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Der Elefant und der Treiber: In Trance aus dem Trauma
Der Elefant und der Treiber: In Trance aus dem Trauma
Der Elefant und der Treiber: In Trance aus dem Trauma
Ebook498 pages5 hours

Der Elefant und der Treiber: In Trance aus dem Trauma

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About this ebook

Hier sind sechs Gesundungsgeschichten.
Sie handeln von der Kontaktaufnahme mit dem gesunden Ich in Trance und der dadurch erlebten selbst organisierten Heilung, wofür die therapeutische Situation den Rahmen bereitstellt.
Die Wege der Gesundung vermitteln sich in der Ich-Form je einer Erzählerin. In diese strikte Ich-Form wurden sie aus Stundenprotokollen verändert, denn Stundenprotokolle lesen sich recht öde.
Dabei sollten natürlich die innerpsychischen Vorgänge weiterhin so gut wie möglich verstehbar bleiben.
In der Trance werden ja Inhalte, ähnlich wie im Traum, oft auf eine vom bewussten Denken als empfundene Art beschrieben.
Dieser Trance-Traum-Charakter kann die Verständlichkeit des Textes an einigen Stellen erschweren, und dies v.a. dann, wenn Sie darauf bestehen, in jedem Moment die Logik des Fortgangs verstehen zu wollen.
Mein Vorschlag wäre, daß Sie sich den Text zuführen wie ein impressionistisches Gemälde. Lassen Sie es auf sich wirken, ohne sich in einzelne Farbpunkte zu verbeißen.
In den Berichten dieser Kontakte mit sich (nennen wir es mal so) wird eine Basis des Lebens sichtbar, die durch ihr Maß an Intelligenz, liebevoller Geborgenheit, Humor, Würde und Souveränität das bewusste Denken dagegen eher kärglich erscheinen läßt.
Es sind also auch Geschichten unseres Reichtums.
LanguageDeutsch
Release dateJul 29, 2015
ISBN9783739273235
Der Elefant und der Treiber: In Trance aus dem Trauma
Author

Ernst Kiener

Der Autor hat es bis hierher zu dem Rentenalter gebracht, von dem in einem Song der Beatles die Rede ist. Mit Psychotherapie hat er seit 35 Jahren zu tun: grob unterteilt galt sein Interesse während der ersten Halbzeit der körperorientierten Psychotherapie, während der zweiten der Trauma- und Trancetherapie. Die frustrierenden universitären geisteswissenschaftlichen Studien davor können wir vernachlässigen, ebenso die erfolglosen Versuche, Schriftsteller zu werden oder auszuwandern. Einige Beziehungsversuche, Betonung auf einige, und dann ein Ehe- und Vaterleben seit fast 30 Jahren. In München seit 1985 als Arzt niedergelassen, die gegenwärtige Bezeichnung lautet „Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie“. Zu den bemerkenswerten Eigenschaften des Autors zählt eine lang überprüfte und nicht bewährte Prokrastinie. Ein Mangel an Disziplin hat sicherlich zur Talentverkümmerung beigetragen. Das Hirn des Autors bildet sich nicht ein, sich oder die Welt abbilden zu können. In ihm besteht Gottvertrauen ohne Gott. Den Menschen hält er für extrem konditionierbar; die möglichst radikale Betrachtung vor allem der eigenen Konditionierung für sinnvoll. Er ist dankbar.

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    Book preview

    Der Elefant und der Treiber - Ernst Kiener

    Helden, Götter und das Lachen wurden gegen die Ohnmacht erfunden.

    Nur das Lachen sollten wir beibehalten.

    Zum Autor:

    Dieser hat es bis hierher zu dem Rentenalter gebracht, von dem in einem Song der Beatles die Rede ist. Mit Psychotherapie hat er seit 35 Jahren zu tun: grob unterteilt galt sein Interesse während der ersten Halbzeit der körperorientierten Psychotherapie, während der zweiten der Trauma- und Trancetherapie.

    Die frustrierenden universitären geisteswissenschaftlichen Studien davor können wir vernachlässigen, ebenso die erfolglosen Versuche, Schriftsteller zu werden oder auszuwandern.

    Einige Beziehungsversuche, Betonung auf einige, und dann ein Ehe-und Vaterleben seit fast 30 Jahren. In München seit 1985 als Arzt niedergelassen, die gegenwärtige Bezeichnung lautet „Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie".

    Zu den bemerkenswerten Eigenschaften des Autors zählt eine lang überprüfte und nicht bewährte Prokrastinie. Ein Mangel an Disziplin hat sicherlich zur Talentverkümmerung beigetragen.

    Das Hirn des Autors bildet sich nicht ein, sich oder die Welt abbilden zu können.

    In ihm besteht Gottvertrauen ohne Gott.

    Den Menschen hält er für extrem konditionierbar; die möglichst radikale Betrachtung vor allem der eigenen Konditionierung für sinnvoll.

    Er ist dankbar.

    Zum Buch:

    Hier sind sechs Gesundungsgeschichten.

    Sie handeln von der Kontaktaufnahme mit dem gesunden Ich in Trance und der dadurch erlebten selbst organisierten Heilung, wofür die therapeutische Situation den Rahmen bereitstellt.

    Die Wege der Gesundung vermitteln sich in der Ich-Form je einer Erzählerin. In diese strikte Ich-Form wurden sie aus Stundenprotokollen verändert, denn Stundenprotokolle lesen sich recht öde.

    Dabei sollten natürlich die innerpsychischen Vorgänge weiterhin so gut wie möglich verstehbar bleiben.

    In der Trance werden ja Inhalte, ähnlich wie im Traum, oft auf eine vom bewußten Denken als empfundene Art beschrieben.

    Dieser Trance-Traum-Charakter kann die Verständlichkeit des Textes an einigen Stellen erschweren, und dies v.a. dann, wenn Sie darauf bestehen, in jedem Moment die Logik des Fortgangs verstehen zu wollen.

    Mein Vorschlag wäre, daß Sie sich den Text zuführen wie ein impressionistisches Gemälde. Lassen Sie es auf sich wirken, ohne sich in einzelne Farbpunkte zu verbeißen.

    In den Berichten dieser Kontakte mit sich (nennen wir es mal so) wird eine Basis des Lebens sichtbar, die durch ihr Maß an Intelligenz, liebevoller Geborgenheit, Humor, Würde und Souveränität das bewusste Denken dagegen eher kärglich erscheinen läßt.

    Es sind also auch Geschichten unseres Reichtums.

    Inhalt

    Vorwort I

    Vorwort II

    Lesbarkeit des Buches

    Kümmere dich, auch wenn sie tot aussehen

    April vor ein paar Jahren

    Das Eso hat neun HeilerInnenKöpfe

    Spät an´s Wasser

    Die Migräne geht, das Drama auch

    Eine Politikerin weniger

    Nachbemerkung

    Vorwort I

    Die Werdegänge in Hypnopsychotherapien haben mich so berührt und beeindruckt, daß ich ein paar von ihnen aufgeschrieben habe. Am lesbarsten sind sie wohl in der Ich-Form aus Sicht der Erfahrenden. Mit Esoterik hat das hier nichts zu tun; diese beginnt meines Erachtens dort, wo das bewußte Denken sich einbildet, Erklärungen und Erklärungssysteme für Phänomene liefern zu können, die in unseren derzeitigen wissenschaftlich fundierten Kenntnisbereich nicht einzuordnen sind. Die hier beschriebenen Phänomene können erlebt, aber nicht erklärt werden. Sie scheinen mir eine Realität abzubilden, die in sog. modernen Gesellschaften nicht unter allgemeiner Anerkennung erlebt werden kann. Viele trauen sich nicht, auf dieser „zweiten Ebene" Erlebtes mitzuteilen, aus Angst, für verrückt gehalten zu werden. Berichte über Träume beginnen meist mit: Ich hatte einen komischen Traum. Im Trancezustand scheinen wir Kenntnisse und Kontakte erleben zu können, die uns im bewußten Zustand verschlossen sind. Die in diesem Buch beschriebenen Erlebnisse sind nicht „übernatürlich" (ein sinnloser Begriff), und sie sind keine Zeichen einer gestörten Gehirntätigkeit, sondern einer erweiterten.

    Ein Modell, nach dem auch der Titel gewählt wurde, mag Ihnen die Übersicht und Einordnung erleichtern:

    Der Elefant, der Treiber, und dessen Rucksack:

    Der Elefant stellt die zweite Ebene dar (oft Unbewußtes genannt; dieser Begriff scheint mir aber vom abenteuerlichen Freud´schen Theorem bedeutungsverseucht); er ist völlig problemfrei, höchst intelligent und verbunden mit Anderem: Menschen, Wesenheiten, Ereignissen, Kenntnissen, Gott, dem Großen Geist, allen Zeiten - nennen Sie es wie Sie wollen. C.G. Jung spricht vom kollektiven Unbewußten, Rupert Sheldrake vom Morphischen Feld.

    Der Treiber auf diesem Elefanten ist das bewußte Denken (cogito ergo sum) plus die chronifizierten Erinnerungen und Reaktionen auf die Verunsicherungen, die im wesentlichen aus der Kindheit stammen. Diese sind uns natürlich nicht immer bewußt: ich siedle sie als Inhalt eines Rucksacks an, den der Treiber trägt (Arthur Schnitzler vermutete ein Mittelbewußtsein, dem dieser Rucksack in etwa entspräche). Das bewußte Denken des Treibers kann nicht beliebig auf die Inhalte seines Rucksacks zugreifen.

    Synonym für dieses Bündel an chronifizierten Reaktionen, diesen Reaktionsteil, ist der Begriff Neurose.

    Was macht den Treiber nun zum Treiber, anstatt ihn in aller Ruhe und Souveränität Reiter sein zu lassen?

    Es ist die emotionale Ladung, der psychische Druck, die offenen Rechnungen, das Verletzt- und Alarmiertsein, all das, was er aus seiner Vergangenheit mitnimmt. In einem Wort: die posttraumatische Reaktion, die anatomisch am ehesten im Zwischenhirn und dort in der Amygdala, dem Mandelkern, angesiedelt ist. Nennen wir es ruhig Traumafolgen, obwohl dies die enge Definition von Trauma im psychotherapeutischen Diagnosekatalog nicht erlaubt. Im Lauf der letzten fünfzehn Jahre, in meiner Arbeit als Traumatherapeut, der den strukturierten Trancezustand für den Selbstheilungsprozeß des Traumatisierten verwendet, bin ich immer mehr zu der Ansicht gekommen, daß sehr viele der psychischen Störungsbilder wie Depression, Ängste, Zwänge, Borderline, z.T. auch den Psychosen zugerechnete, als posttraumatische Symptome anzusehen und als solche zu behandeln sind. Selbst wenn nicht alle Kindheiten die Überschrift Kindheit als Trauma verdienen, so kommt es doch in sehr vielen zu persönlichen Traumata, die das Kind nachhaltig verändern. Das kann im Mutterleib anfangen, sich über die Umstände der Geburt fortsetzen, und im weiteren Verlauf der Kindheit und Jugend (Krippen, Krankenhausaufenthalte, elterliche Neurosen, verletzende Altersgenossen, Schule mit ihren Entwertungsmöglichkeiten usw. usw.) zementiert und verschlimmert werden. Der ganz normale lebensfeindliche Wahnsinn. Auf dieser Grundlage scheint es zu einer Durchneurotisierung unserer Gesellschaft zu kommen; und man kann sich fragen, ob offensichtlich schädigende Entwicklungen wie z.B. eine zunehmend überfordernde Arbeitswelt überhaupt möglich wären, wenn es nicht eine erhebliche Anzahl von in der Kindheit bereits emotional verunsicherten Menschen gäbe, die diese mittragen und mitbedingen.

    In der Therapie geht es nun darum, unter Einbeziehung des intelligenten, weisen, souveränen und völlig unbeschädigten Elefanten, der Beziehungen in alle möglichen Ebenen hat, den alarmierten und oft Gewalt ausübenden, nicht Ich-adäquat und nicht gegenwärtig lebenden Treiber, der sich seit der Kindheit- vergeblich-um die Wiederherstellung seiner psychischen Ordnung bemüht, zu einem gelassenen, sehenden Reiter werden zu lassen.

    Der Treiber ist teilweise durchaus erfolgreich: so z.B. kann es der sich vom Vater ungeliebt fühlende Junge zum Firmenchef bringen. Das wäre noch dazu ein neurotischer Lösungsversuch, der sozial anerkannt ist und insofern belohnt wird (anders als z.B. das Trinken oder wahlloser Sex oder Drogen oder Prügeln). Aber der ungeliebte Junge ist immer noch im Rucksack des Treibers, und der Chef ist kein gelassener Mann. Der echte Erfolg, der darin bestünde, daß er im Kontakt mit sich lebt, daß er als Reiter auf dem Elefanten sein Leben wahrnehmen würde, stellt sich über die äußere Entwicklung zum Chef nicht ein. Dieser echte Erfolg bestünde darin, daß auf einer Ebene, auf der die frühen Verletzungen abgespeichert sind, sich diese aufgelöst hätten. Der kleine Junge (das innere Kind) im Rucksack des Treibers würde dann nicht mehr existieren und sich nicht mehr in der Gegenwart, Erlösung fordernd, einmischen.

    Wodurch kann er sich auflösen? Dadurch, daß er auf der Ebene, auf der er existiert, bekommt, was er braucht: in diesem Fall väterliche Liebe. (Im Grunde geht es immer um dasselbe: Nähe, Wärme, Sicherheit, Liebe, Kontakt. Der passendste Begriff ist vielleicht: Geborgenheit.)

    Auf dieser Ebene spielt Zeit keine Rolle. Zeit heilt diese Wunden nicht. Frisch wie aus der Tiefkühltruhe kommen die alten Verunsicherungen und die alten Reaktionen auf sie zum Vorschein, v.a. in Beziehungen zu anderen Menschen. Die Reaktionsteile mischen sich ein, drängen nach vorn und verdecken erheblich die gesunde Kernpersönlichkeit (das wäre der Elefant und ein unbelasteter Reiter auf ihm, der das, was ihm das Leben anbietet, erlebt, ohne dagegen aus von früher mitgebrachten Motiven anzukämpfen). So kommt es u.a. zu dem, was als Wiederholungszwang bezeichnet worden ist, z.B. die immer wieder Partnerwahl. Warum? Weder aus Masochismus noch aus Dummheit. Sondern: weil das innere Kind, der Reaktionsteil, den der Treiber im Rucksack mitnimmt, sein Thema braucht, um es endlich einer Lösung zuführen zu können. Eine Frau, die an der Neurose ihrer Mutter oder ihres Vaters, oder beider, ihre emotionale Sicherheit verloren hat, sich nicht mehr sicher ist, ob sie liebenswert ist, wird sich einen Mann finden, der ihr genau dieses Gefühl bietet: ich bin unsicher, ob ich gemocht werde. Und sie wird versuchen, an diesem Mann zu dem Ergebnis zu kommen: Ja, ich bin liebenswert.

    Das gelingt nicht. Die Lösung liegt nicht außen, weil auch das Problem nicht außen liegt. Das Problem existiert nur auf einer inneren Ebene, und dort muß es gelöst werden. Das innere Kind muß bekommen, was es braucht, und dazu eignet sich der Trancezustand erheblich besser als der weitgehend bewußte. Bei unserem Beispiel von der Frau, die sich die Männer sucht, kommt es zu immer neuen und immer enttäuschenden Versuchen, den Mann zu finden. Die gesunde Kernpersönlichkeit der Frau würde ganz andere, passende Männer wählen; aber der sich vordrängende Reaktionsteil braucht ja sein Thema - und das bietet ihm nur ein Mann, von dem er sich nicht geliebt fühlt. Zur Lösung muß, auf einer tiefen Ebene, die in Trance zugänglich ist, das verunsicherte Wesen die Geborgenheit, die Richtigkeit seines Daseins, erfahren dürfen.

    Die vorliegenden Geschichten zeigen, daß dies auf Wegen gelingen kann, die in ihrer örtlichen und zeitlichen Abfolge so komplex sind, daß nur die Zweite Ebene, der Elefant, sie traumwandlerisch sicher findet. Da geht es zu wie im richtigen Leben: nur daß es sich hier wirklich um das richtige Leben und kein frustrierendes, im Kontakt eingeschränktes handelt.

    Die zur Nutzung des Trancezustandes angewandten Methoden sind, z.T. abgewandelt, hauptsächlich EMDR und die Zauberwiesenstrategie® nach Renartz. EMDR ist vor einigen Jahren vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie zur Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Methode anerkannt worden. Die Zauberwiesenstrategie® ist Bestandteil selbstorganisatorischer Hypnoseformen, die man als Weiterentwicklung der Arbeit Milton Ericksons ansehen kann. Selbstorganisatorisch bedeutet: Der Therapeut schafft einen hypnotischen Rahmen, und in diesem Zustand besseren Kontakts mit sich selbst findet der Patient den Lösungsweg. Dieser wird ihm nicht suggeriert. Er kommt aus der zweiten Ebene, vom Elefanten, vom Unbewußten, aus einem allgemein zugänglichen Feld - letztlich wissen wir nicht, woher diese Bewegungen, diese Bilder wirklich kommen. Dies gilt allerdings für alles, was Hirnprozesse betrifft. Der von Wissenschaftlern gern gesagte Satz: Wir wissen heute, daß…. bedeutet lediglich, daß wir es gestern nicht gewußt haben, und daß dieser Satz auch in Zukunft gesagt werden wird bedeutet, daß wir es auch heute nicht wissen. Führende Gehirnforscher weisen darauf hin, daß unser Wissen über die Funktionen des Gehirns noch sehr dürftig sind. Denkbar ist, daß unser Gehirn auch als Sender und Empfänger funktioniert, und daß sich in dem Satz: mir kommt ein Gedanke, diese Annahme ausdrückt. Im Lauf der Beschäftigung mit Trance bestätigt sich der Sokrates zugeschriebene Satz: Ich weiß, daß ich nicht weiß; drückt er doch auch aus, daß das bewußte Denken von uns Cogito ergo sum-Geprägten stark überschätzt wird im Verhältnis zu der Intelligenz, die sich auf der zweiten Ebene zeigt.

    Vorwort II

    (warum ein Vorwort II? Weil es nicht geschrieben wurde um weggeworfen zu werden und: weil es für den komplexen Sachverhalt einen zweiten Scheinwerfer darstellt.)

    In den folgenden Geschichten finden Sie häufig Aussagen und Umstände in den Trancesitzungen, die „gar nicht sein können (mit diesen Phänomenen beschäftigt sich u.a. die epigenetische Forschung). Ich schildere die Phänomene, wie sie aufgetaucht sind. Eine Erklärung dafür, wie so etwas zu Stande kommt, überlasse ich den Esoterikern auf der einen und den Wissenschaftsgläubigen auf der anderen Seite. Ich nehme ein „Feld an, das diese Phänomene ermöglicht, und halte es für sehr unwahrscheinlich, daß derzeit ein Mensch Gültig-Erklärendes dazu sagen könnte. Die Existenz dieser Phänomene hat mir persönlich in all ihrer Faszination das Leben erweitert und bereichert. Das Nicht-Wissen, jedoch Erleben schafft großen Raum, den wir auch brauchen; allein schon das Bild, das Teile der Wissenschaft und einige Psychotherapieschulen von unserer Psyche zeichnen, kann uns in Freudlosigkeit treiben. Anders ausgedrückt: Wesentliches läuft nicht so ab, wie es unsere Lehrbuchweisheit will. Das finde ich tröstlich, aufbauend, belebend.

    Im Grunde geht es um Kontakt. Kontakt mit dem „Gesunden Ich fühlt sich gut an, Kontakt mit der Neurose ist mühsam, anstrengend, Ich-fern. Beide Pole sind in jedem Neurotiker, also fast jedem von uns, immer vorhanden, aber der jeweilige Kontakt zu der einen oder anderen Seite schwankt. Je mehr die Neurose sich während der Therapie auflöst, desto intensiver wird der Kontakt zum gesunden Ich; dieses löst sich nicht auf. Neurose ist ein Gespinst aus Bildern und Filmen, körperlichen und psychischen Zuständen, das im wesentlichen in der Vergangenheit, meist in der Kindheit entstanden ist (oder auch mit Informationen aus dem „Feld zu tun hat, dessen Existenz m.E. angenommen werden darf). Dieses Gespinst hält sich aber taufrisch eine ganze Lebensspanne (und evtl. auch länger), wenn es nicht auf eine bestimmte Art kontaktiert wird und damit Gelegenheit hat, sich aufzulösen. Der kleine gequälte Mensch, das verunsicherte Kind, muß im Therapieprozeß bekommen, was er braucht. Das verunsicherte Kind ist eine Abspeicherung; an den Ort der Abspeicherung kommt man in Trance, jedoch nicht im bewussten Denken.

    Die Auflösung der Neurose ist ein innerer Prozeß. Der Treiber sucht aber die Lösung stets im Außen, womit er denn auch scheitert, so etwa am neuen Mann, an der neuen Frau, dem neuen Wohnort, der nächsten Sprosse der Karriereleiter, dem Mehr-Geld, dem Bundesverdienstorden, dem Doktortitel, dem Positiven Denken, der Tschakatschaka-Selbstüberhöhung, der neuen Philosophie, der Spirituellen Entwicklung (einer der hinterhältigsten Egotrips), der organisierten Religion (Halt finden), am Verändern des Körpers - die Liste ist endlos.

    Die Liste dieser Anstrengungen ist endlos. Und in all diesen Anstrengungen findet eins nicht statt: Wahrnehmung. Kontakt.

    Die Neurose arbeitet schlicht und einfach weiterhin ihr Thema im Außen ab, ohne jemals zur Lösung zu kommen. Die Themen der Neurose, die unerträglichen Erinnerungen des verunsicherten Kindes, lauten: Ich werde nicht wahrgenommen, ich bin nicht wichtig, ich werde nicht geliebt, ich bin einsam, ich muß sterben, ich bin nicht richtig, ich kann nichts, ich schaffe es nicht, usw. usf.

    Bei jedem Trauma - und ich fasse den Begriff hier weit, es geht also um viele Kinder, um viele von uns - entstehen:

    Alarm, Hilflosigkeit und Wut.

    Diese Trias ist der Boden, in dem differenziertere Themen wie die oben genannten verwurzelt sind.

    Kontakt mit diesem traumatischen Boden, ebenso aber auch mit Ihrer ungeheuren Selbst- und Gesundungskraft, erleben Sie in der Regel nur in einer Hypnopsycho- bzw. Traumatherapie- oder in einem Nahtodeserlebnis, für das unser Gesundheitssystem noch weniger aufkommt als für Hypnose.

    Eine Redekur beseitigt keine Traumafolgen.

    Eine Psychotherapie, die nicht auf eine fruchtbare, das heißt selbstorganisatorische, offene, respektvolle, im richtigen Sinn demütige Art den Trancezustand einbezieht, wird verhältnismäßig flach und ineffektiv bleiben.

    Aber auch:

    Eine Hypnotherapie, die bei der Komplexität der psychischen Verhältnisse suggestiv rasch zu Erfolgen kommen will und dabei die Selbstorganisation aushebelt, wird in vielen Fällen Schaden anrichten, obwohl es zunächst nach einem raschen Erfolg aussehen kann.

    Lesbarkeit der Buches

    Erlauben Sie mir zunächst, auf das Gender Mainstreaming Bezug zu nehmen:

    Liebe Leserinnen und Leser, Männer und Frauen sind gleichgestellt. Das ist für mich und wohl den Großteil der Leser und Leserinnen so weit in´s Bewußtsein vorgedrungen, daß ich zu Gunsten einer flüssigen Lesbarkeit auf eine gebetsmühlenartig wiederholte „Korrektheit" verzichte. Wenn ich mich täuschte, würde es auch durch diese Art der Korrektheit nicht besser.

    Damit Sie leichter erkennen können, wann im Text EMDR bzw. Trancegeschehen geschildert wird, hier zwei Beispiele aus einer der nachfolgenden Geschichten:

    EMDR:

    Das Schlimmste ist die Verwirrung. Ich habe völlig meinen Kopf verloren.

    Schön wär´s, wenn ich bei mir wäre, aber das stimmt überhaupt nicht.

    Ich bin ängstlich und wütend, fühle mich angegriffen und verwirrt.

    Es fühlt sich sehr belastend an. Ich spür´s am Kopf, an den Ohren.

    Ich tanze und mag das gerne.

    Ich mag da gar nicht hindenken, aus Angst, daß mir der Kopf platzt.

    Ich sehe mir das ganze jetzt auf einem Bildschirm an.

    Die drehenden Lichter... Ich sehe mich, wie ich mir die Ohren zuhalte, aber das reicht nicht!

    Panischer Schrecken!

    Das mit dem Bildschirm ist gut.

    Ich nehme meine Jacke und gehe.

    Ich bin draußen, aber Lärm und Wirrnis halten an.

    Ich kann es nicht hinter mir lassen.

    Ich laufe eine halbe Stunde rum, ohne Gefühl für Zeit und Richtung.

    Ich weiß nicht wie ich da wieder rauskomme.

    Tränen - kommen doch nicht.

    Ich steige in´s Auto, fahre weg, immer noch in Lärm und Wirrnis.

    Zu Hause bin ich das immer noch. Der ganze Kunstpark Ost in meinem Kopf.

    Es summt und schwirrt und ich krieg ´s nicht raus.

    Hämmer klopfen von innen an die Schädeldecke, Bienen summen darin.

    Obiges ist eine Abfolge von Rückmeldungen der Patientin im Abstand von einer halben bis drei Minuten. Im folgenden können Sie lesen, wie sich diese EMDR in eine offenere Trancegeschichte wandelt, was zeigt, wie gut sich die beiden Methoden kombinieren lassen:

    Barbara will ihren Kopf behalten und aufräumen. Die Bienen müssen raus. Ich wasche den Kopf sauber. Die Hämmer schrumpfen. Die Bienen schicke ich zu einem Bienenstock in Afrika. Ich packe eine Wabe ein und schicke sie mit einem Feuerwehrpaket nach Afrika.

    Da wird´s schon ruhiger.

    Jetzt wasche ich das dunkelgraue Gekräusel aus. Wie wirre Wolle fühlt sich das an.

    Ich hole mir kleine Helfer. Gute Idee. Die bürsten, die Wichtel. Und es gibt einen Kanal nach außen.

    Jaa... es träufelt so nett hellblau am Scheitel herunter, blau wie ein Sommerhimmel an einem sanften Sommermorgen. Es wäscht sich von oben nach unten sauber. Jetzt kann es da rausrinnen. Ich gebe diesem Vorgang Zeit. Es glättet die Gehirnwindungen, die so kraus waren. Die Hämmer sind kein Thema mehr, sie haben sich bei der Putzaktion zurückgezogen.

    Es ist ein friedliches Gefühl. Mein Kopf wird wieder mehr zu meinem Kopf. Er setzt sich auf.

    Mir fällt das Wort Gehirnflüssigkeit ein. Das Blau reinigt die Gehirnflüssigkeit.

    Ich habe das Gefühl, es wird ein bißchen kühler im Kopf. Ha! Ich kann kühlen Kopf bewahren!

    Das kann ich zwischendurch öfter machen: mich hinsetzen und die blaue Farbe benützen.

    Es riecht ein bißchen nach Minze. Das reinigt zusätzlich!

    Ich finde es ganz ganz wichtig, daß ich das jetzt gemacht habe.

    Ich werde zornig darüber, daß ich in dieser Situation war.

    Ein Trancegeschehen erkennen Sie meist auch daran, daß ein sogenannter Weisheitsteil beteiligt ist; ihn kann man als inneren Führer auf dem Weg zur Auflösung des Problems sehen.

    Den Beginn einer neuen Behandlungsstunde markiert ein: °

    Und nun wünsche ich Ihnen Freude beim Nachgehen der Lösungswege.

    Kümmere dich, auch wenn sie tot aussehen

    °Ich war ja schon fünf Jahre in Therapie bei Herrn Dr. Movvot. Er ist Psychoanalytiker. Und der hat mich dann zu Ihnen geschickt. Er sagt, das, was da ansteht, hat er nicht gelernt, und er würde es auch nicht mehr lernen, in seinem Alter. Es fällt mir nicht leicht, jetzt zu Ihnen zu gehen, denn ich mag ihn, und ich habe Vertrauen zu ihm, und zu Ihnen noch nicht. Er sieht auch älter aus als Sie, quasi seriöser. Sie sind ein Mann. Gut, er auch, aber weil er älter aussieht, ist er vertrauenswürdiger in diesem Punkt.

    Aber es gab auch schon Großväter...

    Vor fünf Jahren ging ich zu Movvot wegen Angstzuständen. Die verschwanden auch nach ein paar Wochen, und dann ging es um Alltägliches. Und jetzt, schließlich, teilt er mir mit, und hat versucht es mir klarzumachen, obwohl es mir noch nicht klar ist, daß es in seiner Therapie nicht mehr fruchtbar ist, daß das nichts mehr bringt, weil es bei mir um ein Trauma geht. Also müßte ich eine Traumatherapie machen. Deswegen hat er mich zu Ihnen geschickt.

    Ich habe Angst vor dem was das sein könnte. Damit geht´s mir alles andere als gut. Von Movvot fühl ich mich rausgeschmissen.

    Ich habe seit zehn Jahren eine Beziehung, das heißt, seit einem halben Jahr ist das zu Ende, endgültig. Er war gewalttätig. Sonst ein guter, liebenswerter, faszinierender Mann, aber er schlug mich immer wieder, er soff, er säuft, dann rastet er aus, das war nicht mehr auszuhalten. Ich hab ihn dann endgültig rausgeschmissen. Danach war ich eine Woche wie in Watte. Sonst hatte ich nur Beziehungen, die höchstens zwei Monate dauerten. Die ersten drei Jahre war es schön mit Walter, auch das Sexuelle war damals noch schön.

    Ich kiffe jetzt ganz wenig. Ich trinke jeden Abend zwei bis drei Bier und saufe ein Mal im Monat die ganze Nacht durch. Da geht´s dahin. Ich bin angespannt, dann trink ich. Und dann hab ich noch Alpträume, die immer wieder kommen, z.B. den mit dem Regal. Ich steh hoch oben auf einem schwankenden Regal, es stürzt gleich zusammen, ich klammere mich da oben fest bis es umfällt. Und das schlimmste ist: andere können da runtersteigen. Ich schwitze auch oft, richtige Schweißausbrüche zum Teil, und es kommt ein Zittern, daß es mich am ganzen Körper schüttelt.

    Von sechzehn bis neunzehn war ich heroinabhängig. Dazu Tabletten und anderes Zeug. Und: ich schneide mich. Danach fragen Sie ja sowieso.

    Was mir am meisten fehlt: Eine Beziehung, die funktioniert.

    Die ersten zwei Jahre nach der Geburt meines Sohnes hat mir nichts gefehlt. Nein, Walter ist nicht der Vater, aber um Leon hat er sich immer gut gekümmert. Die beiden mochten sich. Da hab ich ja auch so ein schlechtes Gewissen deswegen. Da nehm ich meinem Sohn seinen Ersatzvater weg, und den anderen hat er sowieso nicht, der spielt keine Rolle und will keine spielen.

    Meine Eltern ließen sich scheiden als ich zwölf war.

    Mein Vater ging als ich elf war.

    Meine Mutter wurde mit fünfundvierzig Psychologin. Ich mag meine Mutter wahnsinnig gern. Mein Vater ist mir relativ wurscht. Er ist Physikprofessor.

    Bis zu meiner Pubertät kann ich mich an nichts erinnern. Früher trank meine Mutter Wein und nahm Optalidon, vor allem als Vater ging. Ich glaube nicht, daß ich sexuell mißbraucht worden bin. Aber mein Vater war sehr gewalttätig. Er schlug meine Mutter. Sie sagt, sein Kontrollverlust kommt von dem Unfall.

    Mein Vater kümmerte sich um mich, als ich ein Baby war. Ich war sein Lieblingskind, heißt es. Ich habe eine ältere Schwester und einen älteren Bruder und einen jüngeren Bruder. Und zwei Brüder, auch jünger als ich, die meine Eltern adoptiert haben, aus Vietnam.

    Ich mache Schichtdienst in einer Einrichtung für psychisch Langzeitkranke in Laim. Ich bin Sozialpädagogin und studiere jetzt Soziologie.

    Ich verachte Männer, die nichts entscheiden, Milchbubis ohne Brusthaare. Ein Mann muß wissen wo´s langgeht.

    Walter drohte mir oft damit, daß er gehen würde. Dann konnte ich kein Wort mehr rausbringen. Und wenn jemand auf mich einredet, dann drifte ich weg.

    Ich weine nie.

    Ich will geliebt werden, aber die Nähe halte ich nicht aus. Beim Sex bekomme ich Schweißausbrüche, und da unten hatte ich schon immer alles. Blasenentzündungen, Zysten.

    °Seit vier Monaten hab ich eine neue Beziehung, Anton.

    Meine Träume handeln von Gewalt und vom Verlassenwordensein und mein Vater schlägt meine Mutter.

    Also mein Trauma heißt

    Ich werde verlassen und die

    Gewalt von meinem Vater und von Walter.

    Also ich will loswerden

    Diese Art von Männerbeziehung und meine

    Anfälle von Stur-und-ekelhaft-werden, wo ich jemanden verletzen muß und nicht aufhören kann damit. Ich kann nicht aufhören! Ich habe keinen Einfluß darauf. Das nervt.

    Und meine Alk-Anfälle müssen aufhören.

    Ich habe Angst davor, daß mir was Schlimmes einfällt.

    Anton hat fünfzig Prozent, Walter hatte die anderen fünfzig Prozent.

    Bei Dr. Movvot hat sich wahnsinnig viel geändert. Gegen Ende sagte er: Ihr Leben ist geordnet, nun wird immer das gleiche besprochen.

    Zu meinem Vater fällt mir nichts angenehmes ein. Mir fällt was unangenehmes ein: als mein Bruder sich und mich, ich war vielleicht fünf, mit Kugelschreiber vollgeschmiert hatte, da sagte unsere Mutter: Vater soll euch baden. Vater schrubbte uns dann mit einer Wurzelbürste, so fest, daß es weh tat, und er hörte nicht auf damit. Und wenn Vater abends heimkam: dann ging man schnell in´s Bett. Ätzend war auch, nach der Trennung der Eltern, daß ich jedes zweite Wochenende zu ihm mußte.

    Es gab einen Tag, an dem ich beschloß, mit niemandem mehr zu reden.

    Mit sechzehn zog ich zu meinem großen Bruder und seiner Freundin. Anfangs nahm ich Ecstacy, Rohypnol, Schlaftabletten.

    Jede Nacht Alk und Party.

    In Haar war ich völlig ausgeliefert. Zwei bis drei Wochen war ich dort, mit achtzehn, dann zwei bis drei Wochen in der Nußbaumstraße.

    Nächste Woche habe ich meinen letzten Termin bei Dr. Movvot.

    °Ich verliere mein Gefühl Anton gegenüber. Ich fühle mich wahnsinnig einsam, das merke ich auch an der sexuellen Situation. Das dauert dann tagelang. In der Brust sitzt ein Seufzen. Da war so ein Wegrutschen die letzten Jahre. Früher, bei Walter, hatte ich dann Schweißausbrüche; ich hatte Angst, daß er geht. Gestern, nach dem Abschied von Movvot, habe ich getrunken, sogar geweint. Ich soff von fünf bis zehn, und es endete schrecklich.

    Ich glaube ich habe keinen Freund mehr. Ich hab ihm eine SMS geschickt, daß ich seine Sachen aus dem Fenster geschmissen habe. Und am Morgen hatte ich dann gute Vorsätze, wie immer. Jetzt fühl ich mich zwiespältig: einerseits traurig, andererseits sortiert.

    Die letzte Stunde bei Movvot.

    Das Schlimmste ist, daß er weg ist.

    Ich bin allein.

    Es wäre gut, ich wäre nicht allein.

    Aber so fühlt es sich nicht an.

    Es fühlt sich traurig an, und ich bedaure es.

    Ich spür es in der Brust.

    Wenn ich an all das denke und dabei die Töne höre, dann ist da nix, nix und wieder nix. Außer daß ich nasse Hände habe und mir dann auch noch kalt wird.

    Da leg ich mich dann auf die Liege, unter die Decke, kuschle mich zu einem Bogen nach links zusammen. Er setzt sich hinter mich, seine linke Hand an meinem Nacken, die rechte auf meinem Bauch. Ich werde ruhiger.

    Ich bin sehr verwirrt, als wär ich mir selbst zu viel. Es denkt die ganze Zeit, und ich hätte gerne, daß es aufhört. Ich muß häufig über meinen Vater nachdenken - und ich hasse das! Ich denke nicht gerne an meinen Vater. Movvot hatte wirklich die Funktion eines Vaters, dem ich mein Herz ausschütten konnte.

    Männer müssen stärker sein als ich, das ist wie ein Kampf. Mit Walter habe ich zehn Jahre gekämpft, deswegen war ich so lange mit ihm zusammmen. Mit Anton passiert mir etwas seltsames: ich will nicht mehr mit ihm schlafen.

    Ich habe ja Strategien, um mit all dem leben zu können. Ich mache Aikido. Und ich schwimme, bis zur Erschöpfung, bis dann der Weinimpuls kommt, den ich unterdrücke. Ich lese. Ich sehe fern.

    Bis vor ein paar Monaten habe ich mich mit einem Cutter geschnitten, hier, diesen Stern auf meinem Arm. Vor einer Woche schlug ich mit dem Kopf gegen die Wand, seitdem habe ich Kopfschmerzen. Und ich lutsche Daumen. Und ich klaue, früher wenigstens.

    Es ist eher Schmerz als Wut.

    Es ist etwas, das mich wirklich umbringt.

    Ich habe Angst, ihm zu begegnen.

    Ich habe keinerlei Gedanken an einen Mißbrauch. Aber aus der Kindheit bring ich ein Gespür für Gewalt mit. Und diese Schreckhaftigkeit.

    Als Kind hab ich im Bett gehört, wie Vater und Mutter stritten, laut, und wie Vater den Fernseher gegen die Wand schmiß. Außerdem hatte ich mal einen Unfall, mußte deswegen im Krankenhaus bleiben, während meine Eltern nach Hause gingen. Ich war von meinen Eltern getrennt! Aber der kleine Junge im Bett nebenan war schlimmer dran: er hatte seine Eltern verloren, er mußte dann zur Oma. Es war schrecklich. Als ich vierzehn war, machte meine Mutter alleine Urlaub in Amerika. Das war auch schrecklich.

    Ich roch an ihrem Kissen.

    Ich male. Eigentlich wollte ich ja an die Akademie. Aber ich kann keine Aufnahmeprüfung machen, da hab ich ja immer zu viel Angst.

    °Seit einer Woche geht´s mir gut, aber nach den letzten beiden Stunden ging´s mir sehr schlecht, da mußte ich trinken gegen meine innere Anspannung. Ich möchte, daß der Anton mal hierher mitkommt. Er soll besser verstehen, warum ich so patzig reagiere, und warum meine Stimmung so plötzlich wechseln kann.

    Ich strample wie Rumpelstilzchen, bewege mich, atme tief. Er massiert meine Schultern und Arme. Ich atme immer schneller, mir wird komisch, alles wird unwirklich. Ich geh an´s Fenster und trinke ein Glas Wasser. Was mir hilft: was Normales.

    Und mir kommt der Gedanke, daß ich weinen kann, für zwei Minuten, wenn ich meinen Kopf auf der Brust meines Freundes hab und er ihn mir streichelt.

    °Ich habe mich nicht mehr geschnitten. Ich habe getrunken, aber nicht unkontrolliert. Vor zwei Wochen hab ich geweint. Heute lag ich den ganzen Tag im Bett und sah fern.

    Bei Movvot lag eine Kugel auf dem Tisch, und die sollte ich anschauen und dabei von zehn bis null zählen, und dann in meine Höhle gehen. Dort war mein Bett, Kerzen, das Licht war sonnengelb. Das hab ich mehrere Male wieder gemacht, das half auch beim Einschlafen, genauso wie der Gedanke an den Strand.

    Ich finde,

    in meiner ersten längeren Trance,

    meinen Weisheitsteil: ein Mädchen. Es schaut mich an. Ich frage es,

    wer ich bin. Es gibt mir keine Antwort. Ich frage es, ob es mir helfen kann, meine Anspannung abzubauen? Ja, sagt es, das kann es.

    Dann taucht vor dem Mädchen ein Altar mit Kerzen auf, und dann lange nichts mehr.

    Danach geht´s mir super. Wenn´s mir immer so ginge müßte ich kein Bier trinken.

    °Mir ging´s fast eine Woche super.

    Ich war innerlich ruhig - aber man darf mich dann nicht anfassen.

    Ich schlafe dann auf der anderen Bettseite. Gestern und heute hatten wir großen Streit, ich bekam einen Wutanfall.

    Heute lerne ich in der Trance meinen inneren Freund und Helfer kennen, einen Bären.

    Und einen kreativen Teil, der mir hilft, Lösungen zu finden, einen orangefarbenen Vogel.

    Ich habe Angst, an diesem Freund auszubrennen.

    °Mir geht´s schlecht, ich habe haufenweise Alpträume. In einem sagt der Therapeut auf englisch: Aberglaube. Und er sagt: wenn ich nicht dran glauben würde dann würd´s auch nichts helfen. Dann sollte mein Ex-Freund angezündet werden, und mein jetziger Freund zündet mein Kleid an, und ich versuche meinen Sohn zu schützen.

    In meiner dritten Trance zittere ich und zapple und kann mich auf die Sonnenwiese nicht konzentrieren.

    Mein Weisheitsteil sagt, daß die Unruhe alles festhält. Ich sage ihm meinen Wunsch, daß der Schmerz weggehen möge.

    Er sagt, den kann er nicht erfüllen.

    Ich schaue nach, wie alt ich bin, als der Schmerz entsteht: ich bin vier oder fünf. Ein kleines Mädchen von vier oder fünf, das jetzt den Bären braucht.

    Es sagt, der Schmerz ist entstanden, weil niemand da war.

    Das Mädchen macht sich mit dem Weisheitsteil auf den Weg zu der Situation, in der der Schmerz entstanden ist. An der nächsten Kreuzung schon sagt der Weisheitsteil, daß das Mädchen nun selbst weitersuchen muß. Als es den Weisheitsteil fragt, in welche Richtung es gehen soll, sagt er: geradeaus.

    Aber das Mädchen steht wie angewurzelt, es kann nicht weitergehen.

    Ich kann nicht weitergehen.

    Der Bär weiß, was ich brauche:

    den Weg zur Bank in der Sonne gehen und mit ihm dort sitzen.

    So ist es prima. Die Sonne strahlt auf mein Herz, und der Bär beruhigt mich. Er geht dann mit mir zurück.

    Ich habe viel weniger getrunken. Letztes Mal in der Kneipe bestellte ich ein Bier und ließ es stehen. Zum ersten Mal merke ich jetzt sofort, wenn ich gemeine Sachen sage.

    Ich beobachte förmlich, wie das Andere die Regie übernimmt und nicht wieder weggeht.

    Ich habe mich nicht geschnitten, und zum Fernsehen bin ich kaum gekommen, weil ich an einer Seminararbeit schreibe.

    Heute in meiner Trance geht mein Weisheitsteil vor mir her. Bis dahin, wo ich heute weiterarbeiten soll: zum Bären im Wald.

    Ich hole außerdem meinen kreativen Teil dazu, den Vogel.

    Ich frage meinen Weisheitsteil, ob er mir den Weg zur Lösung des Problems zeigen kann. Er geht bis zu einer Kreuzung und bleibt dann stehen.

    Ich teile mich, und dann nochmal, und diesem zuletzt abgespaltenen Teil von mir, einer alten Frau, ist es gleichgültig, ob sie auf diesem Weg zur Lösung des Problems weitergeht.

    Ich selbst habe Angst davor.

    Sie geht also voraus auf diesem Problemweg, und ich gehe mit dem Bär und dem Vogel hinterher. Beim Gehen wird sie immer älter. Und mir wird

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