1001 Ideen für den Alltag mit autistischen Kindern und Jugendlichen: Praxistipps für Eltern, pädagogische und therapeutische Fachkräfte
By Ellen Notbohm and Veronica Zysk
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1001 Ideen für den Alltag mit autistischen Kindern und Jugendlichen - Ellen Notbohm
Leben.
1 Sensorische Integration
Es gibt keine Möglichkeit, die Welt zu verstehen,
ohne sie vorher über unsere Sinne zu erfassen
Diane Ackerman
Von allen Aspekten des Autismus ist für den Laien vielleicht keiner verwirrender als die sensorische Integration. Sensorische Integration bezeichnet die Fähigkeit, Empfindungen, die wir intern und extern empfangen, zu verarbeiten und zu organisieren. Der sensorische Input gelangt über unser neuronales Netzwerk ins Gehirn, wo er interpretiert und zur Formulierung einer Antwort verwendet wird. Die sensorische Verarbeitung erfolgt ohne bewusstes Nachdenken; sie läuft im Hintergrund ab und man denkt nie darüber nach, wie die Sinne funktionieren oder welche Rolle sie im täglichen Leben spielen.
In unserem Körper sind insgesamt einundzwanzig sensorische Systeme aktiv. Man kennt vor allem die traditionellen Fünf: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Fünf weitere Sinne werden dem Menschen gemeinhin zugeschrieben: vestibuläre Wahrnehmung (Gleichgewichtssinn), propriozeptive und kinästhetische Wahrnehmung (Tiefensensibilität und Bewegung der Gliedmaßen und des Körpers im Raum), Nozizeption (Schmerzwahrnehmung), Zeitgefühl und Thermozeption (Temperatursinn).
Aufgrund einer komplexen Abfolge von atypischen Signalen/Verbindungen zwischen den Sinnesorganen und dem Gehirn nehmen Menschen aus dem Autismus-Spektrum Töne, Bilder, Gerüche, Geschmäcker und ihr Gleichgewicht in einer Art und Weise wahr, die sich grundlegend von der neurotypisch entwickelter Kinder und Erwachsener unterscheidet. Für manche Autist*innen stellt jede Minute des täglichen Lebens einen Kampf gegen Reize dar, die ihre empfindlichen Sinnessysteme belasten. In anderen Fällen sind die Sinne hypoaktiv, wodurch es großer Anstrengungen bedarf, den Körper so anzuregen, dass es zu einer lebhaften und sozialen Interaktion kommen kann. Darüber hinaus fehlt manchen Betroffenen die Fähigkeit, mehr als eine sensorische Modalität gleichzeitig zu filtern und zu verarbeiten.
Versetzen Sie sich mit Hilfe des folgenden Auszugs aus Ellens Nothbohms Buch Ten Things Every Child with Autism Wishes You Knew für einen Moment in den Körper eines Kindes mit sensorischen Integrationsschwierigkeiten:
Meine Sinneswahrnehmungen sind gestört. Das bedeutet, dass die normalen Bilder, Geräusche, Gerüche, Geschmäcker und Berührungen im Alltag, die du vielleicht gar nicht wahrnimmst, geradezu schmerzhaft sein können. Die Umgebung, in der ich leben muss, wirkt oft feindselig. Ich mag dir vielleicht zurückgezogen oder streitlustig erscheinen, aber ich versuche nur, mich zu verteidigen. Ich schildere dir mal die Gründe, warum ein Ausflug zum Supermarkt die Hölle für mich sein kann.
Mein Gehör ist hypersensibel. Dutzende von Menschen reden auf einmal. Aus dem Lautsprecher dröhnt das heutige Sonderangebot. Musik schallt aus dem Soundsystem. Registrierkassen piepen und rattern, eine Kaffeemühle tuckert. Der Fleischschneider quietscht, Babys heulen, Einkaufswagen knarren, die Leuchtstoffröhre brummt. Mein Gehirn kann nicht alle Eindrücke filtern und ich bin überlastet!
Mein Geruchssinn ist sehr empfindlich. Der Fisch an der Fleischtheke ist nicht ganz frisch, der Typ, der neben uns steht, hat heute nicht geduscht, die Feinkostabteilung verteilt Wurstproben, das Baby in der Schlange vor uns hat eine volle Windel, in Gang 3 wischen sie Gurken mit scharfen Reinigungsmitteln auf − damit komme ich nicht klar.
Da ich visuell orientiert bin, ist dies häufig der erste Sinn, der überreizt wird. Das fluoreszierende Licht ist zu hell, es schmerzt in meinen Augen. Manchmal prallt das Licht von allem ab und verzerrt das, was ich sehe − der Raum scheint sich ständig zu verändern. Um mich herum sehe ich Lichtreflexe von Fenstern, zu viele Gegenstände, die mich ablenken (dann setze ich einen Tunnelblick auf), rotierende Ventilatoren an der Decke, so viele Körper in ständiger Bewegung. All dies wirkt sich auf meinen Gleichgewichtssinn aus, und manchmal kann ich nicht einmal mehr sagen, wo sich mein Körper im Raum befindet.
Wie bereits in allen unseren Büchern dargestellt, möchten wir auch an dieser Stelle wieder betonen: Die sensorische Integrationsstörung ist die Ursache für viele Kernprobleme, die mit Störungen aus dem Autismus-Spektrum einhergehen. Sie beeinflusst Verhalten, Kommunikation, Ernährung und Schlaf – entscheidende Faktoren, die die Qualität der Umwelt bestimmen, in der Ihr Kind Tag für Tag, Minute für Minute, Jahr für Jahr leben muss. Eine sensorische Dysfunktion anzugehen und zu behandeln sollte immer eine hohe Priorität haben.
Zwei Faktoren sollten Sie unbedingt beachten, wenn Sie sich mit den zahlreichen Aspekten der sensorischen Integrationsbedürfnisse Ihres Kindes beschäftigen.
Zum einen kann sensorisches Training wie ein Spiel wirken und sich auch so anfühlen. Das Spiel ist das Medium, mit dem Kinder lernen. Spiel bringt Spaß und fesselt die Aufmerksamkeit des Kindes, damit es am Ball bleibt. Ein aktives Gehirn ist ein lernbereites Gehirn. Das Tolle an sensorischem Training ist, dass sich Gelegenheiten und Lernmomente zu jeder Tageszeit ergeben, zu Hause, in der Schule, in der Gemeinde.
Zum anderen kann Ihre Schule Unterstützung bei der Ergotherapie anbieten⁴ und/oder Sie können sich mit einem Ergotherapeuten außerhalb der Schule zusammenschließen, aber die Therapiezeit ist begrenzt und kurz. Eine konsequente und kontinuierliche sensorische Integrationstherapie findet zu Hause statt. Ihr Kind für ein paar Stunden pro Woche in die Hände einer Fachkraft zu geben, ist ein Anfang − ein guter Anfang − aber der Großteil der Arbeit wird zu Hause geleistet. Wenn Sie diese Aufgabe überfordert, gehen Sie noch einmal zurück und lesen Sie den vorherigen Absatz. Das sensorische Training kann auch spielerisch sein.
Alle Ideen zur sensorischen Integration bieten wir unter dem Vorbehalt an, dass sie keinen Ersatz darstellen für die Arbeit mit einem Ergotherapeuten, der sich mit dem Autismus-Spektrum auskennt. Er oder sie liefert die Wissensgrundlage dafür, besser zu verstehen, wie die Sinne durch Autismus, einschließlich Asperger-Syndrom, verändert werden. Er oder sie kann eine „sensorische Diät" für Ihr Kind entwickeln (also ein täglicher Plan zur Stimulierung und/oder Beruhigung durch bestimmte Aktivitäten) und diesen Plan optimieren, während Sie herausfinden, was davon funktioniert und was nicht.
Kein Kind wünscht sich Tadel oder eine Strafe für sein sogenanntes „schlechtes Verhalten", besonders wenn es diese unangemessenen Verhaltensweisen nicht kontrollieren kann. Denn häufig sind sie Folge der dysfunktionalen Kommunikation zwischen seinen sensorischen Organen und seinem Gehirn. Über- oder Unterempfindlichkeit zu regulieren ist ein wichtiger erster Schritt, um dem Kind dabei zu helfen, sozial akzeptables Verhalten zu entwickeln. Dieser lohnenswerte Prozess erfordert Geduld, Konsequenz und ein wachsames Auge für sensorische Trigger. Fangen Sie langsam an und bleiben Sie auf Kurs.
Auswahl der richtigen sensorischen Aktivitäten
Sensorische Integrationsaktivitäten sollen Ihrem Kind oder Schüler Spaß machen. Hier einige Anregungen:
Wählen Sie Aktivitäten, bei denen Ihr Kind das Spiel leiten, führen oder dirigieren kann. Dies ist der erste Schritt, damit es später die Initiative ergreift, mit Ihnen oder anderen ein Spiel zu beginnen.
Wenn Sie etwas finden, das funktioniert, übertragen Sie es auf andere Orte im Leben Ihres Kindes. Konsistenz zwischen dem Zuhause und der Schule festigt das Gelernte, steigert den Erfolg des Kindes und damit sein Selbstvertrauen.
Beachten Sie bei der Auswahl altersgerechter Aktivitäten für Ihr Kind, dass sein Lebensalter nicht unbedingt seinem Entwicklungsalter entspricht. Die richtige Aktivität ist seinem Können und der aktuellen sensorischen und sozialen Toleranzgrenze angepasst. Beispiel: Plätzchenteig herstellen ist eine tolle sensorische Aktivität, doch zwei oder drei Freunde oder Geschwister als „Küchenhelfer" dabei zu haben, kann schon zu viel werden. Daher ist die Aktivität vielleicht eher als Einzelunterricht allein mit Mama erfolgreich.
Jede Aktivität, bei der Familienmitglieder bequem integriert werden können, ist ein Plus. Aber:
Die Unternehmungen sollten keine übermäßigen Belastungen für das Familienbudget, den Zeitplan, das Platzangebot oder die Geduld mit sich bringen. Es kann auch schnell zu viel des Guten sein. Das Schöne an vielen Sinnesaktivitäten ist, dass schon durch ein paar Minuten hier und da mit der Zeit eine kumulative Wirkung auftritt.
Wir haben viele Ideen für sensorische Aktivitäten gesammelt, die Sie problemlos in den Tag Ihres Kindes integrieren können. Einige der Ideen sind sowohl für zu Hause als auch für die Schule geeignet; und vermutlich werden Sie jenseits der üblichen Dinge, die Ihnen zunächst in den Sinn kommen, zum Weiterdenken inspiriert.
Zwölf Warnzeichen für sensorische Überlastung
Die Ideen in diesem und in anderen Büchern sowie Anregungen von Ihrem Ergotherapeuten und anderen Fachleuten bieten zahllose Möglichkeiten, die über- oder unterreizten Sinneswahrnehmungen Ihres Kindes zu verbessern. Ihr Kind wird einige annehmen, andere nicht.
Natürlich wünschen Sie sich, dass Ihr Kind an schönen sensorischen Aktivitäten möglichst ausgiebig teilnimmt. Aber ist das auch gut für Ihr Kind? Eindeutig nein, sagen Ergotherapeut*innen. Zu viel von etwas kann die empfindlichen Sinne überlasten und einen gefürchteten „Ausraster" (meltdown) auslösen. Merken Sie sich daher die zwölf Warnzeichen einer drohenden Reizüberflutung:
1.Verlust des Gleichgewichts oder der Orientierung
2.Hautrötungen oder plötzliche Blässe
3.Das Kind sagt: „Stopp!"
4.Das Kind verweigert die Aktivität
5.Herzrasen oder plötzlicher Pulsabfall
6.Hysterie, Weinen
7.Gereizter Magen: Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen
8.Starkes Schwitzen
9.Das Kind wird aufgeregt oder wütend
10.Das Kind beginnt Phrasen immer und immer wieder zu wiederholen (selbstberuhigendes Verhalten)
11.Das Kind beginnt mit dem Stimming (repetitives, selbstberuhigendes Verhalten)
12.Das Kind schlägt (um sich) oder beißt
Wenn einer dieser Fälle eintritt, stoppen Sie die Aktivität sofort. Das Verhalten Ihres Kindes sagt Ihnen, wann ihm etwas zu viel ist und nicht mehr bewältigt werden kann. Widerstehen Sie dem Impuls zu denken, dass Ihr Kind in der Lage sein sollte, damit umzugehen oder es nur ein wenig länger auszuhalten. Wenden Sie sich an Ihren Ergotherapeuten, der Dauer und Häufigkeit für bestimmte Aktivitäten empfiehlt und Ihnen zeigt, wie Sie eine angemessenere sensorische Erfahrung für das Kind entwickeln können.
Fünfzig Wege, um Ihr Kind in Bewegung zu bringen
Körperliche Aktivität trägt entscheidend zur Gesundheit eines jeden Kindes bei und die damit einhergehende soziale Interaktion kann ebenfalls von Vorteil sein. Alle körperlichen Aktivitäten versorgen Ihr Kind mit multisensorischen Input-Möglichkeiten, um das Gehirn zu trainieren und seine Sinnesorgane zu unterstützen. Durch wiederholtes Üben wird die Fein- und Grobmotorik, auch bei Kindern mit ausgeprägten Behinderungen, verbessert. Bewegungsaktivitäten in Einzelarbeit oder Gruppen helfen beim Aufbau von Koordination, Abruf motorischer Fertigkeiten, Muskelgedächtnis, Kontrolle und räumlicher Wahrnehmung. Sie lehren das Timing, das Voraussagen, das Folgen/Reagieren auf Richtungen und das Anpassen an Veränderungen. Körperliches und soziales Feedback kann Kinder dazu motivieren, die anfänglich unangenehme Lernphase zu durchlaufen und Erfolg zu haben. Wenn sie das tun, werden sie einen rapiden Anstieg des Selbstwertgefühls erleben.
Wenn Sie körperliche Aktivitäten suchen, die zu Ihrem Kind passen, befreien Sie sich von allen Vorstellungen, die Sie in Bezug auf das, was einen „richtigen" Sport ausmacht, haben. Obwohl viele autistische Kinder Fußball, Basketball und Handball lieben, sind Mannschaftssportarten nicht jedermanns Sache. Die vielen Regeln können verwirren, das Durcheinander der Körper und die akustischen und olfaktorischen Empfindungen überfordern und die Erwartungen der Teammitglieder Stress erzeugen.
Manche Eltern (natürlich nicht Sie) sind der Meinung, Ihr Sohn treibe keinen richtigen Sport, wenn er nicht im Fußballverein spielt. Das ist schlicht nicht wahr. Unsere Kinder können sich bei verschiedenen Aktivitäten hervortun, wenn sie die Chance und die richtige Anleitung erhalten und dabei schrittweise vorgegangen wird. Es spricht viel für die Wahl von weniger populären Sportarten. Viele Kinder blühen in dieser Umgebung aufgrund des „Fischteicheffekts" auf, den diese Sportarten bieten. Für Anfänger*innen wirken sie dadurch unter Umständen sehr viel einladender, manchmal werden sogar Probestunden oder Minikurse angeboten. Ist das nicht der Fall, erklären Sie Ihre Situation und fragen Sie danach. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass der Verein nein sagt. Und aus der Art und Weise, wie nein gesagt wird, können Sie schließen, ob Ihr Kind dort willkommen wäre oder nicht. Wenn das Konkurrenzprinzip zu anspruchsvoll für Ihr Kind ist, lassen Sie es erst einmal gut sein. Es gibt die Möglichkeit, dass es noch hineinwächst und wenn nicht, hat allein der Aufbau einer Verbindung zwischen körperlicher Aktivität und Spaß eine viel grundlegendere Auswirkung auf das Leben.
Ihr Wohnort bestimmt zum Teil die Möglichkeiten der Aktivität mit. Wer nicht am Meer wohnt, hat es schwer, einen Surfkurs zu finden, das Gleiche gilt für Leute in warmen oder flachen Gegenden, die Skifahren möchten. Aber wer wirklich motiviert ist, lässt sich von so etwas nicht aufhalten. Erinnern Sie sich an die jamaikanische Olympia-Bobmannschaft von 1988? Sie waren Meister der Anpassung im Sport, weil sie ihre Bobs mit Rädern ausstatteten, um in ihrer tropischen Heimat trainieren zu können. Woran sich jeder erinnert, ist ihr Schwung und ihre Freude, nicht daran, dass sie als Letzte ins Ziel kamen. Sechs Jahre später in Lillehammer erreichte der Viererbob sogar den 14. Platz.
Weiter unten sind Anregungen für Sport und Bewegung außerhalb der typischen Mannschaftssportarten aufgelistet. Es handelt sich um weit verbreitete und bekannte Aktivitäten.
Wie aber trifft man eine Auswahl? Bevor Sie etwas Neues ausprobieren, denken Sie darüber nach, ob die Aktivität zu Ihrem Kind passt:
Interesse. Zwingen Sie Ihr Kind nicht zu etwas, das ihm nicht gefällt. Beginnen Sie mit interessanten Bereichen, die von sich aus motivierend und belohnend wirken.
Energie. Einem Kind mit wenig Energie könnten Frisbee oder Yoga gefallen, Basketball oder Tennis hingegen sind für sein System zu aufregend.
Muskeltonus und Koordination. Beide können sich im Laufe der Zeit mit etwas Engagement verbessern, also fangen Sie langsam an und bauen Sie darauf auf. Machen Sie einige Spaziergänge durch den Park, bevor Sie sich auf eine vier Kilometer lange Wanderung begeben.
Einzel-, Zwei-Personen- oder Teamaktivitäten. Ihre primären Ziele sind regelmäßige Bewegung und vor allem Spaß an der Bewegung. Eine stressfreie, angenehme Fahrradtour durch die Nachbarschaft allein mit Ihnen ist für Ihr Kind vielleicht viel schöner als mit mehreren anderen Kindern zu tanzen.
Spaß gegen Sieg. Wenn Ihr Kind einfach nicht verlieren kann, drängen Sie es nicht zu Wettbewerbs- und individuellen Sportarten. Beim Angeln, Wandern, Klettern usw. gibt es nichts zu gewinnen oder zu verlieren. Und vergessen Sie nicht, dass das Wettbewerbsprinzip bei vielen autistischen Kindern von vorneherein gar nicht ausgeprägt ist, sondern gelehrt werden muss. Kommt die Angst vor dem Thema Gewinnen bzw. Verlieren vielleicht von Ihnen?
Hilfen. Nutzen Sie technische Hilfen, um die Distanz von zu Hause nach draußen oder in die Gruppe zu überbrücken. Kaufen oder leihen Sie ein paar Kampfkunst-, Bewegungs- oder Tanz-DVDs aus, um sie mit Ihrem Kind zu testen.
Mit dieser Liste möchten wir Ihnen vor Augen führen, dass zahlreiche Möglichkeiten existieren und Sie das Naheliegende nicht übersehen sollten, wenn Sie eine Freizeitaktivität planen. Diese Aktivitäten, die in einem individuellen Tempo durchgeführt werden, können Ihrem Kind mehr Raum für Wachstum und Leistung geben und verbessern Ihre Chancen auf Erfolg und Begeisterung. Im Marathon des Lebens ist das doch ein echter Erfolg, oder etwa nicht?
Wassersport: Schwimmen, Schwimmunterricht, Schwimmteam, Synchronschwimmen, Aquarobic für Kinder, Tauchen, Surfen/Boogie Boarding, Rudern, Kanufahren, Rafting, Angeln
Spaß auf Rädern: Dreirad, Fahrrad mit Stützrädern, Roller, Tandem, Rollschuhe, Skateboard
Schlägersportarten: Tennis, Squash, Handball, Badminton, Tischtennis
Zielsportarten: Bowling, Golf, Minigolf, Bogenschießen
Rennen/Gehen/Springen: Kinderbiathlon oder -triathlon, Joggen, Trampolin, Wandern, Leichtathletik
Wintersportarten: Skifahren, Langlauf, Snowboarden, Rodeln, Schneeschuhwandern, Eiskunstlauf oder Eisschnelllauf, Eisangeln
Kampfkünste: Tai Chi, Taekwondo, Karate, Judo, Aikido, Kickboxen, Capoeira
Reiten: Reiten, Kinderrodeo
Spielaktivitäten: Springseil, Hüpfball, Hula-Hoop, Beachball, Springstock, Werfen-Fangen-Spiele, Hockey, Frisbee
Koordinierte Bewegung: Stepptanz, Ballett, Hip-Hop, Jazz oder Modern Dance, Yoga, Rhythmische Sportgymnastik, Klettern (Suchen Sie nach Studios, die sich eher auf Spaß als auf Wettbewerbe konzentrieren.)
Die Natur genießen
Die Natur ist ein Klassenzimmer, gefüllt mit beeindruckenden Landschaftsbildern, Geräuschen, taktilen Empfindungen und Gerüchen. Auch wenn Ihr Kind sensorisch empfindlich ist, sollte es neuen Erfahrungen ausgesetzt werden, um sich zu entwickeln, zu wachsen und sogar weniger empfindlich auf Reize zu reagieren. Der Schlüssel liegt im langsamen und dosierten Kontakt, wobei die Reaktionen Ihres Kindes als Maßstab dienen.
Ruhige Naturlandschaften sind am besten geeignet, um Ihrem Kind gute Erfahrungen zu ermöglichen. Fern von den ständigen Geräuschen und Echos der Stadt, der allgegenwärtigen Elektronik, dem visuellen Durcheinander und den Menschenmassen wird das entspannende Gefühl für jeden spürbar. Gehen Sie frühmorgens in einen Park, um die Ruhe zu genießen, schauen Sie nach einem kleinen plätschernden Bach oder einem Feld mit hohem Gras. Suchen Sie nach interessanten Steinen, die Sie mit nach Hause nehmen können. Nehmen Sie eine Decke mit und verbringen Sie den Nachmittag damit, nach Bildern in den Wolken zu suchen, oder zählen Sie die Vögel, die vorbeifliegen. Machen Sie einen Wald-/Naturspaziergang: Benennen Sie zehn Dinge, die Sie sehen, zehn Dinge, die Sie hören, zehn Dinge, die Sie berühren können, zehn Dinge, die weich, hart oder biegsam sind. Erforschen Sie die Umwelt! (Siehe auch „Wir gehen auf die Jagd nach dem „A", S. 249.)
Das Outdoor-Armband
Robustes, gut haftendes Klebeband ist das Ausgangsmaterial für ein tolles Naturarmband. Wickeln Sie es mit der klebenden Seite nach außen um das Handgelenk und packen Sie es voll mit kleinen Zweigen und Blättern, Sand und Muschelstücken, Gras und Blütenblättern. Achtung: Wird Ihr Kind vielleicht „ausrasten", wenn Sie später das Band abschneiden? Dann machen Sie den Ring so groß, dass es das Armband einfach abnehmen kann, oder falten Sie die Enden und befestigen Sie es mit einer Büroklammer am Handgelenk, um es später leicht wieder zu lösen.
Sommerspaß, Winterspaß
Interpretieren Sie einige Ihrer Lieblings-Sommeraktivitäten für den Winter neu. Ein paar Ideen für den Anfang:
Holen Sie die Sandburg-Formen aus dem Schrank und machen Sie stattdessen Schneeburgen; Schnee lässt sich ähnlich verarbeiten wie nasser Sand.
Stellen Sie mithilfe rechteckiger Vorratsbehälter Backsteine für Festungen und Iglus her.
Schreiben Sie mit einem Stock Nachrichten in den Schnee oder zeichnen Sie Bilder. Fotografieren Sie Ihre Nachricht („Ich hab Omi lieb") und legen Sie sie in eine Schneekugel – ein besonderes Geschenk für einen lieben Menschen (Foto-Schneekugeln sind z. B. in Foto/Elektronik-Abteilungen erhältlich, vor allem an Weihnachten).
Mag Ihr Kind das Buch Der Kater mit Hut? Mischen Sie Wasser mit ein paar Tropfen roter Lebensmittelfarbe in einer Sprühflasche und sprühen Sie den Schnee rosa an, genauso wie die kleinen Katzen im Buch.
Eine Reifenschaukel, die noch vom Sommer übrig geblieben ist, kann beim Schneeballwerfen für Zielübungen verwendet werden.
Oder springen Sie von der Reifenschaukel in einen Schneehaufen ab.
Üben Sie Tennis oder Baseball mit Schneebällen. Wenn sie zerplatzen, hat man getroffen.
Holen Sie sich eine Rutsche und vereisen Sie diese, nutzen Sie sie z. B. als Bowlingbahn.
Denken Sie daran: Autistische Kinder sind häufig unempfindlich gegen Temperaturschwankungen. Da sie Ihnen nicht sagen, wenn sie frieren, sollten Sie immer sicherstellen, dass sie gut gegen Kälte geschützt sind.
Bringen Sie die Natur ins Spiel
Manche Kinder genießen die freie Natur nicht, weil sie mit so vielen Dingen in Kontakt kommen, die sie schmutzig oder eklig finden. Gewöhnen Sie sie langsam und in ihrem eigenen Tempo daran, indem Sie die Außenwelt nach innen bringen. Ein kleines Planschbecken auf dem Boden Ihrer Küche oder Ihres Badezimmers kann ein Mini-Ökosystem sein. Schmutz, Sand, Zweige, Felsen, Kiefernzapfen, Nüsse, Samenkapseln, ein Stück Rasen – alles kann geschaufelt, sortiert, gestapelt und anderweitig von einem sicheren Ort im Haus oder der Wohnung aus verändert werden. Ihr Kind kann erst einmal Plastikhandschuhe tragen, damit es diese Dinge anfassen kann. Wenn sie ihm vertrauter werden, fällt es ihm irgendwann leichter, sie auch draußen zu genießen.
Sandkasten
Das Spielen mit Sand eignet sich hervorragend zur Stimulierung des propriozeptiven Sinnes, der durch Bewegung aktiviert wird. Verwenden Sie zur Abwechslung auch folgende Materialien:
Reis (ein paar Tropfen Lebensmittelfarbe wecken das Interesse)
Bohnen, Linsen, Erbsen
Katzenstreu (aus gemahlenen Nussschalen, Mais, recycelten Zeitungen oder Holz bzw. anderen umweltfreundlichen Materialien)
Blumenerde oder normale Erde
Popcorn (in Form von Reiskörnern oder fertig zubereitet)
Vogelfutter
Haferflocken, Bulgur, Hirse, andere Körner
Aquarienfelsen
Schrot
Weitere Aktivitäten mit Sand
Es gibt mehr zu tun, als Sand zu schaufeln, Eimer zu füllen und wieder zu leeren. Denn bei diesen Aktivitäten spielen sensorische und motorische Entwicklungsprozesse in Bezug auf Auge-Hand-Koordination, Gleichgewichtssinn und Propriozeption eine wichtige Rolle. Sie bieten die Möglichkeit, Gegensätze zu lehren, wie z. B. hinein/hinaus, hier/dort oder voll/leer. Helfen Sie den Kindern, das Gelände durch Aktivitäten zu erkunden, bei denen sie wiederholt schieben/ziehen/graben müssen:
Graben Sie nach versteckten Objekten.
Kombinieren Sie das Ganze mit Wasser, insbesondere um die Textur des Materials zu verändern.
Spielen Sie mit Actionfiguren oder Tierfiguren. Sie können marschieren, kriechen, springen – wie auch immer sie sich durch das Material bewegen können.
Spielen Sie mit Baufahrzeugen, die Hügel und Straßen bauen und Löcher graben.
Die nicht ganz so klitzekleine Spinne
Ihr kleiner Spiderman-Fan hat bestimmt großen Spaß daran, sein Zimmer oder Spielzimmer mit Hilfe von Schnur, Garn oder ungewachster Zahnseide in ein lebensgroßes Netz zu verwandeln. Wickeln Sie die Schnur um Türgriffe, Kommodenknöpfe, Bett-, Stuhl- oder Tischbeine, alles, was stabil ist. Er kann durch das Netz kriechen, durchklettern und anderweitig durch das Labyrinth navigieren. Wenn er genug damit gespielt hat, geben Sie ihm eine Schere, mit der er sich den Weg nach draußen freischneiden kann.
Was man alles mit einem leeren Kühlschrankkarton machen kann
Oft finden Kinder große Schachteln toller als das, was darin aufbewahrt oder transportiert wird. Für Ihr autistisches Kind bieten überdimensionale Kartons wunderbare sensorisch-therapeutische Erfahrungen. Viele Kinder im Autismus-Spektrum lieben geschlossene Räume wie Kleiderschränke, Fächer und versteckte Schlupflöcher. Ideal ist ein großer Gerätekarton. Passen Sie diesen an die Interessen und Bedürfnisse Ihres Kindes an.
Schaffen Sie ein ruhiges Plätzchen. Bemalen Sie das Innere der Schachtel mit einer beruhigenden Farbe und statten Sie sie mit Kissen, Büchern, Stofftieren, Kopfhörern und Musik aus.
Für Weltraum-Fans schneidet man sternförmige Löcher in die Oberseite.
Für Kinder, die nach taktilem Input suchen, kleiden Sie die Innenseiten mit beliebten strukturierten Materialien wie Fell, Cord, Sandpapier etc. aus oder füllen Sie Taschen mit Murmeln, Samen o.Ä. Hängen Sie kostengünstige und gebrauchsfertige transparente Schuhbeutel auf, die als Taschen dienen.
Manche Kinder lieben Luftpolsterfolie − stellen Sie sich einen ganzen „Raum" vor, der damit ausgekleidet ist.
Malen Sie den Innenraum mit Tafelfarbe an, so kann das Kind die Landschaft verändern, wann immer es will.
Ein kleiner Fernseher oder DVD-Player verwandelt eine einfache Box in ein Kino.
Ein Schlafsack und eine Taschenlampe machen sie zu einem Campingplatz.
Eröffnen Sie Ihr eigenes Restaurant. Vielleicht überrascht Sie Ihr sonst so wählerisches Kind damit, dass es etwas Neues probiert. Vergessen Sie nicht, den Bestellvorgang und die Bezahlung zu üben.
Installieren Sie ein Lenkrad und schon ist es Rennfahrer*in, Busfahrer*in, Lkw-Fahrer*in, Feuerwehrmann/-frau oder Pilot*in.
Heften Sie seidenen Stoff an die Decke und die Seiten, legen Sie einen Teppich und ein paar Kissen auf den Boden und Ihre Märchenprinzessin kann nach Herzenslust träumen.
Kleiden Sie die Innenseite der Schachtel mit reflektierendem Papier aus und hängen Sie eine Disco-Leuchte oder eine bunte Weihnachtsbaumspitze auf. Dann fühlt man sich wie in einem Kaleidoskop (Seien Sie vorsichtig, wenn das Kind starke Sehbehinderungen hat.).
Entwickeln Sie Spiele, die Ihrem Kind das Vokabular und das Konzept des Raums näherbringen. Die folgende Version von „Simon sagt" betont räumliche Begriffe: „Simon sagt geh‘ in die Box. Wackel außerhalb der Kiste mit deinem Fuß. Versteck dich hinter der Kiste. Lauf um die Kiste herum. Wirf den Sack über die Kiste."⁵
Sensorische Aktivitäten im Bad
Badezeit ist Zeit für Sensorik! Nutzen Sie diese alltägliche Gelegenheit, um das hypersensible Kind zu beruhigen oder das hyposensible Kind durch zusätzliche Sinnesreize zu stimulieren.
Spielen Sie mit Küchenutensilien wie Sieben, Schöpflöffeln, Trichtern. Ein alter Schneebesen zusammen mit einem flüssigen Schaumbad, Babybad oder Spülmittel ergibt eine lustige Übung für die Sinne. Schlagen Sie in einer Schüssel Blasen auf, füllen Sie ein ganzes Planschbecken mit Schaum, formen Sie daraus hohe Türme, wilde Haie oder eine bezaubernde Meerjungfrau.
Fügen Sie ein paar Tassen Wasser mit Lebensmittelfarbe hinzu.
Bringen Sie strukturierte Gegenstände wie Badehandschuhe, Waschlappen, Luffaschwamm und Rückenbürste ins Spiel.
Wenn Ihr Kind den Duft von Pfefferminze, Kamille oder anderen Kräuterteemischungen mag, kann es ein paar Teebeutel mit in die Wanne nehmen.
Nach dem Baden oder Duschen trocknen Sie Ihr Kind mit viel Druck ab. Reiben Sie Bodylotion an Armen und Beinen ein (nur, wenn das Kind Freude daran hat und den Duft als angenehm empfindet).
Putzen Sie ihm die Zähne mit einer elektrischen Zahnbürste.
Wasser zieht an!
Viele Kinder im Autismus-Spektrum lieben Wasserspiele, die vielen Konsistenzen, Temperaturen und Gerüche. Je nach Kind wird das als gut oder nicht so gut empfunden. Stellen Sie sich auf Aspekte ein, die das Gesamterlebnis vielleicht stören und unattraktiv machen.
Geschirrspülen, insbesondere in Seifenlauge bis zu den Ellenbogen
Spielen im Schlamm: dick und schlammig oder dünner und körnig
Füllen von Wasserkanistern und Gießen von Blumen im Garten
Spielen in Pfützen, Stampfen (besonders mit nackten Füßen), Rühren mit dem Stock, Kieselsteine hineinwerfen
Waschen des Autos oder des Fahrrads (oder auch des Hundes) mit einem Eimer oder Schlauch
Spielen mit einer Wasserwaage oder anderen Spielzeugen, die an einen Sprinkler oder Schlauch angeschlossen werden
Schwimmen auf einem Floß oder Schlauchboot
Tauchen nach Gegenständen (gewichtete Ringe, Münzen)
Fingermalerei
Als Kind war für viele von uns das Malen mit Fingerfarben eine Lieblingsbeschäftigung und eine Gelegenheit, die Hände zu beschmieren, ohne Ärger zu bekommen. Dieses für uns gute sensorische Gefühl wird vielleicht von Ihrem Kind oder Schüler nicht so positiv erlebt. Führen Sie ein taktil-abwehrendes Kind sanft an die Fingermalerei heran. Beginnen Sie damit, zum Malen ein Wattestäbchen zu benutzen. Dann wechseln Sie zu Gummi- oder Einmalhandschuhen. Wenn es sich daran gewöhnt hat, schneiden Sie die Fingerspitzen der Gummihandschuhe, bei Bedarf einzeln (z. B. eine pro Woche), ab.
Sie müssen nicht viel Geld für Fingerfarben ausgeben. Ungiftige Farben kann man ganz einfach aus gewöhnlichen Haushaltszutaten herstellen. Wenn sich Ihr Kind an der Herstellung beteiligt, interessiert es sich vielleicht eher für das Malen mit den Farben. Kombinieren Sie Mehl und Wasser zu gleichen Teilen und fügen Sie Lebensmittelfarbe hinzu. Sie können stattdessen auch einen Teil Maisstärke in drei Teilen kochendem Wasser auflösen und für den Glanz etwas Glycerin hinzugeben. (Überwachen Sie die Temperatur genau und lassen Sie die kleinen Kinderfinger erst eintauchen, wenn Sie sich sicher sind, dass die Mischung abgekühlt ist.)
Fingermalerei im Freien macht insbesondere dann Spaß, wenn Sie oder Ihr Kind sich wegen der Schmiererei Gedanken machen. Vielleicht malt Ihr Kind lieber auf Blätter oder Felsen statt auf Papier. Wenn sein Interesse zunimmt, besorgen Sie Materialien, die sich in Textur und Konsistenz unterscheiden, z. B. Rasiercreme, Pudding oder Badegel. Das Untermischen von Reis, Maismehl oder Kies erweitert das Ganze um einen sensorischen