Ebook122 pages1 hour
Georg Wilhelm Friedrich Hegel interkulturell gelesen
Rating: 0 out of 5 stars
()
About this ebook
Die Philosophie Hegels (1770-1831) ist häufig als Denken der konkreten Freiheit beschrieben worden. In seiner Rechtsphilosophie (1821) entwickelt er eine Auffassung vom Staat, nach der sich die Kräfte von oben (der Monarch und die Regierung) und von unten (die Volksvertretung und die öffentliche Meinung) in einem Gleichgewicht befinden. Als Staatsbürger richten sich die Menschen von sich aus auf das Allgemeine des so konzipierten Staates. Auf der Stufe der ›bürgerlichen Gesellschaft‹ wird dem Besonderen Raum gegeben. Wenn jeder für sich selbst das Beste und das Meiste erstrebt, ist es (in der Gesamtsumme) auch für alle das Beste und das Meiste.
Die Dynamik der Arbeitsorganisation in der bürgerlichen Gesellschaft führt dazu, daß sie über ihre Grenzen hinaus drängt: zum Meer, wo sich durch die Seefahrt neuer Raum erschließt, und zu den nicht-europäischen Teilen der Welt, wo Kolonien gegründet werden. Diese Weltteile sind gewissermaßen ein leerer Raum - wie das Meer - und die Menschen, die dort wohnen, zählen nicht mit. Es handelt sich um Gebiete, die zur Vorgeschichte der Geschichte Europas gehören, welche allein die Weltgeschichte ausmacht, (China, Indien, der Nahe Osten und Ägypten) oder die ganz außerhalb der Weltgeschichte fallen (die beiden Amerikas, das Innere Asiens und Afrika, insbesondere das Afrika südlich der Sahara). Daß im kolonisierten Nordamerika Europa sich selbst übertreffen würde, hat er dabei klar vorausgesehen.
In seinen Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, die er in seiner Berliner Zeit (1819-1831) häufig gehalten hat, begründet Hegel, warum diese Gebiete nicht zum Schauplatz des ›Theaters der Weltgeschichte‹ werden können. Im Kern geht es darum, daß sie keine Staaten kennen (was auf erschreckender Fehlinformation Hegels beruht) und Geschichte von ihm als die Geschichte von Staaten definiert wird. Letzen Endes ist aber nicht Hegel für seine Rechtfertigung des Kolonialismus und seine Ausschließung großer Teile der Welt aus der Weltgeschichte zu tadeln, sondern Europa, da er nichts anderes tut, als sein philosophisches Programm auszuführen, ›seine Zeit‹, und das heißt hier das in seiner Zeit vorherrschende Selbstverständnis Europas, ›in Gedanken zu fassen‹.
Neben diesen äußerst kritisch zu beurteilenden Auffassungen Hegels gibt es in den 'Frühen Schriften' und in den 'Jenaer Systementwürfen' (einschließlich der 'Phänomenologie des Geistes') auch gedankliche Motive bei Hegel, die für eine interkulturell philosophische Lektüre sehr anregend und weiterführend sind. Durch den Anspruch, das 'reine Denken' in der deutschen Sprache des beginnenden 19. Jahrhunderts mit universaler Gültigkeit darstellen zu können, wird der Wendepunkt zu den Positionen bezeichnet, die aus heutiger Sicht sehr problematisch sind.
Die Dynamik der Arbeitsorganisation in der bürgerlichen Gesellschaft führt dazu, daß sie über ihre Grenzen hinaus drängt: zum Meer, wo sich durch die Seefahrt neuer Raum erschließt, und zu den nicht-europäischen Teilen der Welt, wo Kolonien gegründet werden. Diese Weltteile sind gewissermaßen ein leerer Raum - wie das Meer - und die Menschen, die dort wohnen, zählen nicht mit. Es handelt sich um Gebiete, die zur Vorgeschichte der Geschichte Europas gehören, welche allein die Weltgeschichte ausmacht, (China, Indien, der Nahe Osten und Ägypten) oder die ganz außerhalb der Weltgeschichte fallen (die beiden Amerikas, das Innere Asiens und Afrika, insbesondere das Afrika südlich der Sahara). Daß im kolonisierten Nordamerika Europa sich selbst übertreffen würde, hat er dabei klar vorausgesehen.
In seinen Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, die er in seiner Berliner Zeit (1819-1831) häufig gehalten hat, begründet Hegel, warum diese Gebiete nicht zum Schauplatz des ›Theaters der Weltgeschichte‹ werden können. Im Kern geht es darum, daß sie keine Staaten kennen (was auf erschreckender Fehlinformation Hegels beruht) und Geschichte von ihm als die Geschichte von Staaten definiert wird. Letzen Endes ist aber nicht Hegel für seine Rechtfertigung des Kolonialismus und seine Ausschließung großer Teile der Welt aus der Weltgeschichte zu tadeln, sondern Europa, da er nichts anderes tut, als sein philosophisches Programm auszuführen, ›seine Zeit‹, und das heißt hier das in seiner Zeit vorherrschende Selbstverständnis Europas, ›in Gedanken zu fassen‹.
Neben diesen äußerst kritisch zu beurteilenden Auffassungen Hegels gibt es in den 'Frühen Schriften' und in den 'Jenaer Systementwürfen' (einschließlich der 'Phänomenologie des Geistes') auch gedankliche Motive bei Hegel, die für eine interkulturell philosophische Lektüre sehr anregend und weiterführend sind. Durch den Anspruch, das 'reine Denken' in der deutschen Sprache des beginnenden 19. Jahrhunderts mit universaler Gültigkeit darstellen zu können, wird der Wendepunkt zu den Positionen bezeichnet, die aus heutiger Sicht sehr problematisch sind.
Read more from Heinz Kimmerle
Denken in Dialogen: Zur Orientierung in einer hybriden Kultur Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related to Georg Wilhelm Friedrich Hegel interkulturell gelesen
Titles in the series (40)
Grundpositionen der interkulturellen Philosophie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBuddhismus interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsNiklas Luhmanns Systemtheorie interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIbn Ruschds Philosophie interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHans Küngs Projekt Weltethos interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsRückkehr ins Eigene: Die Dimension des Interkulturellen in der Philosophie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsDie Bibel interreligiös gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIslam interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLiang Qichaos Weltanschauung interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGrundlagen der interkulturellen Religionswissenschaft Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsAsiatische Philosophie: Schopenhauer und Buddhismus Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLudwig Wittgensteins Philosophie interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEsoterik als moderne Religionsform Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJosé Martí interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHerbert Marcuse interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsEgozentrismus im interkulturellen Kontext Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBhagavadgita: Gesang des Erleuchteten Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJacques Derrida interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHans-Georg Gadamers Hermeneutik interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMoses Maimonides interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHofmannsthals Existenzbegriff interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPhilosophie der Azteken: Eroberung und Mission als Transkulturation Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsOtto Friedrich Bollnows Philosophie interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsIdeen zur interkulturellen Pädagogik Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMedien - Politik - Demokratie: Eine interkulturelle Perspektive Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsBuddha und ich: Eine Begegnung in der Tiefe Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsMahatma Gandhi interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsTransnationalität soziale Unterstützung agency Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsWilhelm von Humboldts Theorie der Bildung interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsToleranz im interkulturellen Kontext Rating: 0 out of 5 stars0 ratings
Related ebooks
Der Philosophiebegriff der interkulturellen Philosophie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGeorg Wilhelm Friedrich Hegel: Eine Propädeutik Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsPhilosophie - Geschichte - Philosophiegeschichte: Ein Weg von Hegel zur interkulturellen Philosophie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsJakob Zwillings Nachlass Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsSchelling interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHeinrich Heine interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsVon der Hermeneutik zur interkulturellen Philosophie: Festschrift für Heinz Kimmerle zum 80. Geburtstag Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsInterkulturalität im Denken Max Horkheimers Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsLeopoldo Zea interkulturell gelesen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGriechisch-römische Philosophie im Kontext der Weltphilosophie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsHeidegger und die christliche Tradition: Annäherung an ein schwieriges Thema Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGeschichte der Germanistik: Historische Zeitschrift für die Philologien Rating: 0 out of 5 stars0 ratings"Das Absolute ist der Geist.": Über Hegel. Werkbiographische Betrachtungen Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsInterkulturelle Phänomenologie bei Heinrich Rombach Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsGrundlagen der interkulturellen Psychologie Rating: 0 out of 5 stars0 ratingsZeitschrift für interkulturelle Germanistik: 2. Jahrgang, 2011, Heft 2 Rating: 0 out of 5 stars0 ratings