinern.«

    Perry Rhodan meldete sich über Bordfunk. »Wir brauchen eure Hilfe.«

    »Wir haben etwas entd...«, äußerte Qumisha.

    »Muss warten«, unterbrach Rhodan sofort. »Es gab einen Unfall.«

    »Wissen wir«, sagte Qumisha, »der Paratron-Suspensor. Aber was können wir ...«

    »Einen zweiten«, unterbrach Rhodan erneut. »Diesmal der Virtuellbildner. Das Ding ist hinüber, es gab Verletzte. Ich will wissen, warum die TRAITOR-Geräte in diesem Tunnel in die Luft fliegen.«

    Qumisha sah da Jacinta an. Zwei Unfälle ließen eigentlich noch nicht den Schluss zu, dass ihre ungewöhnliche Umgebung die Schuld trug. Es konnte Zufall sein, oder der überstürzte Einbau vor gerade mal drei Tagen mochte sich rächen. Und sie waren gerade einem spannenden Phänomen auf der Spur.

    Denk an das Schiff!, rügte sie sich. Sie warf Rhodan vor, die Mission über die Sicherheit der Besatzung zu stellen – und selbst wollte sie über Fraktale im sechsdimensionalen Raum philosophieren, statt eine konkrete Gefährdung für die SOL zu untersuchen? TRAITOR-Technik war für gewöhnlich so stabil, dass beispielsweise das Kolonnen-Dock zwanzig Jahrmillionen überdauert hatte. Wenn also zwei Aggregate so kurz nacheinander den Geist aufgaben, war die Wahrscheinlichkeit für eine externe Ursache hoch.

    »Wir müssen die beschädigten Geräte untersuchen«, sah Tess Qumisha ein.

    »Die Trümmer sind schon unterwegs in euer Labor«, antwortete Perry Rhodan. »Ich schnappe mir Blitzer und komme zu euch.«

    *

    Wie angekündigt, hatte Rhodan Eroin Blitzer dabei. Dritter im Bunde war Roi Danton. Die beiden Rhodans sahen besorgt aus, Blitzer zeigte keine Regung. Höchstens einen Anflug herablassender Langeweile.

    »Wir haben etwas entdeckt«, begrüßte Tess Qumisha die Neuankömmlinge. »Es gibt Probleme mit dem Ricodin-Verbundstoff.«

    »Was heißt das?«, fragte Perry Rhodan.

    Qumisha deutete auf das linke von zwei vorbereiteten Hochleistungsmikroskopen. »Sieh es dir an, aber vorsichtig.«

    Rhodan beugte sich über das Okular, sah hindurch. Nach drei Sekunden taumelte er zurück. »Was war das denn?«, fragte er verblüfft.

    »Ricodin«, antwortete Qumisha nüchtern. »Der Baustoff der Terminalen Kolonne ist fraktal aufgebaut. Das Mikroskop ist darauf eingestellt, den Fokus deines Blicks zu erkennen und den entsprechenden Ausschnitt zu vergrößern. Aber weil die Struktur eben fraktal ist ...«

    »Ich verstehe«, unterbrach Rhodan. »Sämtliche Formen wiederholen sich in kleinerem Maßstab. Mein Auge sucht den nächsten Haltepunkt, das Mikroskop zoomt wieder heran, und so weiter in unendlicher Folge. Deshalb wirkt das Ganze, als würde ich einen Tunnel stürzen.« Er schüttelte kurz den Kopf. »Unangenehm. Warum zeigst du ...«

    Wortlos deutete Qumisha auf das zweite Mikroskop. Erneut beugte sich Rhodan darüber.

    »Hier hat das Auge feste Haltepunkte«, stellte er fest. »An einigen Stellen ist die Struktur erstarrt und wiederholt sich nicht mehr.«

    »Und das ist das Problem«, sagte Qumisha. »Die zweite Probe stammt von der Hülle des explodierten Suspensors. Einige subatomare Teilchen des Verbundstoffs sind defraktalisiert.«

    »Irgendwas wirkt also auf den Baustoff unserer neuen Gimmicks«, übersetzte Danton. »Aber warum explodieren sie dabei?«

    »Die Fraktale sind energiehaltig«, übernahm Benjameen da Jacinta die Erklärung. »So wie die Atome in Molekülen, die sich entsprechend ihrer Temperatur bewegen. Wenn sie erkalten, geben sie die Bewegungsenergie nach außen ab und erstarren.«

    »Bei normalen Molekülen«, nahm Qumisha den Ball wieder auf, »ist der Energievorrat endlich. Durch die endlose Wiederholung der fraktalen Struktur kann Ricodin aber, zumindest in der Theorie, unendlich viel Energie speichern.«

    »Und auf einen Schlag abgeben, wenn die fraktale Struktur aus irgendeinem Grund zerfällt«, schloss da Jacinta.

    Danton sah von Qumisha zu ihrem Mann und zurück. »Das heißt, wenn sich dieser Prozess fortsetzt, ist jedes Stück Kolonnentechnik an Bord eine Bombe, die das Schiff komplett zerstören kann?«

    Qumisha schüttelte den Kopf. »Du denkst nicht annähernd in den richtigen Dimensionen. Die in dem Ricodin auf der SOL gespeicherte Energie ist um ein Milliardenfaches höher, als die Explosionsenergie es wäre, wenn man das Schiff von der einen auf die andere Sekunde in Antimaterie verwandeln würde. Wenn sich alles Ricodin an Bord gleichzeitig defraktalisieren würde, löst allein die Hyperenergie der resultierenden Explosion eine Kaskade aus, die das Gravitationsgefüge einer ganzen Galaxis zerstört.«

    Perry Rhodan wurde bleich. »Ein Raumschiff soll eine ganze Galaxis vernichten können?«, fragte er.

    Qumisha nickte. »Wenn unsere Theorie und unsere Berechnungen stimmen«, schränkte sie ein.

    »Sie stimmen«, sagte Blitzer ungerührt. »Der Beweis wurde einst bei der Zerstörung der Galaxis Kohagen-Pasmareix erbracht. Aber für die SOL besteht kein Grund zur Sorge. Selbst wenn unsere Umgebung einen schädlichen Einfluss auf das Ricodin hat, wird das Carit im Rumpf ihn abschirmen.«

    Roi Danton gab ein Schnauben von sich, das zwischen Amüsement und Herablassung lag, mit einer Prise Furcht darin. »Die SOL besteht schon seit fast dreihundert Jahren nicht mehr aus Carit. Das Metall hat seine hyperenergetische Komponente verloren und sich in Solonium verwandelt.«

    Was, wie Qumisha wusste, trotzdem noch ein Material von phantastischer Widerstandsfähigkeit war, dessen Belastbarkeit weit über alles hinausging, was Menschen fertigen konnten. Aber so gut wie das sechsdimensional aufgeladene Carit aus den Werkstätten der Kosmokraten war es eben nicht.

    »Das weiß ich«, beharrte

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