
ove Alsterdal dreht die Kamera ihres Computers in Richtung der Landschaft: „Schauen Sie sich das an!“ Sie sitzt auf ihrer Terrasse, hinter ihr die verwitterte Wand eines typisch schwedischen Holzhauses auf einer Anhöhe. Weit reicht der Blick über Hügel mit dunkelgrünen Tannenwäldern, dazwischen liegt silbern glänzend das breite Band des Ångermanälven. Sie ist in Ådalen, in ihrem Sommerhaus. In der Gegend, in der ihre Krimiserie um die Polizistin Eira Sjödin spielt. Eira ist ein eigenwilliger Charakter, verbunden mit den Menschen vor Ort, verwurzelt in dem Landstrich, der auch politisch eine brutale Vergangenheit hat. Genau das, was Alsterdal interessiert und sie in ihre Bücher einfließen lässt. „Früher quoll der Fluss über vor Stämmen, die zu Sägewerken geflößt wurden. Die Landschaft hat sich gewandelt, nachdem die Holzindustrie verschwunden war, dies hat die Identität der Menschen vor Ort verändert. 1931 wurden bei Aufständen der Arbeiterbewegung während einer friedlichen Demonstration fünf Menschen erschossen. Das ist wie eine Wunde, die hier klafft und auch die schwedische Geschichte beeinflusst hat.“ Ihre Figur Eira ist nach dem jüngsten Opfer dieses Aufstandes benannt, der 21-jährigen Eira Söderberg. Immer wieder spürt Eira innen nach Konstanten sehnen, nach Menschen und Orten, die sie durch die Augen der ihnen lieb gewonnenen Figuren betrachten können. Und sowohl für Eira als auch für Ådalen spürt man die Liebe der Autorin, die irgendwie angekommen zu sein scheint, nachdem sie sich für ihre vorherigen fünf Bücher leidenschaftlich verausgabt hat. Jedes ist für sich spannend, hervorragend geschrieben und spannt einen Bogen zwischen gegenwärtiger Krimihandlung und historischen Begebenheiten. Der Rechercheaufwand ist immens, denn es geht um Ereignisse, über die geschwiegen wird, weil sie schwer auszuhalten sind oder viele Menschen sie gerne vergessen würden. Doch genau um diese geht es Alsterdal. Recherche ist für sie mehr, als nur das Zusammentragen von Fakten.