Geburtskanal-Blues

Gerade hatte ich erwartungsfroh den Muttermund passiert, als ich den Totenkopfring ertastete. Zuerst dachte ich, ich komme ungünstigerweise in einem SS-Hospital des Lebensborn zur Welt, doch dies war eine Fehleinschätzung. Meine Hebamme, genauer ein Hebammerich – seit 1985 dürfen in Deutschland auch Männer den Dienst am Uterus versehen – war vielmehr ein Rocker. Mit schon damals wieselflinken Fingern zog ich begierig den klobigen Ring von der nach mir tastenden Pranke, um ihn in einer meiner Halsfalten zu verbergen, die praktischerweise seit ehedem zur Babyausstattung gehören. Doch sowie ich das Licht der Welt in Form zweier Leuchtstoffröhren erblickte, bekam ich einen strafenden Klaps, und der Ring wurde mir wieder abgenommen. »Mein Schatz, mein Schaaatz!«, schrie es in mir. Ich weinte bitterlich, auch weil ich mit den stummeligen Babyärmchen nicht an die funkelnden Ohrringe der diensthabenden Ärztin zu gelangen vermochte.
»Es ist ein Kleptomane!«,
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