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Der Postbote klingelt immer zweimal
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Ebook153 pages1 hour

Der Postbote klingelt immer zweimal

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Frank Chambers ist ein Rumtreiber, und er ist abgebrannt. Eines Tages landet er vor einem Diner irgendwo im
kalifornischen Nichts, betrieben vom Griechen Papadakis und seiner schönen jungen Frau Cora. Ihren Ehemann kann Cora nicht leiden, den Rumtreiber Frank dafür umso mehr. Ein Problem, das nur eine Lösung kennt, eine Lösung, die viele Probleme nach sich zieht. Solche, für die es keine Lösung gibt.
Schwärzer als bei James M. Cain war die Welt selten. In diesem No Man's Land regieren die Skrupellosigkeit, die Gier nach Sex und nach Geld. Jeder ist sich selbst am nächsten. Erlösung gibt es keine. Unerbittlich und in unvergleichlich pointierter Prosa treibt Cain seine Antihelden ins Verderben.
LanguageDeutsch
PublisherKampa Verlag
Release dateSep 6, 2018
ISBN9783311700067
Der Postbote klingelt immer zweimal

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    Der Postbote klingelt immer zweimal - James M. Cain

    Kampa

    1

    Gegen Mittag warfen sie mich vom Heuwagen runter. Ich war am Abend vorher unten an der Grenze aufgesprungen, hatte mich unter der Plane versteckt und war sofort eingeschlafen. Nach drei Wochen in Tijuana hatte ich jede Menge Schlaf nachzuholen. Als sie rechts ranfuhren, um den Motor abkühlen zu lassen, schlief ich immer noch. Einer sah, dass mein Fuß raushing, also warfen sie mich runter. Ich versuchte es mit ein paar Witzen, aber die Jungs hatten keinen Humor. Einer gab mir eine Zigarette. Ich ging zu Fuß die Straße weiter, um was Essbares aufzutreiben.

    Nach einer Weile kam ich zu einem Diner namens Twin Oaks Tavern. Es war ein ganz gewöhnliches Diner, wie es in Kalifornien noch eine Million andere gibt. Im Obergeschoss befand sich die Wohnung, in der sie lebten, daneben war eine Tankstelle und dahinter ein halbes Dutzend Baracken, die sie als Motel bezeichneten. Ich ging rein und setzte mich so hin, dass ich die Straße im Blick hatte. Dann kam dieser Grieche an meinen Tisch. Ich fragte ihn, ob ein Kerl mit einem Cadillac aufgetaucht sei. Bin mit ihm verabredet, sagte ich, zum Mittagessen. Heute nicht, sagte der Grieche. Er legte ein Gedeck auf und fragte, was ich essen wolle. Ich sagte Orangensaft, Cornflakes und Spiegeleier mit Speck, Enchiladas, Pfannkuchen und Kaffee. Wenig später kam er aus der Küche zurück mit Orangensaft und Cornflakes.

    »Moment mal, erst muss ich Ihnen was sagen. Wenn der Kerl nicht auftaucht, müssen Sie’s anschreiben. Das hier geht auf ihn, bin grad ein bisschen knapp bei Kasse.«

    »Hokay, erst mal essen.«

    Ich sah, dass der Grieche mir die Geschichte abkaufte, also hörte ich auf, von dem Typen mit dem Cadillac zu reden. Dann merkte ich, dass er was von mir wollte.

    »Was machst du? Welche Arbeit, hm?«

    »Ach, dies und das, mal so, mal so. Warum?«

    »Wie alt du bist?«

    »Vierundzwanzig.«

    »Junger Bursche, was? Ich kann junger Bursche brauchen. Für Geschäft.«

    »Nett haben Sie’s hier.«

    »Luft. Ist gut. Kein Nebel, nicht wie Los Angeles. Gar kein Nebel. Luft ist gut. Sauber. Immer sauber und klar.«

    »Nachts muss das großartig sein. Ich kann’s jetzt schon riechen.«

    »Schlaf hier immer gut. Du kennst dich aus mit Automobilen? Reparieren und so?«

    »Klar. Ich bin der geborene Mechaniker.«

    Er redete weiter über die saubere Luft und wie gut es ihm gesundheitlich gehe, seit er den Laden gekauft habe, und dass er sich nicht erklären könne, wieso seine Angestellten nie bei ihm bleiben wollten. Ich konnte es mir schon erklären, aber ich konzentrierte mich aufs Essen.

    »Na? Was sagst du, gefällt dir hier?«

    Inzwischen hatte ich meinen Kaffee ausgetrunken und die Zigarre angezündet, die er mir gegeben hatte. »Ich sag Ihnen, wie’s ist. Ich habe schon ein paar andere Angebote, das ist das Problem. Aber ich denke drüber nach. Das mache ich auf jeden Fall.«

    Dann sah ich sie. Sie war hinten in der Küche gewesen, jetzt kam sie nach vorn, um das Geschirr abzuräumen. Abgesehen von ihrer Figur war sie keine wirklich überwältigende Schönheit, aber sie schaute dermaßen mürrisch aus der Wäsche, dass ich Lust bekam, ihr eine reinzuhauen.

    »Meine Frau.«

    Sie schaute mich nicht an. Ich nickte dem Griechen zu, wedelte einmal mit der Zigarre, und das war’s auch schon. Sie ging mit dem Geschirr zurück in die Küche. Der Grieche und ich redeten weiter, als ob sie gar nicht da gewesen wäre.

    Dann ging ich. Fünf Minuten später war ich zurück, um eine Nachricht für den Kerl mit dem Cadillac dazulassen. Eine halbe Stunde später hatte der Grieche mich zu dem Job überredet, und dann stand ich auch schon an der Tankstelle und wechselte platte Reifen.

    »He, dein Name welcher?«

    »Frank Chambers.«

    »Nick Papadakis, meiner.«

    Wir schüttelten uns die Hände, dann ging er ins Haus. Eine Minute später hörte ich ihn singen. Er hatte eine großartige Stimme. Von der Tankstelle aus hatte ich eine gute Sicht in die Küche.

    2

    Gegen drei kam ein Kerl vorbei, der vollkommen von der Rolle war, weil ihm jemand einen Aufkleber ans Seitenfenster gepappt hatte. Ich nahm das Fenster ab und trug es in die Küche, um den Kleber wegzudampfen.

    »Ihr Leute habt’s wirklich raus, wie man Enchiladas macht.«

    »Ihr Leute? Was heißt das?«

    »Na, Sie und Mr. Papadakis. Du und Nick. Die Enchiladas, die ich vorhin hatte. Großartig.«

    »So.«

    »Hast du einen Lappen für mich, damit ich das Ding hier sauber kriege?«

    »Du hast was anderes gemeint.«

    »Wüsste nicht, was.«

    »Du denkst, ich bin Mexikanerin.«

    »Überhaupt nicht.«

    »Oh doch. Und du bist nicht der Erste. Damit das klar ist, ich bin genauso weiß wie du, kapiert? Ich hab zwar dunkle Haare und sehe ein bisschen so aus, aber ich bin genauso weiß wie du. Vergiss das nicht, wenn du hier klarkommen willst.«

    »Aber du siehst nicht mexikanisch aus.«

    »Sag ich ja. Ich bin genauso weiß wie du.«

    »Ich meine, du siehst kein bisschen mexikanisch aus. Mexikanerinnen haben breite Hüften und dicke Beine und den Busen gleich unter dem Kinn, und ihre Haut ist gelb, und ihr Haar sieht aus, als hätten sie Schweinefett reingeschmiert. So siehst du nicht aus. Du bist schlank und hast schöne weiße Haut. Deine Haare sind zwar schwarz, aber weich und lockig. Das einzige Mexikanische an dir sind deine Zähne. Mexikanerinnen haben sehr weiße Zähne, das muss man ihnen lassen.«

    »Vor meiner Heirat hieß ich Smith. Nicht besonders mexikanisch, oder?«

    »Nicht besonders.«

    »Ich komme nicht mal von hier. Ich bin aus Iowa.«

    »Smith, aha. Und dein Vorname?«

    »Cora. Du kannst mich Cora nennen, wenn du willst.«

    Jetzt war mir alles klar. Ich hatte mit meiner Bemerkung ins Blaue gezielt und voll ins Schwarze getroffen. Es lag nicht an den Enchiladas, die sie machen musste, und nicht an ihren schwarzen Haaren. Es war die Ehe mit diesem Griechen, die ihr das Gefühl gab, nicht richtig weiß zu sein. Darum wollte sie nicht, dass ich sie mit Mrs. Papadakis ansprach.

    »Cora, gern. Wie wär’s, wenn du mich Frank nennst?«

    Sie half mir, das Seitenfenster zu putzen, und stand so dicht neben mir, dass ich sie riechen konnte. Ich sprach ihr direkt ins Ohr, ich flüsterte fast. »Warum hast du diesen Griechen geheiratet?«

    Sie zuckte zusammen, als hätte ich sie mit einer Peitsche geschlagen. »Geht dich das was an?«

    »Und wie.«

    »Hier hast du dein Fenster.«

    »Danke.«

    Ich ging raus. Ich hatte mein Ziel erreicht. Ich hatte ihre Deckung unterlaufen und ihr so richtig eine reingehauen, dass es ihr weh tat. Jetzt war alles klar zwischen uns. Sie würde vielleicht nicht Ja sagen, aber sie würde mich auch nicht abweisen. Sie wusste, was ich wollte. Und ich wusste, was mit ihr los war.

    Beim Abendessen regte sich der Grieche auf, weil Cora mir nicht genügend Bratkartoffeln auftat. Ich sollte mich wohlfühlen, damit ich nicht weglief wie die anderen.

    »Gib dem Mann zu essen.«

    »Die Kartoffeln stehen drüben auf dem Herd. Kann er sich nicht selbst welche holen?«

    »Schon gut. Ich hab noch welche.«

    Der Grieche ließ nicht locker. Mit ein bisschen Grips hätte er gemerkt, dass da was im Busch war. Denn eigentlich war Cora nicht der Typ Frau, bei der ein Kerl sich die Kartoffeln selbst holen muss. Das muss man ihr lassen. Aber der Grieche war ein Idiot, er meckerte immer weiter, er am einen Ende des Tischs und sie am anderen, und ich dazwischen. Ich schaute Cora nicht an, aber ich sah ihr Kleid. Es war einer von diesen weißen Schwesternkitteln, wie ihn alle tragen, die bei einem Zahnarzt, in einer Bäckerei oder sonst wo arbeiten. Am Mittag war er noch sauber gewesen, jetzt war er etwas zerknittert und verschwitzt. Ich konnte sie riechen.

    »Wird’s bald, verdammte noch mal!«

    Da stand sie auf und holte die Kartoffeln. Ihr Kittel fiel auseinander, für eine Sekunde konnte ich ihr Bein sehen. Sie tat mir Kartoffeln auf, aber ich brachte keinen Bissen mehr runter.

    »Na großartig«, sagte sie. »Erst so ein Theater, und jetzt isst er nichts.«

    »Hokay. Aber er hat, wenn er will.«

    »Ich habe keinen Hunger mehr. Hab mittags schon viel gegessen.«

    Der Grieche führte sich auf, als hätte er einen großen Sieg errungen. Jetzt konnte er ihr verzeihen, der Pfundskerl.

    »Sie ist schon in Ordnung, meine Cora. Sie ist meine weiße Vögelchen. Meine kleine weiße Taube.«

    Er zwinkerte und ging die Treppe hoch. Cora und ich saßen da und sagten kein Wort. Als er wieder runterkam, hatte er eine große Flasche und eine Gitarre dabei. Er schenkte uns ein. Es war süßer griechischer Wein, von dem mir schlecht wurde. Dann fing er an zu singen. Er hatte eine Tenorstimme, nicht eine dieser kleinen Tenorstimmen, die man im Radio hört, sondern eine richtig große, und bei den hohen Tönen hängte er ein Schluchzen an wie auf den Schallplatten von Caruso. Aber ich konnte ihm nicht lange zuhören, ich fühlte mich von Minute zu Minute schlechter.

    Der Grieche sah, dass ich blass war, und ging mit mir nach draußen. »Frische Luft. Du fühlst sofort besser.«

    »Schon gut. Geht gleich wieder.«

    »Hinsetzen. Nicht reden.«

    »Geh du ruhig wieder rein, ich komme schon klar. Hab nur zu viel gegessen. Geht gleich wieder.«

    Er ging zurück ins Haus, und ich ließ alles raus. Ich wusste, dass es nicht am Mittagessen lag, auch nicht an den Kartoffeln oder am Wein. Es war die Frau. Ich war so scharf auf sie, dass ich nicht mal was im Magen behalten konnte.

    Am nächsten Morgen hatte ein Sturm das große Reklameschild an der Straße runtergerissen. Um Mitternacht hatte es angefangen zu winden, und am Morgen war aus dem Wind ein Sturm geworden.

    »Furchtbar. Schau dir das an.«

    »Mächtiger Wind. Konnte nicht schlafen. Kein Schlaf ganze Nacht.«

    »Jetzt ist es ja vorbei. Aber schau dir das Schild an.«

    »Ist kaputt.«

    Er ging rein, und ich machte mich an dem Schild zu schaffen. Er kam wieder raus und schaute mir zu.

    »Wo hast du das Schild überhaupt her?«

    »War schon da, als ich Haus gekauft. Warum?«

    »Es ist mies. Ein Wunder, dass du überhaupt Gäste hast.«

    Ich ging einen Wagen volltanken. Das gab ihm Zeit, darüber nachzudenken. Als ich wiederkam, blinzelte er das Schild noch immer an. Es lehnte ziemlich ramponiert an der Hauswand. Drei Glühbirnen waren zerplatzt. Ich schaltete den Strom ein. Von den übrigen brannte die Hälfte auch nicht.

    »Neue Glühbirnen reinschrauben. Aufhängen. Alles gut.«

    »Du bist der Boss.«

    »Was nicht gut dran?«

    »Es ist furchtbar altmodisch. Kein Mensch

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